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Literarische Korrespondenz:
Alois Schöpf an die Leserinnen und Leser
des schoepfblog
Betrifft:
3. Geburtstag

schoepfblog feiert morgen seinen 3. Geburtstag. Zeit also, eine kleine Festrede zu verfassen.

In den letzten drei Jahren wurden, ermittelt durch Google Analytics, ca. 70.000 verschiedene Personen erreicht. Andreas Braun hat schoepfblog in einem Gespräch einmal als das Lettre International Tirols bezeichnet. Tatsächlich ist diese zweifelsfrei beste und umfangreichste, in mehreren Sprachen publizierte europäische Kulturzeitschrift eine nicht nur inhaltliche Zielvorgabe, sondern auch von ihrer deutschsprachigen Auflage her mit 16.000 Exemplaren im Vierteljahr ein Maßstab des Publikumszuspruchs, angesichts dessen wir uns mit inzwischen 12.000 Lesern pro Vierteljahr nicht schämen müssen. Was die inhaltliche Kompetenz betrifft, ist das große Vorbild natürlich noch lange nicht erreicht.

Dennoch gilt es für das Bisherige zu danken: Einmal den Leserinnen und Lesern, die angesichts der Themen- und Genrevielfalt, die bewusst von der Lyrik bis zur Satire, vom Pamphlet bis hin zum wissenschaftlichen Artikel reicht, mit tolerantem Interesse unsere Verrücktheiten mitverfolgen.

Ein Wunsch wäre dabei, dass sich noch viel mehr durch Zuschriften an der Diskussion vor allem politischer Inhalte beteiligen würden und sich nicht von der Notwendigkeit abhalten lassen, ihren Namen zu nennen. Da anonyme Postings nämlich hauptverantwortlich für die Verrohung der kommunikativen Sitten in den sozialen Medien sind, wurden sie von allem Anfang an zurückgewiesen.

Ein absolut unerfüllbarer Wunsch scheint darin zu bestehen, dass sich einer oder eine unserer zahlreichen durchaus gutsituierten Leser und Leserinnen dazu hinreißen lässt, schoepfblog finanziell zu unterstützen, was allerdings im Zeitalter des globalisierten Kreativdiebstahls offenbar im Hinblick gerade auf Geistiges außerhalb jeder Denkmöglichkeit liegt. In den letzten drei Jahren ist demgemäß eine einzige Spende eingegangen, für die ich mich umso herzlicher bedanken möchte.

Mein weiterer Dank gilt den Autorinnen und Autoren, die im schoepfblog veröffentlichen, und zwar, siehe Spendenfreudigkeit, ohne ein Honorar dafür zu erhalten. Bedanken möchte ich mich in diesem Zusammenhang aber auch bei jenen, die durch ihren renommierten Namen bei anderen die Bereitschaft weckten, sich von den edlen Höhen des Buchdrucks auf die Niederungen eines Onlinemagazins herabzulassen. Oder die, wenn ich ihnen als Herausgeber wieder einmal schwer erträgliche Ansichten präsentierte, in dem ich mir etwa die Kühnheit herausnahm, Sebastian Kurz für ein außerordentliches politisches Talent zu halten, dessen Abschuss Österreich massiv geschadet hat, so tolerant waren, dennoch weiterhin im schoepfblog zu veröffentlichen oder zumindest nach einer gewissen Zeit wütender Absenz wieder einzusteigen. Sehr bedauerlich ist, dass mehrere sehr gute Autoren durch Corona ins Lager der Verschwörungstheoretiker abgedriftet sind und für ein bieder der Aufklärung verpflichtetes Organ wie das vorliegende nicht mehr zu haben sind.

Es ist nämlich keineswegs so, dass alle Beiträge, die schoepfblog erreichen, ungefragt veröffentlicht werden, weshalb ich auch ehrlichen Herzens allen Autoren in gleicher Weise für ihre hohe Qualität und ihr Können meinen Respekt ausdrücken möchte und es als ungerecht empfände, besondere Namen oder besondere Artikel hervorzuheben.

Drei Namen möchte ich dennoch erwähnen, und zwar einfach deshalb, weil sie bei wunderbaren und ertragreichen Redaktionssitzungen, während derer immer wieder anstehende Fragen genau durchdiskutiert werden, eine unverzichtbare geistige Stütze darstellen: es sind dies die Kollegen Helmuth Schönauer und Elias Schneitter. Ebenso danke ich als drittem im Bunde Roland Schrettl von Merlin Marketing, der im wahrsten Sinne des Wortes Tag und Nacht bereitsteht, um jene technischen Voraussetzungen zu schaffen, ohne die ein Online-Magazin erst gar nicht erscheinen könnte.

Bleiben noch zwei Punkte zu erwähnen: Zum einen die Problematik, dass es nicht nur sehr schön, sondern auch gerecht wäre, von der öffentlichen Hand, die bekanntlich wesentlich erfolgloseren und irrelevanteren literarischen Projekten 100-tausende Euros aus dem Kulturbudget nachschmeißt, gefördert zu werden.

Gleichzeitig würde ich, was mein eigenes Leseverhalten betrifft, einen Blog, auf dessen Titelseite steht „Gefördert vom Land Tirol“ keinerlei Interesse entgegenbringen, da ich genau jene Selbst-Umerziehung der Autorenschaft voraussetzen müsste, wie sie Helmuth Schönauer in seinem Artikel diesen Sonntag satirisch beschreibt.

Andererseits wiederum sollte man nicht die Bemerkung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Andreas Khol außer Acht lassen, der anlässlich der Verabschiedung von Mario Zenhäusern als Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung meinte, die meisten österreichischen Tageszeitungen müssten binnen eines Jahres Konkurs anmelden, wenn sie nicht vom Staat über die Presseförderung oder über Inserate gefördert würden. Dennoch steht auf der Titelseite keiner dieser am öffentlichen Tropf hängenden Medien der jegliche journalistische Autorität untergrabende Satz: „Gefördert von der Republik Österreich.“ Aber es ist nicht meine Aufgabe, hier eine Lösung zu finden. Dafür gibt es hochbezahlte Kulturpolitiker und ihre Beamtenschaft.

Meine letzte Bemerkung soll sich auf meine freudvolle Neugier beziehen, mit der ich jeweils am Sonntag oder Montag die Artikel für die laufende Woche sortiere und einarbeite: Es ist schlicht und einfach immer ein großes Vergnügen, hochintelligente, gescheite, skurrile und betroffen machende Texte, verschiedene Meinungen und verschiedene Genres so aneinanderreihen zu können, dass ihre Lektüre zuerst für den Herausgeber und dann für die Leserinnen und Leser ein hoffentlich ebenso großes Vergnügen darstellt. Das ist nicht nur Arbeit, sondern reine geistige Bereicherung.

Ich hoffe, dass diese Bereicherung in einer stetig wachsenden Community aus Leserinnen und Lesern und Autorinnen und Autoren im bescheidenen Dienst an der großartigen europäischen Aufklärung und Kultur fortgesetzt werden kann. Nehmen Sie daran teil und empfehlen Sie uns weiter.

Schöne Pfingsten
Alois Schöpf

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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