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Alois Schöpf
Korrektes Deutsch ist rechtsradikal!
Notizen

Die Katastrophe ist hiermit perfekt. Die schwarz-blaue Landesregierung in Niederösterreich will das Gendern mit Binnen-I, Sternchen und Doppelpunkt aus dem Sprachgebrauch der niederösterreichischen Amtsstuben verbannen und empfiehlt den auf niederösterreichischem Hoheitsgebiet befindlichen Schulen und Universitäten ähnliches zu tun.

Diese stolze Ankündigung des von Wikipedia freundlich als rechtsextremer Politiker bezeichneten Landeshauptfrau-Stellvertreters Udo Landbauer war keine 24 Stunden alt, als schon die IG Autoren Niederösterreich in einem für Literaten erstaunlich raschen Tempo heftigen Protest erhob und ankündigte, Repräsentationsveranstaltungen des politisch sündigen Landes in Zukunft zu boykottieren.

Womit das Schlamassel ausgerechnet durch die Bemühungen jener, die eigentlich an der korrekten Verwendung der deutschen Sprache das größte Interesse haben müssten, seinen unsäglichen Verlauf nehmen kann.

Ich habe, wie ich meine, bei allem Respekt vor der Verwendung von Damen und Herren, Musikerinnen und Musikern in diesem Blog schlüssig darzulegen versucht, weshalb der Gebrauch von Gendersymbolen in Schrift und Aussprache nach vergleichbaren Bemühungen des Adels und der Kirche in der Vergangenheit, wie zum Beispiel die Großschreibung von Majestäten und Göttlichkeiten, lediglich ein weiterer Versuch ist, die Sprache durch die Implementierungen von mit dem Inhalt einer Rede in keinem Zusammenhang stehenden ideologischen Memen in den Dienst einer totalitären Ideologie zu stellen. (1)

Zu ähnlichen Schlüssen kam inzwischen sogar der ORF, und zwar nicht kraft philosophischer oder sprachanalytischer Einsicht, derlei ist von den hochbezahlten Stars der medialen Eitelkeitsblase nicht zu erwarten, sondern aufgrund von Umfragen, nach denen zwei Drittel der Bevölkerung das Gendern mit Sternchen, Doppelpunkt, Binnen-I oder mit akustischem Gender-Gap ablehnen. Ganz abgesehen davon, dass auch die Anfrage an die Moderatoren und Moderatorinnen aus dem privaten Umfeld, ob sie noch ganz bei Sinnen seien, dabei ihre Wirkung nicht verfehlt haben dürfte.

Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, dass sich im Hinblick auf ein doch relativ esoterisches Thema wie das Gendern immerhin 157.000 Staatsbürger dazu aufgerafft haben, in ihrem Gemeindeamt ein Volksbegehren gegen den Missbrauch der deutschen Sprache zu unterschreiben.

Man hätte also mit guten Gründen annehmen können, dass sich diese jüngste Manifestation des zeitgeistigen Identitätswahns still und heimlich verflüchtigt hätte und sogar so reaktionäre Institutionen wie Blasmusik- oder Volksmusikverbände es langsam aufgegeben hätten, ihr traditionell sakral-braunes weltanschauliches Grunddesign mit dem Giftgrün feministischer Modernitätsversprechen zu übermalen.

Aber nein!

Durch die niederösterreichischen Blauen, die sich brav auf Geheiß ihres deutschnationalen Führers Herbert Kickl politisch das Ärgernis des Genderns unter den Nagel gerissen haben, werden nun alle, die sich für die Eleganz einer Sprache einsetzen, die Friedrich der Große von Preußen dereinst als bestenfalls für den Umgang mit Rossknechten geeignet befand, zu potentiellen FPÖ-Sympathisanten und geraten umgehend in den Verdacht rechtsextremer Gefährdung.

Nicht zu vergessen, aus konträrer Sicht, die Scharen all jener beflissenen Lehrer und Universitätsangestellten, die weniger durch ihre pädagogischen oder wissenschaftlichen Leistungen, als vielmehr durch unverständliche, jedoch im moralisch höchststehenden Maße geschlechterneutrale Texte den Beweis antreten, auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Was bisher nur kleiner und mieser Opportunismus war, wird nun zur kostenfreien, jedoch umso ehrenwerteren Widerständigkeit.

Vor diesem Hintergrund verdanken wir es Landbauer und Kickl, wenn sich das Desaster vom Missbrauch der deutschen Sprache bis zum St. Nimmerleinstag fortsetzt. Denn es ist davon auszugehen, dass keine ohnehin ewig und immer zur ideologischen Feigheit neigende konservative Regierung den Mut aufbringen wird, bei einem solch doch eher abseitigen, zugleich jedoch emotional aufgeladenen Thema klar Stellung zu beziehen und über Niederösterreich hinaus das Gendern zu verbieten.

So bleibt, wie leider auch in vielen anderen Fällen, nur noch die Hoffnung auf die österreichische Bundesverfassung, die in Art. 8 feststellt:

Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.

Und es bleibt die Hoffnung auf den Verfassungsgerichtshof, der feststellen könnte, dass nicht jede wie auch immer geartete ideologische Gruppierung oder selbsternannte Elite mit dem Gemeingut Sprache umgehen kann, wie es ihr beliebt. Sondern dass sie sich an Gesetze zu halten haben, in diesem Fall an sprachliche, wie der Duden sie vor- bzw. als Konvention festschreibt.

(1) https://schoepfblog.at/alois-schopf-gender-zentrum-universitat/
Mem: kulturelles Element, das sich durch nichtgenetische Mittel vervielfältigt und überträgt, insbesondere durch Imitation; eine Idee, Verhalten oder Stil, der sich von Person zu Person innerhalb einer Kultur ausbreitet.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Angelika Dobernigg

    Wirklich, Herr Schöpf, korrektes Deutsch ist rechtsradikal? Diese Überschrift ist Ihrer Sprachgewandtheit nicht würdig. Dass die FPÖ immer jene Sau durchs Dorf treibt, die gerade die meisten Empörungswilligen auf ihre Seite zu ziehen scheint, ist nicht neu und soll nur von den Problemstellungen ablenken, für die die FPÖ keine konstruktiven Beiträge zu leisten willens oder fähig ist.
    Sprache ändert sich ständig, da sollte durch Diskussionen ein gangbarer bzw. lesbarer Weg gefunden werden, in wichtigen Texten beide Geschlechter zu nennen. Ich bin sicher, es gibt sehr kluge Menschen, die Texte so verfassen können, dass sie gut lesbar und gendergerecht sind.
    Und nein, Sie werden auf Grund Ihrer Ablehnung des Binnen-Is und des Gender-Sternchen nicht ins rechte Eck gestellt und als Mitläufer der FPÖ gebrandmarkt. Sie könnten aber Ihr unbestrittenes Talent nützen, um aufzuzeigen, dass es der FPÖ ja wieder nur um Populismus auf einem Nebenschauplatz geht. Billige Meinungsmache zu einem Thema, das für die meisten von uns keine große Relevanz hat.
    Mit freundlichen Grüßen
    Angelika Dobernigg

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