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Klaus Schredelseker
Problem Vermögensteuer
Analyse
2. Teil:
Warum eine Vermögensteuer schwierig zu vollziehen ist.


1. Teil: https://schoepfblog.at/klaus-schredelseker-problem-vermogenssteuer-analyse-1-teil/

 Eine Vermögensteuer wäre nach rechtsstaatlichen Prinzipien nur dann vertretbar, wenn sie alle Vermögenskategorien in gleicher Weise treffen würde. Das setzt voraus, dass alle Vermögensgegenstände, die einem Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, nach dem gleichen Maßstab bewertet werden müssen. Ein solcher Maßstab kann nur der jeweilige Verkehrswert sein, der Wert, der im Markt tatsächlich bezahlt wird (res tantum valet quantum vendi potest). Dies hätte zur Folge,

• dass Immobilienbesitz nach Verkehrswerten und nicht nach den historischen Einheitswerten bewertet werden müsste; in Deutschland ist der Vollzug der Vermögensteuer derzeit ausgesetzt, da das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung von Immobilienbesitz (bewertet nach Einheitswerten) und sonstigen in der Regel nach Marktwerten bewerteten Vermögenskategorien als nicht verfassungsgemäß eingestuft hat;

• dass der Grundbesitz von Landwirten marktnah zu bewerten wäre: landwirtschaftliche Nutzflächen, Bauerwartungsland oder Bauland müssten zu den jeweils marktgängigen Preisen bewertet und besteuert werden;

• dass nicht nur Vermögenswerte, die amtlich erfasst sind (wie Immobilien, Wertpapierdepots, Kraftfahrzeuge, Privatflugzeuge), Berücksichtigung finden dürfen, sondern aus Gründen der Gleichbehandlung auch privater Schmuck, Antiquitäten, Kunstobjekte, Sammlungen etc.;

• dass dabei dem Fiskus das Recht eingeräumt werden müsste, die Angaben des Steuerpflichtigen zu überprüfen, was erhebliche Eingriffe in den verfassungsrechtlichen Schutz der Privatsphäre unvermeidbar machen würde (der berühmte van Gogh im Schlafzimmer);

• dass Altersvorsorgevermögen unabhängig von ihrer Ausgestaltung gleichbehandelt werden müssten: es darf keinen Unterschied machen, ob jemand aufgrund seiner beruflichen Stellung einen hohen wertgesicherten Pensionsanspruch hat oder ob er ein Geldvermögen besitzt, das nach versicherungsmathematischer Logik eine lebenslange Rente in gleicher Höhe verspricht: entweder werden Pensionsansprüche versicherungsmathematisch kapitalisiert und somit Teil des zu versteuernden Vermögens oder Geldvermögen, das der Altersvorsorge dient, wird generell von der Besteuerung ausgenommen;

• dass auch bei der Bewertung von Unternehmensvermögen der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten muss; einer der Hauptkritikpunkte, der gegen die Vermögensteuer vorgebracht wird, ist die konfiskatorische Wirkung der Vermögensteuer auf das Unternehmensvermögen im Fall geringer oder gar negativer Gewinne, da die unternehmerische Substanz genau dann angegriffen wird, wenn sie am ehesten des Schutzes bedarf; um diesem Problem zu entgehen, ist in manchen Ländern das Betriebsvermögen von der Besteuerung ausgenommen worden, aber es ist mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung kaum vereinbar, wenn die steuerliche Behandlung einer Beteiligung am Produktivvermögen davon abhängt, in welcher Rechtsform sie erfolgt, d.h. ob der Steuerpflichtige klassischer Unternehmer ist oder ob er über die Mehrheit der Aktien einer Kapitalgesellschaft verfügt.


Allein schon diese knappen Überlegungen zeigen, dass eine rechtsstaatlichen Kriterien genügende Umsetzung des Konzepts Vermögensteuer für die Politiker alles andere als eine leicht zu bewältigende Aufgabe darstellt.

Dies führt uns zum zweiten Punkt, der ökonomischen Effizienz.

Die Vermögensteuer ist immer eine teure Steuer gewesen. Solange es in Deutschland noch die Vermögensteuer gab, beliefen sich die Kosten ihrer Erhebung auf über 30 % des Steueraufkommens (im Vergleich dazu: Einkommensteuer 9 %, Lohnsteuer 6 %, Körperschaftsteuer 4 %).

Berücksichtigt man, dass in der damaligen Fassung Vermögensgegenstände, deren Bewertung sehr aufwendig ist (privates Sachvermögen, Altersvorsorgevermögen), von der Besteuerung ausgenommen waren, kann man sich leicht ausrechnen, wie hoch die Erhebungskosten wären, wenn diese Begünstigungen wegfielen.

Einer der zentralen finanzwissenschaftlichen Grundsätze der Besteuerung ist der der Billigkeit, nach dem die Steuererhebungskosten möglichst gering zu halten sind.

Vor diesem Hintergrund ist die Vermögensteuer eindeutig eine miserable Steuer. Weiters zeigt eine in Deutschland von der sozialdemokratischen Wirtschaftsministerin Zypries 2017 in Auftrag gegebene Studie, dass die Einführung einer Vermögensteuer von 1% (bei einem Freibetrag von 1 Mio. pro Person) für den Fiskus fatale Auswirkungen haben würde: Zwar wäre mit einem zusätzlichen Steueraufkommen von ca. 20 Mrd. zu rechnen, andererseits würde der deutsche Fiskus durch Mindereinnahmen bei anderen Steuern (Lohnsteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Kapitalertragsteuer) über 50 Mrd. verlieren; letztlich wäre somit die Einführung für den Staat ein Verlustgeschäft.

Grund dafür ist, dass sich die Vermögensteuer aufgrund der hohen Freibeträge auf einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung (ca. 2-3%) konzentriert, wohingegen sich die ökonomischen Kosten der Vermögensteuer (vermindertes Wachstum, Ausweichreaktionen der Betroffenen, Abwanderung von Kapital etc.) auf alle auswirken.

Die Einsicht in diese Zusammenhänge hat die Mehrheit der europäischen Staaten dazu bewogen, eine Vermögensteuer nicht zu erheben oder, so sie bestanden hat, wieder abzuschaffen.


Bilanz:

Es wäre zu wünschen, dass der ideologische Schlagabtausch zwischen links und rechts, Knüpft Euch die Reichen vor auf der einen Keine sozialistische Neidsteuer auf der anderen Seite, von einer etwas sachlicheren Debatte abgelöst wird.

Dass die sich weiter verstärkende Ungleichheit in unserer Gesellschaft sozialen Sprengstoff in sich birgt, ist offenkundig, und dass man ihr entgegenwirken sollte, dürfte weitgehend gesellschaftlicher Konsens sein.

Die Einführung einer Vermögensteuer ist allerdings dafür kein geeignetes Instrument. Ein Großteil der vorgetragenen Überlegungen gilt allerdings nicht für die Erbschafts- und Schenkungssteuer: Sie hat deutlich geringere Erhebungskosten und knüpft an einen nachvollziehbaren Vermögensübergang an, der, ähnlich wie ein Einkommen, beim Beschenkten zu einer messbaren Zunahme seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führt.

Sollte trotz der genannten Vorbehalte eine Vermögensteuer eingeführt werden, so sollte man sich bewusst sein, dass es sich dabei um Placebo-Gesetzgebung handelt: Treiber wäre nicht der gewünschte wirtschaftspolitische Effekt, sondern eher der Wunsch, einem weit verbreiteten Unbehagen entgegenzutreten und zur gesellschaftlichen Befriedung beizutragen.

Placebo-Gesetzgebung ist allerdings nichts Ungewöhnliches: Auch das Verbot des Insiderhandels an den Kapitalmärkten dient nicht der Besserstellung kleiner und mittlerer Kapitalanleger (eher das Gegenteil ist der Fall), sondern soll das Unbehagen mindern, das jemand empfindet, der sich, zurecht oder nicht, unterlegen fühlt.

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Klaus Schredelseker

Prof. Klaus Schredelseker: 1962 – 1968, Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaften in Paris, Mannheim, Berlin und Mailand; 1968 – 1976 Assistent bei Prof. Dr. Klaus v. Wysocki in München; 1976 – 1986 Professor an der Bergischen Universität - GH Wuppertal; seit 1986 Professor an der Universität Innsbruck; 1973 – 1999 Gastprofessuren in Poznan, Strasbourg, Bergamo, Trento, Siena. Begründer und Leiter des Studiengangs Internationale Wirtschaftswissenschaften und Gründungsratsmitglied an der Freien Universität Bozen.

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