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Werner Schandor
Die Genossen grüßen aus Graz.
Notizen

Ein Gespenst geht um in Österreichs Kommunalpolitik, das Gespenst des Grazer Kommunismus. Die bourgeoise Propaganda will einen glauben machen, die Wahl der Kommunistin Elke Kahr zur ersten Bürgermeisterin der steirischen Landeshauptstadt sei auf die ausgeprägte soziale Politik der hiesigen KP zurückzuführen. Alles Lüge!

Ja, es stimmt, dass die am 17. November 2021 angelobte KP-Bürgermeisterin Elke Kahr und die Grazer KP-Gemeinderäte seit Jahren einen Gutteil ihrer Einkünfte in einen Sozialfonds einspeisen, aus dem sie Bedürftigen solidarisch unter die Arme greifen. Es stimmt, dass die Grazer KP in Zeiten explodierender Immobilienpreise für leistbares Wohnen eintritt und seit Jahrzehnten entsprechende Politik auf Kommunalebene betreibt, ohne sich von Querschüssen beirren zu lassen.

Auch trifft es zu, dass sich die KP-Gemeinderäte regelmäßig in übel beleumundeten Hackler-Tschecherln, in die nie zuvor ein Politiker seinen Fuß setzte, unter das Volk mischen, um die Stimmung im Proletariat zu erkunden.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit darüber, warum die Kommunisten im September 2021 die Grazer Gemeinderatswahl gewonnen haben.


Aus und vorbei mit dem Gondel- und Tunnelbau-Eldorado

Auch mag man aus gut informierten Kreisen gehört haben, dass Kahrs Vorgänger Siegfried Nagl (VP) im Zuge seiner 18 Jahre währenden Amtszeit die Bodenhaftung verloren hätte. Dass der nunmehrige Ex-Bürgermeister eine Gondelbahn über den Fluss Mur angedacht hatte, um die Stadt von Nord nach Süd zu verbinden, was die größtmögliche Flussverschandelung mit der größtmöglichen verkehrsplanerischen Nutzlosigkeit verknüpft hätte.

Dass er zudem eine sinnlose Gondelbahn auf das verschnarchte Naherholungsgebiet Plabutsch (bekannt aus dem Verkehrsfunk durch die regelmäßigen Plabutsch-Tunnelsperren auf der A9) geplant hatte, wofür bereits Machbarkeitsstudien um hunderttausende Euro in Auftrag gegeben worden waren.

Und dass er zuletzt sogar den Bau einer Grazer U-Bahn mit 2 Linien um den Schnäppchenpreis von 2, 3 oder 4 Milliarden Euro (so genau wusste man das nicht zu sagen) ins Auge fasste.

Kurz: Der Mann war besessen von der Idee, der österreichischen Gondel- und Tunnelbauwirtschaft an der Mur ein Eldorado zu bereiten, und nur wenige konnten ihm dabei folgen. So entwickelte sich die Mär, dass ihn die Grazer Bürger aus oben genannten Gründen aus dem Amt gewählt hätten. Aber auch das ist nur ein Teil der Wahrheit.


Gerücht: Erich Hackl schreibt bereits an einem Drehbuch

Die ganze Wahrheit ist: Der Sozialismus hat sich nach Jahren kommunistischer Überzeugungsarbeit als Ideologie in Graz durchgesetzt, und die Grazer lieben ihn mehr als die „Kleine Zeitung“!

In allen städtischen Kindergärten wurde neben das Bild unseres Herrn Bundespräsidenten auch jenes der neuen Bürgermeisterin Elke Kahr gehängt, geschmückt mit den Insignien von Hammer und Sichel.

An den Universitäten haben sich spontan Studierkreise herausgebildet, und die Studentsterninnen verlassen scharenweise ihre Queer- und Gender-Studies-Seminare, um sich in das Studium der 15-bändigen Marx-Engels-Gesamtausgabe zu vertiefen, die aus alten DDR-Beständen nach Graz gerettet werden konnte.

Die Chöre der Stadt bejubeln den Sieg des Sozialismus mit bombastischen Aufführungen des Liedwerks von Mikis Theodorakis im Liebenauer Stadion: seine Vertonung von Pablo Nerudas „Canto General“ erlebt endlich ein längst überfälliges Revival.

Aus Ex-Jugoslawien stammende Grazer trauen sich wieder, ihre lange Zeit versteckten Tito-Bilder in ihren Wohnzimmern offen aufzustellen. Und Erich Hackl hätte bereits, so hört man munkeln, am Grazer Schloßberg das Amt als Stadtschreiber angetreten und arbeite an einem Drehbuch über den Triumph des Kommunismus an der Mur.


Am Thalerhof treffen erste Wirtschaftsdelegationen ein

Auf jeden Fall haben sich die Unkenrufe der Großkapitalisten nicht bewahrheitet. Industriellenvereinigung und Wirtschaftsbund hatten gewarnt, die steirische Landeshauptstadt setze mit der neuen links-linken Stadtregierung ihren Ruf als Wirtschaftsstandort aufs Spiel.

Die Wahrheit ist: Am Flughafen Thalerhof trudeln im Halbstundentakt Wirtschaftsdelegationen aus ganz Europa ein. Seit Monaten, ja seit Jahren haben die führenden EU-Staaten sehnsüchtig auf die Gelegenheit gewartet, sich nicht mehr China andienen zu müssen. Jetzt können sie endlich daheim in Europa Geschäfte mit Kommunisten machen!

Noch dazu muss niemand seine Augen verschließen, wenn es um Menschenrechtsfragen geht, denn noch befindet sich Graz nicht auf der Bannliste für totalitäre Länder. (Und selbst wenn, wäre das allen egal, solange die Kasse stimmt.) Die europäische Wirtschaft atmet auf, auch wenn Xi Jinping am Vortag der Angelobung von Elke Kahr die EU bereits vor zu großer wirtschaftlicher Eigenständigkeit warnte (s. ORF-Bericht vom 16.11.2021: „China warnt EU vor zu viel Eigenständigkeit“ https://orf.at/stories/3236584/).

Außenminister Linhart: „Wir wollen mit den Menschen hier kooperieren“
Ja, es wird demnächst sogar eine 60-köpfige Wirtschaftsdelegation unter Leitung des Wiener Außenministers Michael Linhart (VP) in Graz erwartet.

Linhart wird zum Abschluss seiner November-Erkundungsreise in die stabil geführten Staaten Zentralasiens (Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan und Turkmenistan) Station in der neu ausgerufenen Sozialistischen Volksrepublik Graz (SVRG) machen. „Jedes Land hat seine eigene Art zu leben und seine Art, seinen Standard weiterzuentwickeln. Wir wollen mit unserer Wirtschaft mit den Menschen hier kooperieren und zur Stabilität in der Region beitragen“, sagte Linhart am 13.11.21 gegenüber der „Zeit im Bild“ auf die Frage, warum er als erster Wiener VP-Minister bilaterale Verhandlungen mit dem Regime in Graz aufnehmen wolle. Ein Mann mit Prinzipien!

Kampfgefährten, Kommunisten, Genossen! Die sozialistische Idee hat überdauert. Die Übernahme von Graz ist erst der Anfang. Hört die Signale!

(Erratum: Leider haben wir Linharts Worte falsch zugeordnet. Er bezog sich in seinem „Zeit im Bild“-Statement auf die erdgasreiche Republik Turkmenistan, auch bekannt als das Nordkorea Zentralasiens, bzw. auf geplante österreichische Wirtschaftskooperationen mit diesem Land.)

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Werner Schandor

Werner Schandor ist Texter und Autor in Graz. Er ist seit 1995 in der PR tätig und hat Lehraufträge am Studiengang „Journalismus und PR“ an der FH Joanneum sowie am Institut für Germanistik der Karl-Franzens-Universität Graz. 2020 erschien sein Buch „Wie ich ein schlechter Buddhist wurde. Essays, Glossen und Polemiken“ in der Edition Keiper, Graz. Weitere Infos: www.textbox.at

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