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Alois Schöpf
Gute Nacht Europa!
Warum ich manchmal froh bin,
alt zu sein.
Satire

Die Position als sogenannter Herausgeber ist ziemlich luxuriös. Im Dienste der Meinungsvielfalt muss man sich nicht positionieren.

Zwar rief ich am Beginn dieser Woche unseren geschätzten Professor der Geologie und Autor Diethard Sanders an, um mich nach seinem seelischen Befinden zu erkundigen. Denn allzu schwarz erschienen mir seine Aschermittwochs-Gedanken, wonach er, sich selbst heftig beschuldigend, vom bevorstehenden Weltuntergang zwar gewusst, ihn aber, obgleich von Tausenden von Wissenschaftlern vorausgesagt, wie die allermeisten seiner Zeitgenossen zeit seines Lebens viel zu wenig ernst genommen habe.

https://schoepfblog.at/diethard-sanders-aschermittwoch-notizen/

Meine Frage, ob er das wirklich so meine, wurde kurz vor einem zweiwöchigen Urlaubsabsprung nach Montegrotto mit heiterem Ernst bejaht.

Nein, dachte ich, das ist nicht meine Denkungsart, so viel Pessimismus kombiniert mit Thermenaufenthalt ertrage ich nicht. Daher freute es mich, den stets scharf argumentierenden Spötter, Zeichner und Architekten Reinhard Walcher kontaktieren zu können, um ihm mitzuteilen, dass er den giftigen Kurz-Leserbrief von Rainer Haselberger vom 02.02.2024 schon aushalten müsse, wenn er unsere um das Heil der Welt besorgten GrünpolitikerInnen in seinen Artikeln dermaßen über die Klinge springen lasse. Walcher ist nämlich in fast allen Punkten anderer Ansicht als Diethard Sanders, selbiger immerhin ein anerkannter Wissenschaftler in einem dem angeblich bevorstehenden Weltuntergang durchaus nahestehenden Fach.

https://schoepfblog.at/reinhard-walcher-bekenntnis-eines-siebzigjahrigen/

Vor der Frage nun, wer von beiden Parteien recht hat, die Apokalyptiker oder jene, die sich über die neue Naturreligion der jugendlichen Straßenkleber lustig machen, steh nicht nur ich hilflos da, sondern wohl die Mehrheit der Österreicher, wobei bekanntlich bei Krankheiten, die einen treffen, ohne dass man sie sich erklären kann, der erste und billigste Trost lautet: Es gibt auch andere, die sie haben.

Ein weiterer Trost besteht darin, dass man speziell als Tiroler, der den Winter hasst und das Rodeln und Skifahren bestenfalls als letzte Rettung vor dem kältebedingten Freitod betrachtet, nichts dagegen einzuwenden hätte, ohne es je laut zuzugeben, wenn es hierzulande um drei Grad oder gar im toskanischen Ausmaß wärmer würde. So wie die letzten Tage, die schon Frühling waren, obgleich eigentlich noch tiefster Winter herrschen müsste.

Die Mischung aus der Gewissheit, die Mehrheit der Ratlosen auf seiner Seite zu wissen, und der Unfähigkeit, mit der kalten Jahreszeit zurande zu kommen, ergänzt durch die aus der Pandemiezeit gewonnene Erkenntnis, dass man der offiziellen Wissenschaft doch am ehesten trauen sollte und weniger noch so originellen Querköpfen, die auf keine einschlägige wissenschaftliche Reputation verweisen können, ergibt eine psychische Gemengelage, welche glücklicherweise weitere Untätigkeit bzw. die Fortführung des gewohnten hedonistischen Lebensstils erlaubt. Und dies besonders geadelt, wie schon erwähnt, durch die Rolle des Herausgebers eines noch so kladestinen Blogs und des damit verbundenen Äquidistanz-Gebots.

Gewöhnliche Sterbliche müssen sich eben mit Trivialitäten zufrieden geben wie: Irgendwie werden schon beide Seiten recht haben, was mitnichten sein muss. Oder: Ein Scheit allein brennt nicht, was es durchaus tun kann. Oder: Es können sich doch nicht so viele irren. Doch, sie können!

Damit ist es seit einigen Tagen allerdings vorbei. Zu den üblichen Untergangsszenarien von wegen klimatischer Verröstungsgefahr hat sich ein neues, obgleich natürlich auch schon altes Schreckensszenario gesellt, die Befürchtung nämlich, der Europa wärmende Golfstrom könne durch das Abschmelzen der Polkappen und durch Anreicherung der Meere mit immer mehr Süßwasser zum Versiegen kommen.

Unvorstellbar: eine solche Zukunft träfe genau meinen allergischen Punkt. Europa das halbe Jahr im Winter! Wochenlang minus 30 Grad, Schnee von Oktober bis Mai, Zustände wie in Lappland, kein Urlaub an der Adria mehr. Keine drei Grad Erwärmung, sondern 5 bis 10 Grad kälter.

Leider klingt die Theorie ziemlich schlüssig. So könnte es tatsächlich kommen. In einer solchen Welt aber, die angeblich schon 2025 anfangen könnte, möcht ich nicht leben, da geh ich noch heute hinaus und kleb mich an der Dorfstraße fest. Dafür bin ich natürlich zu alt, zum Glück, denn bis es wirklich, also wirklich so weit ist, bin ich wahrscheinlich tot. Ungern zwar, aber aufgrund von Dauerkälte ohnehin alternativlos.

Denn dass ich einen Fischkutter besteige, um darin unter Lebensgefahr übers Mittelmeer nach Afrika auszuwandern, dazu ist es zu spät. Gute Nacht also Europa, es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut, wir hatten das Privileg, ein Leben lang in einem goldenen Zeitalter zu leben. Welche Generation kann das von sich behaupten? Jetzt ist es vorbei. 

Und wie würde es Charles Bukowski etwas deutlicher ausdrücken? Halts Maul Alter, du hast genug gefurzt in deinem Leben!

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Reinhard Walcher

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    lieber Alois!

    Danke für die freundliche Erwähnung meiner Artikel auf Deinem Blog, die in keinem anderen Medium statthaft sind, weil sie der Vernunft und nicht dem Zeitgeist respektive dem Zeitwahn geschuldet sind. Ich bin aber enttäuscht, dass Du trotz meiner umfangreich recherchierten Ausführungen zur Klimakirche (und all den anderen woken, demokratie- und wissenschaftsfeindlichen, linken Gruppen und Grüppchen mit ihren Untergangsängsten) am Tatbestand einer gigantischen Irreführung zweifelst. An mir, an meinen Argumenten und an der seriösen Wissenschaft, die sich niemals zu einer Prognose (ohne dazuzusagen, dass es eben nur eine Prognose ist) hinreißen ließe.

    Die Klimakirche mit ihrem pseudowissenschaftlichen Weltklimarat (IPCC) betreibt seit einem halben Jahrhundert massive Propaganda-Politik, die den Menschen Angst einjagen soll und Du bezeichnest diese Panikpropheten als offizielle Wissenschaft? Die sich jedes Mal dreht und wendet, wenn eine Horrorvision nach der anderen sich buchstäblich in Luft aufgelöst hat. Und zwar nicht ohne jegliche kontroversielle Meinung oder Argumentation zu verunglimpfen und mittlerweile sogar als rechtsradikal zu denunzieren.

    Man denke ans Waldsterben, die Atomkraft, das Ozonloch, den Sauren Regen, die Weltüberbevölkerung etc. Der Nobelpreisträger John F. Clauser, der als Hauptursache des überlebensnotwendigen Treibhauseffekts logischerweise die Wolkendecke der Atmosphäre benennt, wurde vom woken Völklein zur persona non grata erklärt und die Universitäten machen dabei mit, anstatt eine dialektische Debatte zu forcieren, was deren vornehmste Aufgabe wäre. Kritik am Wahn ist rechtsradikal. Woher kennen wir das bereits?

    Seit das Spurengas Kohlendioxid nun doch nicht alleinverantwortlich für die warmen Tage gemacht werden kann, wurde flugs das Spurengas Methan zum Bösewicht erklärt sowie die armen, methanfurzenden Rindviecher. Und wie immer natürlich wir menschlichen, Rindfleisch essenden Sünderinnen und Sünder selbst. Auch das kennt man schon ewig beziehungsweise seit 2000 Jahren.

    Wenn jedes Gewitter, jede Mure (im Gebirge!), jedes Hochwasser und jeder Waldbrand, der Regen als auch ausbleibender Regen als Indiz für eine den Planeten gefährdende Überhitzung herhalten muss und von einer kochenden, ja brennenden Erde schnappgeatmet wird, die Menschen aber weiterhin einfach ihr Dasein genießen wollen? Was machen dann Ideologien, Religionen, Diktaturen?

    Genau. Sie drehen weiter an der Streckbank zur Meinungsbildung in Form der nächsten Horrorvision: Der Knüller vom versiegenden Golfstrom, wodurch unser Europa samt der europäischen Ursula unter einem Eispanzer begraben sein wird. Und zwar in 5 bis 10 Jahren. Wahn hat keine Grenzen!

    Also entspann Dich, wir sind unter ständiger Bedrohung eines Atomkriegs groß geworden und unsere Enkel werden vice versa die Hitze- respektive jetzt die Kältebedrohung heil überstehen und ein schönes Leben haben. Und die Weltpolitik soll sich gefälligst endlich den reellen Katastrophen widmen: wie der russisch-putinischen Aggression und dem Judenhass des palästinensischen Terrorregimes. Das wäre jedenfalls dringender. … No offense! Im Übrigen Gratulation zu Deinen (teilweise) witzig-humorvollen Worten.

    1. Reinhard Kocznar

      Lieber Reinhard,
      zur Klimakirche kann ich nur beipflichten. Als die ersten Pestepidemien hereinbrachen, stellten die Sterblichen Statuen auf, um die Götter zu besänftigen. Heute erlassen wir Tempolimits, um die Sonne zu beeindrucken. Fortschritt kann so schön sein!

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