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Literarische Korrespondenz:
J. Sprenger an W. Schandor
W. Schandor an J. Sprenger
Betrifft:
Das autoritäre Denken
der Gendersonderzeichen-Befürworter

Sehr geehrter Herr Schandor!

Ich finde es ja lustig, dass gerade jene, die stets empört Sprachpolizei gerufen haben, sich nun im Lager der Toleranten sehen wollen und gleichzeitig sprachpolizeilichen Maßnahmen zustimmen. Was kommt als nächstes? Das Verbot, im Dialekt zu sms-en? Oder die Pflicht, am Schulhof deutsch zu sprechen? (Oh – das gibt es ja schon, mancherorts…). Das Verwenden von Sternchen, Binnen-I oder „und“ mit zweifacher Benennung ist vielleicht nicht die eleganteste Methode, etwas wie Gerechtigkeit in der Sprache herzustellen, aber es ist auch nicht das autoritäre Zwangsmittel, als das es hingestellt wird.

Da ist es natürlich viel besser, alles so zu lassen, wie es ist, und mir als männlicher Musikerin tut das ja auch nicht weh.

Aber ob das dem politischen Anliegen von Gleichberechtigung und Geschlechter-Diversität dient, stelle ich zumindest zur Diskussion. Dass sich Sprache im Zuge sich verändernder gesellschaftlicher Bedingungen ebenfalls verändert, ist ein Gemeinplatz, und dass sich damit verbundene Phänomene wie Anglizismen oder bundesdeutscher Slang keineswegs einer solchen toleranten Aufmerksamkeit erfreuen dürfen, ist fast schon verwunderlich – einmal abgesehen von der Tatsache, dass ich als Bürger meiner Stadt in der Straßenbahn mit Ansagen konfrontiert bin, die mit unserer Sprache auf beinahe kabarettistische Weise nichts zu tun haben.

Wenn ich mir erlaube, so etwas wie gendergerechte Sprache zu verwenden, dann möchte ich klargestellt wissen, dass ich das nicht mache, um jemanden zu beleidigen oder zu bevormunden, sondern um im Gegenteil gerade das zu vermeiden.

Language is your birthright sagt Stephen Fry. Das sehe ich auch so.


Sehr geehrter Herr Sprenger!

Sie sollten differenzieren: Natürlich gibt es reaktionäre Typen, die gegen den Genderwahn sind. Aber es gibt – und das hat sie Studie Triggerpunkte klar gezeigt – eine sehr große Mehrheit von Menschen, die einerseits null Problem mit Transpersonen und Homo-Ehe haben, und die andererseits dennoch nicht einsehen, warum in den Nachrichten plötzlich von Einwohner:innen die Rede ist, wenn 99 % der Leute Einwohner neutral verstehen.

Die Diskussion ums Gendern wurde von den Befürwortern über Jahre hinweg sehr erfolgreich tabuisiert. Daher glauben viele aus dem linken Lager (und wie ich Ihrem Kommentar entnehme, auch Sie), nur im Grunde reaktionäre Krapfen könnten gegen das Gendern sein. Aber das stimmt nicht, wie die beiden von mir zitierten Studien in aller Klarheit gezeigt haben.

Vielleicht ist es nur so, dass die Diskussion um das Gendern im linken Lager nie geführt wurde, weil man sofort als rechts oder gegen Gleichberechtigung oder latent homophob bzw. transphob verdächtigt wird. Dass es in Wahrheit deutlich autoritär eingestellte Menschen sind, die das Gendern einfordern, ist die Ironie der Freiburger Studie. So viel zur sozialwissenschaftlichen Seite des Genderns.

Linguistisch gesehen deutet vieles darauf hin, dass es sich bei der Gendersprache bzw. bei ihrer Begründung um tendenziöse Wissenschaft, zum Teil auch um Schwurbelei handelt.

Es gibt in Wahrheit keinen Zusammenhang zwischen der Grammatik und der kulturellen Stellung der Geschlechter in der Gesellschaft, sonst müsste im Iran und in der Türkei, wo genderneutral gesprochen wird, perfekte Gleichberechtigung herrschen.

Wenn aber die Gendersprache die behauptete Wirkung nicht erzielt, ist sie als Mittel nicht legitim. Wo ist also das Problem, wenn man als Regierung eines Bundeslandes sagt: Wir richten uns wieder allein nach der amtlichen Regelung der Rechtschreibung?

Diese Regeln werden durch ein 49-köpfiges Expertengremium festgeschrieben, und dieses Gremium hat sich wiederholt gegen die Verwendung von Gendersonderzeichen ausgesprochen – aus linguistischen, aber auch aus sprachdidaktischen Gründen: Gendern schließt nämlich viele Menschen vom Verständnis aus.

Dass nur konservative Regierungen dem Holzweg des Genderns in ihren Verwaltungen nun ein Ende bereiten, liegt m. E. daran, dass die Diskussion im linken Lager jahrzehntelang erfolgreich unterbunden wurde. Nicht durch eine Sprachpolizei, aber durch Gruppendruck.

Vielleicht würden Sie als männliche Musikerin die Dinge anders sehen, wenn es – analog zur feministischen Linguistik – eine lautstarke feministische Kompositionslehre gäbe, die die abendländische Musik als zutiefst patriarchal verdammt und daher neue Notationen oder gerechte Klangsysteme einfordert, um damit der gesellschaftlichen Gerechtigkeit Ausdruck zu verleihen.

Keine Schlaginstrumente mehr (zu aggressiv), und phallisch geformte Instrumente (Klarinetten, Flöten) sind sowieso gaga! Alte weiße Männer wie Bach und Beethoven oder Machos wie Miles Davis werden aus den Lehrplänen verdammt. Und dann wird den Kompositionsstudenten in zahlreichen Leitfäden nahegelegt, wie Kompositionen gendergerecht zu komponieren sind, und auch Sie müssen sich daran halten, wenn Sie ein Stipendium ergattern wollen … So ähnlich ist es bei der Sprache gelaufen.

Sie dürfen jetzt den Alu-Hut gerne abnehmen.


Werner Schandor

Werner Schandor ist Texter, Autor und Hochschuldozent in Graz. Er studierte Germanistik und Sozialpädagogik an der Uni Graz und ist seit 1995 in der PR tätig. Er hat Lehraufträge am Department „Medien & Design“ der FH Joanneum sowie am Institut für Germanistik der Uni Graz. 2020 erschien sein Buch „Wie ich ein schlechter Buddhist wurde. Essays, Glossen und Polemiken“ in der Edition Keiper. Weitere Infos: www.textbox.at

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