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Alois Schöpf
Die b´soffene Partie (Sigi Maurer)
Dritter Teil des Essays
"Der Bundespräsident fordert
die Wiederherstellung eines Vertrauens,
dessen Zerstörung er mit unterstützt hat."

In den beiden ersten Teilen des Essays wurden die Voraussetzungen geklärt, von denen aus argumentiert wird, was eine neue Bewertung der innenpolitischen Ereignisse der letzten Monate ermöglicht.

Dies resultiert zum einen aus der These, wonach Gesetze die verschriftlichte Moral einer Gesellschaft sind, über die hinaus es keiner weiteren Instanz bedarf.

Und es resultiert, basierend auf den Werken von Solschenizyn, Fukuyama und Precht/Welzer, aus der Beobachtung, dass sich die Medien inzwischen zu einer Vierten Gewalt ohne demokratische Legitimation selbstermächtigt, ihre ursprüngliche Aufgabe der Aufklärung und Hinführung zum Selbstdenken der Bürger hinter sich gelassen haben und den Politikern zunehmend aus eigener Machtlust Themen und ihre angeblich richtigen Lösungen vorgeben.

Eine Vierte Macht übrigens, die, wie nicht nur das Buch Alexander Solschenizyns „Die Eiche und das Kalb“, sondern auch die jüngsten Chats der Chefredakteure von „Die Presse“ und des ORF Novak und Schrom aufzeigen, niemals von sich behaupten kann, eine über die durchschnittliche Befindlichkeit der Normalbürger hinausgehende ethische Kompetenz zu besitzen.

Basierend auf diesen beiden Voraussetzungen muss das Narrativ des Ibiza-Videos, dessen Kurzausschnitt mit Strache im T-Shirt und Gudenus beim fiktiven Gebrauch einer Schusswaffe in unendlichen Wiederholungsschleifen den Österreichern die Korruptheit der beiden FPÖ-Politiker einbläuen sollte, anders als bisher üblich interpretiert werden.


Rekapitulation:

Ein Wiener Rechtsanwalt und ein wegen Drogendelikten rechtskräftig verurteilter Detektiv kamen offenbar zur Ansicht, man könne doch auch in Österreich, den düsteren Werken des Amerikaners James Ellroy abgeschaut, statt all der langweiligen Dokumentationen der immer gleichen Ehebrüche Geld damit verdienen, wenn man Politiker, wie schon beim ehemaligen Innenminister Ernst Strasser erfolgreich praktiziert, bei korruptem Geschwätz erwischt und selbiges dann, wenn es Schwierigkeiten gäbe, als eine Art Reinigungsdienst aus der Mitte der Zivilgesellschaft heraus verkauft. Genial!

Ganz im Dienste dieser ihrer Drehbuchidee engagierten die beiden Herren als Hauptdarstellerin des geplanten Reality-Krimis eine zierliche Blondine mit Donnerbusen und schönheitschirurgisch korrigiertem Näschen, allerdings mit nicht ganz einwandfrei gereinigten Zehennägeln.

Die Dame wurde in Folge als angeblich steinreiche russische Nichte eines russischen Oligarchen mit Herrn Gudenus als ihrem ersten Opfer bekannt gemacht. Sie hatte den Eindruck zu vermitteln, nicht nur an den Liegenschaften des schnöseligen Adeligen interessiert zu sein, sondern ihr Geld insgesamt in Österreich loswerden zu wollen, was effektiv und zuletzt nur möglich sei, so ihr Ansinnen, wenn sie mit dem Führer jener Partei zusammentreffen könne, in der Gudenus als jugendlicher Hoffnungsträger fungierte, das Gewicht des Amtes als Parteivorsitzender jedoch auf den Schultern des zweiten in Aussicht genommenen Hauptdarstellers, auf jenen Heinz-Christian Straches lag.

Um das geplante Stück zur Aufführung zu bringen, wurde auf Ibiza, dem immer wieder gern besuchten Urlaubsort Straches, eine auch sonst von Geheimdiensten genutzte Villa angemietet und, wiederum getreu nach James Ellroy, verwanzt und zusätzlich mit Videokameras ausgestattet.

Befördert durch Drogen, bei denen der Einsatz von Alkohol eindeutig nachgewiesen ist, jener anderer Rauschmittel lediglich nur behauptet wird, aufgegeilt durch die schöne, spärlich bekleidete Oligarchen-Nichte und zusätzlich durch selbige immer wieder durch gezielte Fragen zu gewissen heiklen Themen hingeführt, lieferten die beiden hormonell überdosierten, im Zenit ihrer Manneskraft und Macht stehenden Herrn Gudenus und Strache sieben Stunden Geschwätz ab, das nun als Material zur Verfügung stand.


Leider ein Flop

Leider war es mit diesem Material jedoch eher schlecht bestellt und die ganze Aktion im Grunde von vorneherein ein grandioser Flop. Denn, so betrunken und notgeil die beiden Herren auch gewesen sein mögen, sie ließen sich in Wirklichkeit niemals zu strafrechtlich relevanten Äußerungen hinreißen, ganz abgesehen davon, dass sie es verabsäumten, genau das zu tun, worauf alle nicht minder notgeilen Österreicher gewartet hätten: nämlich die für die Beurteilung einschlägiger Filme erfahrenen Fernsehzuschauer mit bühnenreifem Gruppensex zu verwöhnen.

Die sieben langweiligen Stunden reichten gerade dazu aus, daraus eine 5-Minuten-Montage herzustellen, in der der Name des Bauunternehmers Haselsteiner ebenso auftauchte wie der Plan, die Kronenzeitung auf- und das österreichische Wasser zu verkaufen: Letzteres eine geradezu nach sowjetischen Maßstäben avancierte Zusammenschusterung von Aussagen Straches, der in Wirklichkeit nie über den Verkauf der Quellen selbst, sondern lediglich darüber schwadroniert hatte, sauberes österreichisches Alpenwasser durch eine renommierte Getränkefirma international vermarkten zu lassen.

Wie mager die Ausbeute in Wirklichkeit war, ergab sich auch aus der Tatsache, dass die Montage der abendlichen Zusammenkunft, welche stets als geradezu noch harmloser Appetizer für Nachfolgendes, offenbar viel und nun wirklich Schlimmes (Gruppensex?) verkauft wurde, bei den Vertretern der österreichischen, der FPÖ mitnichten wohlgesonnenen Parteien, aber auch bei Vertretern der österreichischen Medien auf wenig Interesse stieß und ein Ankauf um einen Millionenbetrag zurückgewiesen wurde. Wohl auch deshalb, weil sich in den politischen und medialen Eliten bei aller Abneigung gegen den kleinbürgerlichen Populismus der Freiheitlichen doch noch ein gewisser Anstand und eine gewisse Scheu vor Grenzüberschreitungen erhalten haben mag.

Es könnte aber auch sein, dass es sich sowohl die politischen als auch die medialen Vertreter, denen Teile des Videos gezeigt wurden, nicht zumuteten, die Folgen eines solchen Negative Campaignings, das gerade bei der SPÖ großen Schaden angerichtet hatte, richtig abzuschätzen.


Die Folgen

Inwieweit Teile des Ibiza-Videos nun, aus der Affäre Waldheim bestens bekannt, bewusst ins Ausland verschoben wurden, um es von dort gleichsam mit der Autorität großer deutscher Zeitungen wieder nach Österreich zurückzuholen, konnte bislang nicht geklärt werden. Tatsache ist jedenfalls, dass Süddeutsche Zeitung und Spiegel und die in ihren Diensten stehenden deutschen Journalisten Frederik Obermaier und Bastian Obermayer die heiße Ware nicht selbst einkauften, um zumindest nominell ihre journalistische Unschuld zu wahren, sondern sich die von den Produzenten des Videos geforderten 600.000 € von einer sogenannten Gesellschaft für politische Schönheit bezahlen ließen. Zum Zwecke des finanziellen Zugewinns und zur präventiven Abwehr bevorstehender Entschädigungsprozesse ergänzten Obermaier und Obermayer die Berichterstattung mit der schludrigen Aufbereitung des Falles in Buchform, welche in Folge zum Zwecke der durch Heiligsprechung erzielten Selbstimmunisierung der Branche mit einem renommierten Journalistenpreis behängt wurde.

Ein erster Vorschlag, die geforderten 600.000 € in Form eines per Gutachten viel zu gering eingeschätzten, wertvollen Gemäldes zu übergeben, wurde von den Verkäufern nicht akzeptiert, weshalb zuletzt der Betrag in Form von südafrikanischen Krügerrand Goldmünzen übergeben wurde. Bis heute ist nicht geklärt, woher die ominöse, dem politischen Anarchismus zuneigende „Gesellschaft für politische Schönheit“ dieses Geld bezogen hat oder ob sie es selbst besaß, wer die Summe in Wirklichkeit bezahlte, an wen sie konkret floss und wo der Betrag inzwischen gelandet ist. Genauso wenig wie in der Öffentlichkeit die doch interessante und geradezu an William Shakespeares Königsdramen erinnernde Frage ventiliert wurde, ob 600.000 € für einen in Österreich herbeigeführten Regierungswechsel ein eher günstiger oder doch ein etwas zu hoher Betrag sind.


Bilanz

Wie auch immer all diese Fragen geklärt werden, bereits jetzt und in distanzierter Rückschau muss sich jeder einigermaßen politisch interessierte Staatsbürger die Frage stellen, ob die Clubobfrau der Grünen Sigi Maurer mit ihrem im Parlament verwendeten Ausdruck „b´soffene Partie“ die Ibiza-Affäre nicht unzulässig verharmlost, liegen hier doch für den juristisch nicht einschlägig Gebildeten der Verdacht der Täuschung, Verletzung der Privatsphäre, Rufschädigung, Erpressung, des Schwarzgeldhandels bis hin zu Landesverrat und staatsfeindlicher Verbindung klar auf der Hand. Und es stellt sich die Frage, weshalb die Staatsanwaltschaft, die sonst wegen jeder lächerlichen Chat-Kommunikation aktiv wird, nicht schon längst Anklage erhoben hat und einer der Produzenten des Videos lediglich mit einer Diversion davonkam, bei der das Gericht immerhin feststellte, dass das öffentliche Interesse das Delikt der Verletzung der Privatsphäre nicht überwogen habe, weshalb denn auch Heinz-Christian Strache die exorbitante Summe von 500 € Schadenersatz für erlittenes Ungemach erhielt. Ganz abgesehen davon, dass der zweite Urheber des Videos nicht wegen eines direkten Zusammenhangs mit diesem einsitzt, sondern wegen Drogenhandels verurteilt wurde.

Könnte es gar sein, dass weder an der Erstellung des Ibiza-Videos, noch an den Inhalten, die dabei dokumentiert wurden, strafrechtlich irgendetwas dran ist, ganz Österreich also einer von den Medien induzierten moralistischen zeitgeistigen Selbstgeißelung zum Opfer fiel?


1. Teil: https://schoepfblog.at/alois-schopf-der-bundesprasident/
2. Teil: https://schoepfblog.at/literarische-korrespondenzmit-ibiza-zu-tun-hat/


Literatur:
Werke (Auswahl) von James Ellroy:
Allgemeine Panik (Widespread Panic); 2021
Blut auf dem Mond (Blood on the Moon); 1984
In der Tiefe der Nacht (Because the Night); 1984
Hügel der Selbstmörder (Suicide Hill); 1986
Blutschatten (The Big Nowhere); 1988
Stadt der Teufel (L. A. Confidential); 1990
White Jazz (White Jazz); 1992

Fortsetzung folgt.




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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. „Dies resultiert zum einen aus der These, wonach Gesetze die verschriftlichte Moral einer Gesellschaft sind, über die hinaus es keiner weiteren Instanz bedarf.“
    Das wird so sein müssen. Dabei poppt bei mir die Frage auf, welches Menschenbild und welche Moral die Gesetzesschmiede damals vor Augen hatten. Ich schätze mal, dass sie noch wussten, oder es gar erfahren haben, dass sich Männer – verantwortungsvolle Positionen bekleidend – bei Versagen „entleibten“, bei denen heutige Figuren nicht mal die Achseln zucken würden.
    Haben die Gesetzesschmiede bei der Moral an Verantwortungsträger gedacht, die bei der Ausübung ihrer Ämter vor allem das Wohl und Fortkommen der „Familie“ und/oder ihr eigenes anstrebten? Die Gesetzeslücken ausnützen wie gewiefte Kriminelle? Niemals etwas zugeben, was auch nicht nachgewiesen werden kann?
    Ist das nicht auch der Grund, dass heute immer wieder Verstöße öffentlich werden, für die das Gesetz keine Konsequenzen/Sanktionen vorsieht, aus dem einfachen Grund, weil es Dinge gibt, die man „einfach nicht machte“. Sie waren – möglicherweise – nicht einmal denkbar für Menschen, die eigentlich „im Dienst“ der Allgemeinheit standen?
    Ich frage …

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