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Klaus Schredelseker
Problem Vermögensteuer
Analyse
1. Teil:
Warum eine Vermögensteuer gerechtfertigt ist.

Globalisierung und technologische Innovation haben zu enormen, aber durchaus gegenläufigen Veränderungen in der Wohlstandsverteilung geführt. Weltweit ist die Ungleichheit zwischen den reichen und den armen Regionen der Welt geringer geworden, während sich innerhalb der Gesellschaften die Ungleichheiten erheblich verschärft haben.

In Österreich ist dieses Phänomen besonders ausgeprägt: Auf 10% der reichsten Haushalte entfallen derzeit laut Berechnungen der Europäischen Zentralbank 56,4% der gesamten Nettovermögen in Österreich. Der Gini-Koeffizient, mit dem üblicherweise Ungleichheit gemessen wird, ist mit 0,77 der höchste in der EU.

Noch zu meiner Studienzeit waren reiche Menschen üblicherweise Nachkommen reicher Menschen. Zumindest im Weltmaßstab hat sich dies dramatisch geändert: Von den zehn in der Forbes-Liste 2023 aufgeführten Superreichen stammen neun (z.B. Jeff Bezos, Elon Musk, Warren Buffett, Bill Gates) aus eher kleinbürgerlichen Verhältnissen; lediglich Françoise Bettencourt-Meyers, die einzige Frau in der Liste, ist Erbin eines großen Familienvermögens.

In Österreich findet sich in der deutlich vom Rest abgehobenen Spitzengruppe sowohl die Traditionsfamilie Porsche/Piëch wie der vor kurzem verstorbene Newcomer Dietrich Mateschitz. Dies kann man gleichermaßen als eine erfreuliche wie auch als bedrohliche Entwicklung interpretieren.

Erfreulich ist es, in einer Welt zu leben, die es leistungswilligen Menschen erlaubt, extrem erfolgreich zu sein, auch wenn ihnen der Erfolg nicht in die Wiege gelegt wurde; bedrohlich ist eine extreme Spreizung von Einkommen und Vermögen, weil dies die Systemakzeptanz sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt unseres Gemeinwesens in erhebliche Gefahr bringt.

Teilweise ist diese Entwicklung in Gesetzmäßigkeiten der IT-Wirtschaft begründet, wo häufig das winner-takes-all-Prinzip gilt, wonach derjenige, der aus dem Kampf um die Technologieführerschaft als Sieger hervorgeht, dann den Markt beherrschen und gewaltige Gewinne für sich verbuchen kann (z.B. Windows, Google, Amazon, Facebook etc.).

Ähnliches beobachten wir im Sport: Toni Sailer bekam für seinen Olympiasieg in Cortina d’Ampezzo einen Kühlschrank; was die dahinter Platzierten bekamen, ist nicht überliefert, aber ich nehme an, sie erhielten vielleicht ein Kofferradio, einen Präsentkorb o.ä. Zwischen Kühlschrank und Kofferradio sind Unterschiede, aber nicht Welten. In der heutigen Formel 1 bekommen die Spitzenfahrer dreistellige Millionenverträge, während die auch hochklassigen Rennfahrer aus dem Hinterfeld häufig dafür bezahlen müssen, überhaupt dabei sein zu dürfen.

Wer sagt, dies sei ökonomisch nicht gerechtfertigt, irrt. Die Spitzenfahrer bringen ihrem Rennstall mehr, als sie kosten, die Nachzügler kosten mehr, als sie einbringen; eigentlich müsste ein Verstappen noch mehr und die anderen noch weniger verdienen.

Ökonomisch gerechtfertigt heißt aber nicht notwendigerweise auch gerecht; die Leistung, die der zehntplatzierte Fahrer erbracht hat, steht der des Weltmeisters nur unwesentlich nach, und der Unterschied ist für den Zuschauer mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Wir müssen offenbar damit leben, dass unsere Gesellschaft in die Extreme tendiert: die Erfolgreichen und Sieger werden immer mehr hofiert und honoriert, die Durchschnittsbürger und Verlierer landen immer mehr im Abseits.

Dies gilt nicht nur im Sport, sondern auch in der Kunst, in der Politik, im Journalismus, in der Wissenschaft und generell im Arbeitsleben. Während mittlerweile in Großbritannien die Zahl der Milliardäre auf fast 200 Personen angestiegen ist, steigt die Zahl der Briten, die in Armut leben, dramatisch an.

Um dieser unerwünschten Entwicklung entgegenzuwirken, kommt regelmäßig die Forderung nach einer sozial ausgleichenden Vermögensteuer auf. Es spricht auch vieles dafür und viele Staatsrechtler halten eine solche Steuer aufgrund des Sozialstaatsprinzips schlicht für geboten.

Auch aus ökonomischer Sicht spricht manches für eine derartige Steuer: Laut Berechnungen der OECD hat eine Vermögensteuer weniger negative Effekte auf das Wirtschaftswachstum als eine hohe Besteuerung des Arbeitseinkommens – die Option, auf die das österreichische Steuersystem setzt.

Jedenfalls ist die Denunziation einer Vermögensteuer als Neidsteuer oder als marktwirtschaftswidrige Abgabe abwegig: Länder, deren marktwirtschaftliche Grundorientierung als unstreitig gilt (USA, Schweiz, Großbritannien) haben teils hohe vermögensbezogene Steuern, während Österreich im internationalen Vergleich tatsächlich das Schlusslicht bildet.

Gleichwohl ist Skepsis angesagt. So nachvollziehbar der Ruf nach einer Vermögensteuer ist, so problematisch ist ihre Umsetzung in die Praxis.

Dem Konzept haften nämlich zwei fundamentale Probleme an: (1) die Bewahrung rechtsstaatlicher Grundprinzipien und (2) die ökonomische Effizienz.

Fortsetzung folgt am 11.05.2023.
Warum eine Vermögensteuer auf Schwierigkeiten stößt.

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Klaus Schredelseker

Prof. Klaus Schredelseker: 1962 – 1968, Studium der Betriebswirtschaftslehre und der Rechtswissenschaften in Paris, Mannheim, Berlin und Mailand; 1968 – 1976 Assistent bei Prof. Dr. Klaus v. Wysocki in München; 1976 – 1986 Professor an der Bergischen Universität - GH Wuppertal; seit 1986 Professor an der Universität Innsbruck; 1973 – 1999 Gastprofessuren in Poznan, Strasbourg, Bergamo, Trento, Siena. Begründer und Leiter des Studiengangs Internationale Wirtschaftswissenschaften und Gründungsratsmitglied an der Freien Universität Bozen.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Andreas Braun

    Lieber Klaus!
    Als Kitzbüheler muss ich Dich leider korrigieren: der Sailer Toni erhielt nicht nur einen Kühlschrank, sondern auch ein Grundstück seitens seiner Heimatgemeinde…..wenn auch Wert und Sozialprestige von Grundstück und Kühlschrank sich nach fast 70 Jahren – nicht nur in Kitzbühel – dramatisch verschoben haben.
    Zur „Spreizung“ der Einkommen zwischen Arm und Reich das nächste Mal nach Deiner Folge 2.
    Lb Gruß

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