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Alois Schöpf
Freiheit muss gelebt werden.
Apropos

Ich versteh die Welt nicht mehr! Da ist eines unserer höchsten Güter die über Jahrhunderte schwer erkämpfte Meinungsfreiheit, von der jeder weiß, dass sie, wenn man sie nicht täglich nützt, immer weniger wird. Und genau sie soll nun gefährdet sein, wenn der Plan der ÖVP realisiert würde, die Klarnamenpflicht im Internet einzuführen. So zumindest die Argumentation jener, die dagegen sind.

Sie befürchten Datenmissbrauch. Oder dass jene, die eine Meinung äußern, mit einem Shitstorm eingedeckt werden. Oder dass sie negative Auswirkungen auf ihre berufliche Karriere erleiden müssen. Oder dass es überhaupt gefährlich ist, sich zu heiklen Themen zu äußern.

Sie befürchten also genau das, was eintritt, wenn die Meinungsfreiheit nicht genützt wird und sich damit sukzessive selbst abschafft. Wir sind am besten Weg dazu. 

Durch die Anonymität im Internet kam die Tugend des folgerichtigen Denkens nämlich längst aus der Mode und jeder und jede, der oder die meint, sich über etwas ärgern zu müssen, glaubt auch das Recht zu haben, anonym mit ein paar meist schlecht formulierten und hingerotzten Sätzen dem Weltgeist auf die Sprünge zu helfen.

Das Staatssystem der Demokratie baut auf dem Grundsatz auf, dass alle Bürger in der Lage sind, ihre Interessen intelligent zu vertreten. Und dass die öffentliche Debatte darüber zuletzt zu politischen Lösungen führt, die, wenn schon nicht akzeptiert, so doch von jenen, die sich nicht ganz durchsetzen konnten, toleriert werden.

Beides setzt die Verwirklichung der Meinungsfreiheit voraus. Und diese wiederum benötigt mutige Staatsbürger, die mit Klarnamen in der Lage sind, ihre wohldurchdachten Argumente auszutauschen und Gegenargumente, auch im Rahmen des Berufslebens, zu ertragen.

All das ist mit Anonymität nicht zu vereinbaren. Es geht also nicht nur um die Verhinderung von Hassreden und Fake-News. Es geht um unsere Freiheit!


Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 17.02.2024

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Doris Sommerer

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Mit großem Interesse lese ich immer Ihre Kommentare zu den verschiedensten Themen. Zu Ihrer Kolumne vom 17. 2.2024 in der TT „Freiheit muß gelebt werden“ erlaube ich mir einige eigene Überlegungen, die auf Erlebtem und Fakten basieren.
    Ich bin der Auffassung, dass Österreich schon lange keine Demokratie mehr ist, sondern eine Spielwiese von unfähigen Politikern. Zum Beispiel GemNova: die Verantwortlichen sind jetzt in den höchsten politischen Posten des Landes. Trotz erwiesener Misswirtschaft, gröbster Verstösse gegen Gesetze (z.B. jahrelang keine Bilanzen gelegt) und Amigowirtschaft wird und wurde nur der Steuerzahler in die Pflicht genommen. Dasselbe gilt auch für die Benko-Affäre. Vernichtung tausender Arbeitsplätze, Verdacht des Betrugs bei Steuern und Sozialabgaben, alles unter Mithilfe der hohen Politik. Die Staatsanwaltschaft wird zu wenig tätig, klar: sie ist ja weisungsgebunden. Und die Finanz prüfte bisher auch nur schonend. Erst kürzlich wurde ein Unternehmer, der einen Promillebetrag der vorhin genannten Beispiele nicht abgeführt hat, in U-Haft genommen und zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Bemerkenswert ist auch, dass hier immer die ÖVP in vorderster Front als „Täter“ in Erscheinung tritt.
    Auch was sich auf Gemeindeebene abspielt, das kann ich aus nächster Erfahrung z.B. in Jenbach miterleben. Sobald jemand sich gegen die Ansichten der Führenden stellt oder anderer Ansicht ist, werden härteste Sanktionen verhängt, die die Bürger zur Beschreitung des Rechtsweges zwingen. Das Verhalten mancher Gemeindemandatare in solchen Zusammenhängen muss man schon eindeutig als pathologisches Verhalten einstufen. Ich selbst war langjähriges Mitglied in der ÖVP Jenbach und Leiterin der ÖVP-Frauen, wurde aber bald eliminiert, da ich mein demokratisches Grundrecht auf Meinungsfreiheit, natürlich mit Respekt, tatsachenfundiert und im entsprechenden Rahmen wahrgenommen habe.
    Auch die Art der Neubestellung des technischen und kaufmännischen Geschäftsführers der Achenseebahn ist Polit-Hörl-Diktatur. Auf das Zillertal-Bahn-Desaster will ich gar nicht näher eingehen, ist alles bestens bekannt.
    Die einzige wirkliche Demokratie herrscht in der Schweiz, hier werden für wichtige Entscheidungen immer Volksbefragungen in einfacher Form durchgeführt. Aber in unserer Demokratie werden von der Politführung, egal ob Bund, Land oder Gemeinde, sogar Unterlagen unterschlagen, die für Entscheidungen, Strafverfolgung oder Aufdeckung von Mißständen notwendig wären.
    Fakt ist, dass in Österreich nicht die Wahrheit gesagt wird, sondern nur wahrgesagt wird und werden darf. Meinungsfreiheit für den Normalbürger und vor allem für politische Funktionäre ist ein Fremdwort. Es ist klar, dass dieses diktatorische Verhalten ein spezielles Gebiet der SPÖ und vor allem der ÖVP ist. Der mündige Wähler kann diesen die Macht durch die Wahl alternativer Gruppen schwächen.
    Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit .

  2. hansi entner

    sehr geehrter herr schöpf, vielen dank für ihre worte in der heutigen tt, es ist schon längst an der zeit, den feigen anonymen heckenschützen diese plattform zu nehmen und wieder mehr platz für eigenverantwortung, hausverstand und courage zu schaffen.

  3. Ernst Maier

    Sehr geehrter Herr Schöpf
    Als Digital-Abonnent der TT lese ich regelmäßig auch Ihre Samstag-Kommentare und interpretiere diese als gelebte Freiheit der Meinungsäußerung. Dies hindert mich allerdings nicht daran, nicht immer Ihrer Meinung zu sein.
    Ihrem heutigen Thema „Klarnamenpflicht im Internet“ kann ich allerdings uneingeschränkt zustimmen. Die derzeit gültige Regelung der völligen Anonymität im Internet und in den sozialen Medien ist leider für viele Nutzer Anlass und Gelegenheit, sich auf primitivste Art und Weise gegenüber vermeintlich Anders-Denkenden insbesondere auch Mandats-Trägern aus Politik und Interessensvertretung unsachlich, abfällig und oft auch beleidigend zu äußern.
    Eine vermeintliche Freiheit, sich hinter „Nick-Namen“ verstecken zu können, entpuppt sich zunehmend als unerträgliche Verrohung der Sprache und gefährliche, einer Demokratie abträglichen Entwicklung.
    Für ehrliche, gutgemeinte Äußerungen, welche tunlichst nicht immer „geltendem Mainstream“ gerecht werden müssen, sollte man eigentlich ohne Vorbehalt mit Klar-Namen geradestehen können.

  4. Rainer Haselberger

    Es gibt geschichtliche Situationen, in denen eine Klarnamenpflicht die Behörden vor berechtigter Kritik schützen würde, wie bspw. eine Aushebelung der Demokratie und die Herrschaft mittels Notverordnungsrecht. Leider kann man solche Entwicklungen nie und nirgends ausschließen!

    Ich schlage eine Kennzeichnungspflicht vor, bei der die Teilnehmer an einer Diskussion erkennen können, ob der Diskussionspartner seinen Klarnamen verwendet, ein identifiziertes Pseudonym, oder dem Kommunikationsunternehmen nur eine Telefonnummer/e-Mail-Adresse bekannt ist. Der Diskussionsteilnehmer sollte dann eine Filterebene festlegen können, ab der er Diskussionsbeiträge oder Bewertungen sieht. Das ließe bei uns die Beschränkung von geschäftlichen Bewertungen auf identifizierte Accounts zu, im Iran würden die Diskutanten wohl immer die volle Anonymität einschalten (ausgenommen die Ajatollahs).

  5. Robert Muskat

    Einspruch, Euer Ehren!
    Es wäre wunderbar, könnte jeder seine Meinung unter Nennung seines Namens – in welchem Forum auch immer – von sich geben. Als gelernter Österreicher weiß ich aber mit Sicherheit, dass dies äußerst riskant für den/ die Autor/in sein wird. Probieren Sie doch einmal, auch unter dem Einfluss persönlicher Erregung, Ihre Meinung zu Herrn Benko in irgendeinem Forum schriftlich zum Ausdruck zu bringen: abgesehen davon, dass hierzulande für jeden Großkopferten die UUUHHHUUUNSCHUUULDSVERMUUUTUUUNG gilt, ob berechtigt oder nicht, (als Normalo bekommen Sie dieses Wort im Ernstfall nicht einmal zu hören) wird Ihnen sicher innerhalb kürzester Zeit eine Glageee von einer Anwaltskanzlei ins Haus flattern, da Sie ja Majestätsbeleidigung betrieben haben. Und bei der Summe, die als „Schmerzensgeld“ eingefordert werden wird (die Persönlichkeit steht ja am Rande des finanziellen Abgrundes) werden Sie sich sämtliche Äußerungen unter Nennung Ihres vollen Namens sehr gut überlegen. Bitte dies auch in Ihre Überlegungen einzubeziehen.
    Mit trotzdem freundlichen Grüßen Robert Muskat

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