Papier und Realität
Der 1. Artikel der österreichischen Bundesverfassung lautet: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Wenn man an die derzeitige Wolfsdebatte denkt, schaut die Realität anders aus. Da geht offenbar das Recht von Brüssel bzw. von Tierschutzorganisationen aus, die von einem paradiesischen Miteinander zwischen Mensch und Tier träumen und diese jenseitige Illusion den Tirolern aufs Auge zu drücken versuchen.
Es wäre unfair auszuklammern, dass die einschlägigen EU-Verträge von Österreichischen Politikern unterschrieben wurden, die sie offenbar zu schlampig gelesen haben, weshalb sie nicht Ausnahmeregelungen in Sachen Wolf reklamierten. Vor diesem Hintergrund ist es umso abstruser, die Not der Bauern oder die Probleme, die auf den Sommertourismus zukommen, mit dem Verweis auf die Verbindlichkeit derartiger Schlampereien vom Tisch zu wischen, wie es die harmoniesüchtige Landesregierung derzeit tut, indem sie es allen recht machen will, was nicht funktionieren wird.
Warum ist man zu feige, sich dazu zu bekennen, dass in einem Land, das vom Tourismus, der Berglandwirtschaft und einer sicheren Wander-Infrastruktur lebt, Wölfe nichts verloren haben? Und wann begreifen auch die Tierschützer, deren zentrale Anliegen uns alle betreffen sollten, dass sie mit ihrem weltfremden Kampf um die Wölfe – in einer Kulturlandschaft wie der unseren – ihre Autorität verspielen?
Im Gegensatz zu EU-Verordnungen haben die Mitgliedsstaaten bei Richtlinien wie der das Thema Beutegreifer betreffenden FFH-RL sehr wohl einen gewissen Spielraum.
Die EU kann jedoch nichts dafür, dass sich Österreich auf 84.000 km2 neun verschiedene Naturschutzgesetze leistet.
Aufgrund des strengen Legalitätsprinzips des Art. 18 Abs. 1 der Bundesverfassung müssen zudem alle EU-Gesetze ausnahmslos in eigene Österreich-Gesetze überführt werden, was zur berüchtigten „Gesetzesflut“ führt.
Darüber hinaus verfügt Österreich mit der „mittelbaren Bundesverwaltung“, Stichwort „Operettenföderalismus“, über ein weltweit einzigartiges Spezifikum.
Abgesehen davon kann jeder Hirte nach § 3 StGB in Notwehr gegen einen unmittelbaren Angriff eines Wolfs auf Weidetiere jederzeit auch zur Waffe greifen.
Lieber Herr Schöpf,
bereits im 18. Jahrhundert hatten die Brüder Grimm keine Freude mit “Meister Isegrimm”, sonst hätten sie die Märchen “Rotkäppchen und der BÖSE Wolf” und “Die 7 Geißlein” nicht geschrieben. Ich wohne am Waldrand und würde nicht gerne einem Wolf oder Bären gegenüberstehen. Da sich speziell Wölfe schneller vermehren als Bären, bin ich dagegen, diese in unserer Gegend auch noch zu schützen. In Waldgegenden, wo nur Jäger oder Holzfäller hinkommen, mag das anders sein. Und da denke ich noch nicht an die Bauern auf ihren Almen. Ich gehöre zur Landbevölkerung, die froh war, dass außer Marder keine großen Wildtiere mehr um die Häuser strichen. Jetzt will sie plötzlich ein Teil der Bevölkerung, welche hier nicht leben, wieder angesiedelt wissen. Frage: Soll das einem “speziellen Urlaubskick” dienen?
Sehr geehrter Herr Schöpf!
Mit dem „paradiesischen Miteinander“ werden wir uns, ob uns dies gefällt oder nicht, zwangsläufig auseinandersetzen müssen. „Wolfsfreie Zonen“ bzw. Kulturlandschaften zu fordern ist zumindest ebenso realitätsfern wie die übertriebene „Wolfs-Romantik“ vereinzelter „Naturschützer“. Gezieltes Wolfs-Management (wie beschlossen) sollte ein halbwegs gedeihliches Miteinander ermöglichen. Zudem sollte man sich an den Erfahrungen der offenbar bis dato erfolgversprechenden Behirtung auf einer Gemeinschaftsalm im Bereich Pfunds und an den Projekten des Schafbauern Schranz orientieren.
Vielen Dank für Ihren Artikel in der TT.
Ich würde gerne nochmals den Hundstalsee/Inzing besuchen, habe aber Angst vor Wolfskontakt.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Schöpf!
1) Herdenschutz bedeutet nicht automatisch große „aggressive“ Hunde. Auch z.B. Lamas und Esel sowie elektrische Zäune sind möglich. Und natürlich Hirtinnen und Hirten.
2) Unabhängig davon argumentieren Sie im Endeffekt weiterhin, dass Tirol wolfsfrei werden/bleiben soll. Wie wollen Sie das konkret erreichen?
Sehr geehrter Herr Schwärzler!
Ich danke Ihnen sehr herzlich für ihre Zuschrift. Die Antwort auf Ihre Frage ist sehr einfach. Als liberaler Mensch bin ich der Ansicht, dass wir durch das Anhören der verschiedenen Argumente allesamt gescheiter werden, weshalb ich auch die Ausführungen von Nicole Staudenherz außerordentlich schätze. Dennoch bin ich persönlich der Meinung, dass in einer Kulturlandschaft, wie sie Tirol kennzeichnet, der Traum einer sogenannten ursprünglichen Natur kontraproduktiv ist, zumal ich als begeisterter Wanderer keine Angst vor dem Wolf hätte, sehr wohl aber vor jenen Herdenhunden, über die auch in diesem Fall die Hundebesitzer sagen werden :Der tuat eh nix!
Ich verstehe es nicht ganz: wie kann jemand, der den Beitrag von Nicole Staudenherz (https://schoepfblog.at/nicole-staudenherz-willkommen-im-wilden-westen/) in diesem Blog gelesen hat, so etwas schreiben?
Wer sagt „Wölfe haben hier nichts verloren“ kann nur „Tirol muss wolfsfrei werden/bleiben“ und „Wölfe müssen geschossen werden“ meinen.
Diese scheinbar einfache Lösung für das Wolfsproblem, das unsere Schafbäuerinnen und -bauern haben, ist aber nur eine nicht funktionierende Scheinlösung (es werden dadurch weiterhin viele Schafe gerissen werden, weil immer wieder Wölfe ein- oder durchwandern).
Das einzige was den Bäuerinnen und Bauern hilft ist Herdenschutz und Behirtung, finanziell unterstützt von Land, Bund und EU.
Es waren u.a. auch ÖVP-Politiker, die den Beitrittsvertrag verhandelten und unterschrieben; es waren/sind ÖVP-Politiker die als EU-Kommissare tätig waren/sind; es waren/sind ÖVP-Politiker, die als Landwirtschaftsminister tätig waren/sind. Daher halte ich die Debatte für verlogen.