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Alois Schöpf
Neuestes vom Wiener Dichterhof
Die IG Autorinnen Autoren
stellt sich schützend
vor einen korrupten Literaturbetrieb.
Essay

Zitat: (Deutschlandfunk vom 25.9.2023, zitiert aus Google)
Die Interessengemeinschaft IG Autorinnen Autoren kritisiert neue Regeln zu Nebenbeschäftigungen für ORF-Angestellte. Man höre von mehr und mehr Literaturveranstaltern, dass langfristig vereinbarte Moderationen vom ORF untersagt worden seien, heißt es in einer Mail der Schriftsteller-Vertretung, die dem „Standard“ vorliegt….Durch das Vorgehen werde ein jahrzehntelang aufgebautes Miteinander von Literaturkundigen im ORF mit Veranstaltern zerstört, beklagt die IG und warnt explizit vor Auswirkungen für die „Buch Wien“ Anfang November.


Die Interessengemeinschaft IG Autorinnen Autoren liefert in regelmäßigen Abständen Peinlichkeiten der Sonderklasse. Zuletzt durch die Aufforderung an die niederösterreichische Autorenschaft, bei offiziellen Veranstaltungen des Landes Niederösterreich, das bekanntlich von einer ÖVP-FPÖ Koalition regiert wird, fernzubleiben.

Eine solche Anwesenheitsaskese ist nicht nur deshalb grotesk, weil sie in Anbetracht der vernachlässigbaren Bedeutung der heimischen Dichterschaft ohnehin von niemandem bemerkt wird, sondern vor allem deshalb, weil auch sozialdemokratische Regierungen bereits mit der FPÖ koaliert haben. Dies legt den Schluss nahe, dass die IG Autorinnen Autoren sich nicht links der Mitte, sondern gleichsam als kommunizierendes Gefäß zur FPÖ linksradikal verortet, eine politische Vereinnahmung von Berufskollegen, die nur deshalb kein Skandal ist, weil die Wirkmächtigkeit der IG bestenfalls dazu ausreicht, den seit 1981 regierenden Vorsitzenden Gerhard Ruiss vor einem Absturz in die Altersarmut zu bewahren.

Der jüngste Streich der Interessengemeinschaft besteht nun darin, den ORF dafür zu kritisieren, dass er versucht die Auftritte und Nebenverdienste seiner Mitarbeiter, die an sich schon immer genehmigungspflichtig waren, einzuschränken. Damit soll die Objektivität der journalistischen Arbeit besser abgesichert und zugleich verhindert werden, dass durch nebenberufliche Aktivitäten, deren Honorare in manchen Fällen die ohnehin opulenten Gehälter beim ORF überschreiten, der ruinierte Ruf des de facto Monopolmediums weiter geschädigt wird.

Was der gewöhnliche Zuschauer vor allem in den westlichen Provinzen der Republik von diesen äußerst fragwürdigen, nunmehr offenbar strengerer Kontrolle unterliegenden Vorgängen in Sachen Buchkultur mitbekommt, sind nach undurchschaubaren Kriterien aufploppende Buchbesprechungen, in denen irgendwelche Romane in höchsten Tönen gelobt und zwecks Lektüre dem Publikum nahegelegt werden. Dies ist eine vollkommen inakzeptable Marktverzerrung, die nur deshalb noch nie zu einer Klage geführt hat, weil weder Verlage noch Autoren es riskieren können, die Gunst des mächtigsten Mediums im Lande zu verspielen.

Als besonders krasser Fall unübersichtlicher beruflicher Vermengungen am Markt der Aufmerksamkeit sei in diesem Zusammenhang der Name der 1975 geborenen Journalistin Katja Gasser genannt, die nicht nur das Literaturressort des ORF leiten darf, sondern auch gleich in mehreren Literaturjurys sitzt, sich für ihre segensreiche Tätigkeit den Staatspreis für Literaturkritik umhängen ließ und unter dem für einen Westösterreicher vollkommen unverständlichen und läppischen Motto »meaoiswiamia“ die künstlerische Leitung beim Österreich-Auftritt der Leipziger Buchmesse 2023 übernehmen durfte.

Diese Dame ist es auch, die neben ihrer Tätigkeit als Multifunktionärin noch die Zeit findet, in Erledigung des ORF Kulturauftrages immer wieder Bücher mit der oben beschriebenen marktverzerrenden Wirkung dem Publikum ans Herz zu legen, wobei naturgemäß von Interesse wäre, durch welche materiellen und immateriellen Verlockungen solche Empfehlungen zustande kommen. In Anbetracht der literarischen Qualität der Werke, die ausgewählt werden, kann es sich jedenfalls nicht um objektive Qualitätskriterien handeln. Dafür ist das durchschnittliche Niveau der angepriesenen Bücher in den meisten Fällen zu dürftig.

Um nun solche weniger dem Bereich der Qualität als vielmehr dem Bereich der Netzwerke zugehörige Kriterien zu befördern, hat sich nicht nur im Osten der Republik, sondern im kleineren Maßstab längst auch in Tirol mit seinen regionalen Programmen die Sitte eingeschlichen, sich an Medienangehörige, sofern sie am Markt der Aufmerksamkeit entsprechende Prominenz vorzuweisen haben, in der Hoffnung heranzuschleichen, sie mittels Einladungen als Kuratorinnen, Eröffnungsrednerinnen und oft auch mittels honorarmäßig gut abgepolsterter Moderatorinnenjobs dazu zu bewegen, sich das jeweilige literarische Produkt eines Verlages, einer Autorin, eines Autors in subjektiver Liebe und Dankbarkeit an die Brust zu nehmen und es zuletzt, Gipfel des Erfolgs, in einer Radiosendung oder naturgemäß am besten in einer Fernsehsendung lobend zu erwähnen oder gar ein Interview mit dem jeweiligen Dichter zu platzieren.

Es versteht sich, dass die restriktivere Auslegung solcher Nebentätigkeiten einen argen Schaden für die literarischen, aber auch kulturellen Netzwerke insgesamt zur Folge hat, Netzwerke, in die offenbar die IG Autorinnen Autoren in einer Weise eingebunden sind, dass ein flammender Protest gegen den ORF, der sich diese Art kulturpolitischer Korruption einzustellen bemüht, die Folge ist.

Ganz im Gegensatz zu diesem Protest kann der neuen Leitung des ORF zu ihrem Bemühen nur viel Erfolg gewünscht und dies mit der Aufforderung verbunden werden, für die Buch- und Kulturberichterstattung überhaupt, wie sie auch hierzulande von Liebedienerei, Schleimerei, Freunderlwirtschaft und Willkür gekennzeichnet ist, genaue, transparente und rechtfertigungspflichtige journalistische Kritiereien zu erstellen.

Dies bezieht sich jedoch nicht nur auf korrupte Vorgänge, die von außen auf den ORF einwirken, sondern auch auf solche, mit denen der ORF unliebsame Stimmen im Hinblick auf seine eigene Tätigkeiten ruhig zu stellen versucht. Hier ist vor allem die Gepflogenheit zu erwähnen, die Chefredakteure der Zeitungen zu Diskussionen und Moderationen in das Staatsmedium einzuladen, um durch die regelmäßige Befriedigung ihrer Eitelkeit die notwendige Kritik an der konsequenten Verhinderung einer pluralistischen Medienlandschaft durch das nunmehr auch noch durch eine Haushaltsabgabe auf alle Zeiten abgesicherte Monopolmedium in Grenzen zu halten.

Wiederum speziell auf die Buchkultur heruntergebrochen erfolgt die Ruhigstellung der literaturkritischen Eliten durch die Einladung, jeweils die ORF-Bestenliste des Monats zu erstellen, was innerhalb des Literaturbetriebs zu einer totalen Verfilzung zwischen Autoren-Cliquen, Verlagen, Universitäten und Medien geführt hat.

Das Ergebnis dieser seit Jahren währenden Korruption ist denn auch die Tatsache, dass das Publikum sich in zunehmendem Ausmaß von den langweiligen Produkten der sogenannten Literatur-Literatur verabschiedet und einer sogenannten Krimiproduktion zugewandt hat, wobei der Begriff „Krimi“ längst im übertragenen Sinn als das Versprechen von Autoren und Verlagen zu verstehen ist, ein spannendes und nicht den gleichsam kasachischen Verhältnissen der österreichischen Netzwerkkultur entsprungenes Werk vorzulegen.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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