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Walter Plasil
Über Romantik
Satirisch angehauchte Reflexionen

Kürzlich erreichte mich die Ausschreibung eines Schreibwettbewerbs. Man erwartete eine Geschichte im Genre von Romance oder Romantasy. Meine Reaktion ist schnell erzählt. Die Teilnahme am Bewerb ist bei so einem Thema ein striktes No-Go. Ließe ich mich herab, dafür in die Tasten zu greifen, wäre das Ergebnis desaströs.Die Dramen, die es dabei zu beschreiben gälte, würden aus den Seiten quellen wie übelriechender Phosphorschlamm. (Ja genau der, über den Leibnitz schon 1710 geforscht hat!)

Romantisch angehauchte Menschen würden sich (nicht nur deswegen) während der Lektüre unter psychischen Schmerzen am Boden wälzen. Danach würden sie erkennen, dass sie lebenslang nur als Objekt der fleischlichen Begierde gesehen worden sind. Illusionen würden, wie Seifenblasen, im stürmischen Wind der schottischen Steilküste zerplatzen.


Jetzt ist Zeit für einige Wahrheiten.

Liebe dient den Romanzen als Geschäftsgrundlage. Auch jenen, die im Genre von Fantasy angesiedelt sind. Aber sobald sie kommt, die sogenannte Liebe, denkt sie insgeheim schon dran, wie sie unbemerkt verduften kann.

Ja, das mag für viele Menschen eine Ernüchterung bedeuten. Aber Wahrheit lässt sich nicht in Käfige sperren. Und Romanzen sind eben nur ein tarnendes Kostüm für gnadenlose Liebe.

In meinem Text stünde das glasklar. Nämlich dass Romantik immer tragisch endet. Das ist ihr genetisch eingepflanzt. Immer steuert sie auf diesen Schlusspunkt zu. Manchmal mit Umwegen, aber letztlich zielgenau. Diese Wahrheit ist (vor allem für Frauen) fast nicht zu verkraften.

Frauen allen Alters würden erkennen, dass ihre Empathie für banale Zwecke missbraucht wurde. Anstatt Zuneigung wurden ihnen nur die scheinheilig gedrechselten Beschwörungsformeln ihrer Partner serviert. All das in betrügerischer Absicht und geschickt ummantelt mit gefühlstriefendem Geschwafel.

Es würde nicht verwundern, wenn sich daraufhin Frauen reihenweise in die Fluten stürzen. Der Freitod würde ihnen als die bessere Alternative zum tristen Weiterleben vorkommen.

Und die Beschreibung dieser Fakten würde Lesern vor Augen führen, was da geschieht. Ihr vermeintlich ach so romantisches Dasein verschafft ihnen nämlich nur trügerische Gefühle. Romantik endet immer nach Enttarnung des Selbstbetrugs in tiefer Enttäuschung. Übrig bleiben jene giftigen Wurzeln, aus denen die schönsten Tragödien sprießen.

Freilich – das kann auch geschehen: Von Romantik eingelullten Männern verschlüge es die Sprache. Spätestens dann, wenn sich die bittere Erkenntnis realisiert hat und die letzte scheinromantische Illusion verdunstet ist. Sie wären ab dann zu freudlosem Leben verdammt. Es gibt Beispiele dafür!

Nicht wenige von ihnen findet man heutzutage vazierend in neonbeleuchteten, gefühlskalten Städten unter den Brücken. Sie haben sich, willenlos geworden, ihrem Schicksal ergeben. Sie sind über die gesunde biogene Erotik einer Frau vom Genießer zum Opfer ihrer eigenen gesunden Leidenschaft geworden.

Ja, auch Frauen können berechnend sein. Nicht alles, was sie im emotionalen Überschwang von sich geben, hat Dauer. Die Geschädigten in dem Fall nannten sich zuvor noch: das starke Geschlecht. Aber Tragik kann Geist und Körper ramponieren. Und zudem leiden Männer schwerer an dem, was ihnen auch immer zustoßen mag.


Lesen übers Reden

Liebe ist eben nur ein Wort.
Männer – um auch das Klischee zu bedienen – sind deswegen skeptisch, was die Beschreibung von Gefühlen betrifft. Männliche Leser müsste man hoch dafür bezahlen, um sie dazu zu bringen, sich etwa durch eine Liebes-Schmonzette mit schmachtender Romantik zu quälen. Männer haben allem Anschein nach eine durch die Evolution über Jahrhunderte gewachsene Methode, wie sie mit romantischen Liebesromanen umgehen. Von Negation bis zur Endverwendung in Sanitärräumen ist da alles dabei.

Ja, es gibt immer noch neue Bücher, deren unbelehrbare Autoren und Autorinnen sich nicht davor scheuen, tief in den Topf der Gefühlsduselei zu greifen. Der anfangs zitierte Wettbewerb zeugt davon.

Schriftsteller meinen wohl, damit gegen ein neu entdecktes Massenphänomen der modernen Gesellschaft anzukämpfen: Die Gefühlsblindheit. Wissenschaftler nennen diese Erscheinung Alexithymie und sehen darin eine Krankheit.

Ich bin zum Glück davon nicht betroffen. Und ich bin mir sicher, zwischen echten Gefühlen und Gefühlsduselei unterscheiden zu können. Also werde ich auch, um das nochmal deutlich zu machen, keine Romance verfassen.


Romantiker

Früher wurde das romantische Genre von noch heute bekannten Dichtern bedient. Nein, man muss besser sagen, sie haben sich damals zusammengetan, um dieses Genre erst zu erfinden.

Wir kennen die Namen der Literaten. Zum Beispiel jene aus der Epoche der deutschen Romantik um die Jahre 1795 bis 1848. Es musste erst die Revolution kommen, um der Romantik ein vorläufiges Ende zu bereiten.

Ja. Es waren großteils Männer! Die wenigen Dichterinnen aus dieser Zeit haben die Wahrnehmungsschwelle ins Heute kaum übersprungen. Was eigentlich verwunderlich ist, weil ihnen im Allgemeinen viel mehr an Gefühlspotential zugemessen wird.

Als Kind dachte ich, dass allen schöpferischen Künstlern automatisch das von vor dem Namen gewährt wird. Auf meine Fragen, von wem wohl dieses oder jenes Buch verfasst worden war, erklärte man mir: Das sei von Heine oder von Novalis.

Nachdenklich wurde ich erst, als die Antworten kamen: Das ist von von Schiller oder von von Goethe. Dann auch noch: Das ist von van Beethoven. Ganz eigen schien mir dann die Antwort: Das ist von Anette von Droste zu Hülshoff oder Bettina von Arnim, geborene Brentano.

Ich nahm das als Zeichen einer undurchschaubaren Welt der Künste, in der alles möglich sei. Auch gemalte, gesungene und geschriebene Gefühlsausbrüche. Mit einigen davon schloss ich erst viel später im Leben lose Bekanntschaft.

Und lange dachte ich auch, Schriftsteller mit einem von im Namen müssen zwangsweise Romantiker sein. Irren gehört eben zur Jugend, wie Wissen zum Alter.

Die Stimmung der vergangenen Zeiten mag es gewesen sein, die nach Sehnsucht, Gefühl und Flucht aus der Wirklichkeit ein Bedürfnis getriggert hat. Beachtenswert ist, dass auch Gesellschaftskritik – freilich in künstlerische Formen gegossen – zu erkennen war. Nur das Übermaß an emotionalen Ausrutschern wäre verzichtbar gewesen.

Die drei studierten Juristen Dr. Friedrich von Schiller, Dr. Heinrich Heine und Dr. Johann Wolfgang von Goethe sind über sich hinausgewachsen. Sie haben literarische Höhenflüge hingelegt, sofern man die Qualität der Werke an deren öffentlicher Hochachtung ablesen kann. Natürlich waren sie damit nicht allein.

Bei den wenigen Autorinnen ist zu beobachten, dass es feministische Anfänge gab, die in literarische Sprachspiele eingeflochten waren. Herausragende Beispiele dafür sind aber dünn gesät. Mit Erzählungen von Liebesschmerz kann man die Welt eben nicht gravierend verbessern.

Es grenzt an Schwerarbeit, diese Romane heute zu lesen. Dazu braucht es schon ein Übermaß an Leidensfähigkeit. Die Verästelungen der Handlung solcher Werke sind – ohne sich graphische Notizen davon anzufertigen – kaum nachzuvollziehen. Unzählige erfundene Personen erscheinen und verschwinden mit Fortgang der Geschichten allmählich wieder. Auch bei bestem Willen sieht man sich gezwungen, frühzeitig das Handtuch und das Buch in die Rundablage zu werfen.


Ein Hoch der Lyrik

Aber ein gewichtiger Aspekt bei der Werkschau der Romantiker scheint mir evident zu sein: Nicht die Prosa, aber umso mehr die Gedichte jener Zeit sind wahre Meisterwerke. Es handelt sich um erlesene Kostbarkeiten.

Nun einige kleine Beispiele jener Lyrik, die ich meine, und die für ewig bleiben wird:

Georg Philipp Friedrich Freiherr von Hardenberg, besser bekannt unter seinem Künstlernamen und Pseudonym Novalis, ein Schüler Schillers:

Frühling soll mit süßen Blicken
Mich entzücken und berücken,
Sommer mich mit Frucht und Myrten
Reich bewirten, froh umgürten.
Herbst, du sollst mich Haushalt lehren,
Zu entbehren, zu begehren,
Und du, Winter, lehr mich sterben,
mich verderben, Frühling erben.

Diese Art zu schreiben war eben stilbildend. Einfach, sanft und lieblich. Nun noch ein anderes Beispiel: Heinrich Heine

Leise zieht durch mein Gemüt
liebliches Geläute.
Klinge, kleines Frühlingslied,
kling hinaus ins Weite.
Kling hinaus, bis an das Haus,
wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
sag, ich lass sie grüßen.

Na ja, mich hat es inspiriert. Ich habe auch ein einfaches, sanftes und liebliches Gedicht geschrieben und widme es hiermit postum (ohne von) Heinrich Heine.

Leise flieht aus dem Gestüt
Eine süße Breite
Reite, kleines Hirnverbrüht
Reite, reite, reite

Droben am Gebälk des Süds
Eine alte Weite
Streite, liebes Gegendüs
Streite, streite, streite

Ruhig singt der Bach sein Lied
Eine neue Seite
Leite, schönes Tiefenried
Leite, leite, leite

Über Kopf sind wir so müd
Eine dumme Seite
Pleite, blöder Literüd
Pleite, pleite, pleite

Nun – der Geschlechtergerechtigkeit wegen – zu einer Literatin, deren ungewöhnliche Gedichte noch heute gut zu lesen sind. Das folgende (gekürzte) Gedicht aus ihrer Feder könnte auch als Anflug eines dadaistisch angehauchten Raps durchgehen. Da ist nichts mehr lieblich, bei Frau von Anette von Droste zu Hülshoff:


Der Knabe im Moor

O schaurig ist’s übers Moor zu gehn
Wenn es wimmelt vom Heiderauche
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt
Wenn aus der Spalte es zischt und singt

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage
Hohl über die Fläche sauset der Wind
Was raschelt drüben am Hage
Das ist der gespenstische Gräberknecht
Der dem Meister die besten Torfe verzecht
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind
Hinducket das Knäblein zage

Ja, im Geröhre war’s fürchterlich
O schaurig war’s in der Heide


Zum Schluss noch ein paar wunderbare Zeilen vom Beginn eines (gekürzten) Gedichts von Bettina von Arnhelm:


Der Vulkan

Ja, die Zeichen sind alle erfüllet
Als sich der Himmel so dunkel umhüllet
Sonne auf blutenden Gleisen entstieg
Wie die häuslichen Tiere sich bargen
Ha, da schauderte allen vorm Argen
Ahnend der Unterwelt nahenden Sieg


Aus solchen und ähnlich genialen Gedichten habe ich meine Meinung gebildet. Ich empfehle: Lasset die Gedichte hochleben, aber vergesset die Prosa dieser Zeiten.

Also hätte man anstatt des Wettbewerbs für einen guten Text über oder mit Romantik besser die Verfassung von Gedichten ausgeschrieben. Geistloses Liebesgefasel wäre uns erspart geblieben.

Es ist übrigens auch überraschend festzustellen, dass in lyrischen Werken dieser Zeit mehr als nur Anflüge von Ironie zu erkennen sind.

Wenn man die Texte mehrmals hintereinander liest, tritt dieses Phänomen deutlicher hervor. Meist wird auf engstem Raum ein Bogen von dezent angedeuteter Emotionalität bis hin zur Auflösung im Banalen gespannt. Und das Wort Liebe oder gar Romantik kommt auch nicht vor. Es geht also doch!

Gut, einiges hätte man kürzen können. Beispiele dafür liegen auf der Hand. Dazu eine kurze Betrachtung anhand eines prominenten Textes, der nach Straffung lechzt: Friedrich von Schillers: Der Taucher

Dazu hätte von Schiller, von dem man annehmen darf, dass er die Menschen kannte – schließlich war er ja auch Arzt gewesen – als Vorspann zu seinem Gedicht nur die Randbedingungen der erzählten Geschichte darlegen müssen. Etwa in der folgenden Weise:

Der König war alt und spürte wohl, dass er nicht mehr lange zu leben hatte (heute würde man konstatieren: 60 Marlboro am Tag ergeben Lungenkrebs). Er machte sich um seine Tochter Sorgen. Stürbe er, würden die Nachbarreiche über sie herfallen, weil sie unbeschützt dastünde. Bisher hatte sich noch kein starker Mann für die Holde gefunden. Vielleicht weil sie nicht gerade berauschend ausgesehen haben mag.

Gesucht war also ein starker Beschützer für die Bedauernswerte. Ob nun adelig, oder nicht. Also galt es, einen jungen Mann mit intakter Lunge (der König wusste, dass das wichtig sei) mit einem goldenen Becher anzulocken, der aber fieserweise vom König mit einer schwungvollen Geste ins Meer geworfen wurde. Ein Taucher solle die wertvolle Schale wieder hochbringen. Dafür würde jener auch die Hand der Prinzessin erringen. Er, der Taucher, sollte nur in der Lage sein, mindestens zwei Tauchgänge zu schaffen.

Die Kandidaten waren dünn gesät. (Weil man damals Mühe hatte, zu einem Druckluft-Atemgerät zu kommen?) Also wagte es ein bettelarmer Hilfssoldat mit der Methode eines Apnoe-Tauchgangs, das goldene Kleinod heraufzuholen. Nachdem er einmal erfolgreich war, sah die Sache schon recht gut aus. Aber nach dem zweiten Hineinwurf und dem neuerlichen Abtauchen des mutigen Wassersportlers, ward jener nie mehr gesehen.

Das ist schon das Ende des Gedichts und der Geschichte. Wie es weiterging, verbleibt bis heute im Dunkel. Wäre der Autor noch am Leben, ich würde ihn fragen, ob es eine Fortsetzung gibt.

Mit Vorwissen ausgestattet, könnte man alle Gedichte, auch jene von von Schiller auch heute viel leichter lesen. Vorausgesetzt, es wäre gekürzt worden. Und er hätte es kürzen sollen.
Immerhin: Das Gedicht wirkt in Ansätzen belehrend, aber dient dem Bildungsauftrag nur rudimentär. Da wären thematisch auch andere Lösungen möglich gewesen.

Die These bleibt bestehen: Nur immer lyrisch bleiben! Und zum besseren Verständnis immer eine kleine Einführung dazu in Prosa voranstellen!

Vermutlich werden sogar alle Geschichten besser, wenn sie in Gedichtform erzählt werden. Für mich gehören jene aus der Romantik inzwischen auch zum kostbaren Gut im Genre der Satire. Und Satire ist schließlich die einzig taugliche Beschreibung des realen Lebens.

Stellen wir uns nur vor, wie sich etwa Der Taucher in Prosa angehört hätte! Erstens endlos, zweitens langweilig, drittens tragisch.

Jetzt haben wir so ganz nebenbei die Absichten für eine Fortsetzung des Themas offengelegt. Und wir machen dort weiter, wo die alten Dichter aufgehört haben. Nicht, um uns der Illusion hinzugeben, in dieser meisterlichen Klasse mitspielen zu können, sondern einfach aus Freude an der Idee von weiser Schöpfung in Form von Sprache.

Und der wollen wir uns künftig widmen. Das, was wir schreiben, soll nicht nur real und banal, sondern auch satirisch werden. Ach ja, und amüsant!

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

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