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Alois Schöpf
Konservative Anbiederung
Zu Alma Zadićs
"Flexible-Kapitalgesellschafts-Gesetz"

Dass eine Justizministerin wie Alma Zadić auf die Idee verfällt, im Dienste ihrer verqueren feministischen Selbstbeauftragung die staatliche Legistik zu missbrauchen, um die Welt aus dem Geiste der weiblichen Form zu retten, ist für eine Abgesandte unserer grünen Lehrer- und Belehrerpartei vorerst nichts Ungewöhnliches.

Ungewöhnlich ist es allerdings, wenn die Regierung, die bekanntlich auch von der ÖVP gestellt wird, im Parlament dann tatsächlich ein Gesetz durchgehen lässt, in dem es weniger um flexible Kapitalgesellschaften und Startups geht, als vielmehr darum, die verbale Unterdückung der Frau durch den Kampf gegen das generische Maskulinum zu beenden und das sogenannte Gendern durch die Eliminierung alles Männlichen aus der Sprache zu vollenden.

Und dies, obwohl nach gleich mehreren Umfragen (Gallup, Statista, Pragmaticus) bis zu 80 Prozent der Bevölkerung das Gendern ablehnen und nur 14 Prozent es befürworten. Und im Übrigen gerade dieser Tage der Rat für Deutsche Rechtschreibung die Verwendung der Genderzeichen erneut verworfen hat, weil sie die Lesbarkeit, Vorlesbarkeit und Übersetzbarkeit von Texten erschweren.

Die Elite der politischen Besserwisser und Staatsgouvernanten kümmert das nicht in ihrem Furor, durch die Veränderung der performativen Sprechakte nach der Lehre ihrer Kirchenmutter Judith Butler die Gender Troubles beseitigen zu wollen. Das wirklich Erschütternde an diesem ehrenwerten Wahn einer neoreligiösen Minderheit ist jedoch, dass sie von der ÖVP, die sich immer noch als Volkspartei begreift, nicht daran gehindert wurde, ihre Träume am Volk der ohnmächtigen Österreicher auszulassen.

Die ÖVP steht und stand in Sachen Sterbehilfe, Abtreibung, Ehe für alle und Trennung von Kirche und Staat, um nur einige Beispiele zu nennen, bekanntlich stets auf der Bremse, weil ihre frühkindlich im katholischen Glauben sozialisierten Abgeordneten bis heute, zumindest im Unterbewussten, panische Angst zu haben scheinen, in der Hölle am Holzkohlengrill zu landen, sofern sie sich allzu sehr von den aberwitzigen Irrlehren des Vatikans entfernen, weshalb sie zwecks eigener Seelenrettung zynisch das menschliche Leid anderer in Kauf nehmen.

Nun jedoch, da endlich einmal die Möglichkeit bestanden hätte, im Dienste der Verständlichkeit und der Schönheit einer Sprache, die der Preußenkönig Friedrich der Große lediglich als für den Umgang mit Stallknechten und Pferden geeignet befand, im besten Sinne konservativ zu sein, biedert man sich auf widerlichste Art und Weise dem Zeitgeist an. Und meint dabei wohl, dass der Preis für eine solche Rückgratverkrümmung nicht allzu hoch ausfallen dürfte, da jene ruralen und kleinbürgerlichen Restbestände, die bei der nächsten Wahl überhaupt noch ÖVP wählen, ohnehin nicht Gefahr laufen, zu einem Buch zu greifen, in dem das Gendern die Lektüre behindert.

Dies könnte sich als kapitale Fehleinschätzung erweisen. Das Gendern ist nämlich nicht auf einen grotesken Gesetzestext bzw. gehobene Fachbücher beschränkt und somit das Problem einer kleinen, sprachsensiblen, gebildeten Minderheit, sondern hat wie ein Schimmelpilz die Kommunikation der ganzen Gesellschaft erfasst: die Aussendungen der Universitäten sind durch Gendern nur noch grotesk, amtliche Mitteilungen und Dienstanweisungen unverständlich, gegendert wird inzwischen auch auf Hinweisschildern und auf den Aufschriften von Straßenbahnen. Mit der ideologisch induzierten Sprachseuche sind inzwischen also alle konfrontiert.

Und über diese Entwicklung wird Herr Kickl sich übrigens freuen. Ungeachtet der Mehrheit der Bevölkerung, die gegen das Gendern eingestellt ist, haben nämlich auch die NEOS und die Sozialdemokraten gegen den Neusprech der grünen Justizministerin keinen Einspruch erhoben, woraus folgt: Wem an der Deutschen Sprache etwas liegt und wer noch immer gern elegante Sätze liest, die das harsche Urteil des Preußenkönigs vergessen machen, zumal gerade das österreichische Idiom in den Werken eines Franz Kafka, aber auch eines Friedrich August Hayek bis hin zu den Memoiren eines Bruno Kreisky die brillantesten Stilisten hervorgebracht hat, dem bleibt das Unvorstellbare nicht erspart: Er muss freiheitlich wählen, da dies die einzige Partei ist, die, aus welchen schrägen nationalistischen Gründen auch immer, den feministischen Missbrauch der deutschen Sprache ablehnt.

Es ist heute schon absehbar, dass Österreichs Dichter scharenweise wegen bipolarer Störungen ihre Psychiater aufsuchen werden. Die Notwendigkeit, zur Rettung der eigenen Berufsgrundlage sich mit sogenannten Rechtsradikalen verständigen zu müssen, dürfte nämlich die Integrationsleistungen ihrer bekanntlich zart besaiteten Seelen überfordern.

Auf das Seelenheil der Dichter ist es in diesem Land aber noch nie angekommen. Da wiegt schon die Tatsache viel schwerer, dass die Verwendung der weiblichen Form etwa im Zusammenhang mit Startups, die mehrheitlich immer noch von Männern gegründet werden, aber auch die Verwendung der Genderzeichen an den Definitionanspruch einer abgehobenen und arroganten Minderheit erinnert, die inzwischen mit wenigen Ausnahmen in den elektronischen Medien, vor allem im ORF, der sich kurzzeitig sogar als Avantgarde der Genderei begriff, schon den Rückzug antreten musste. Bei den Printmedien, die nicht von Zwangsgebühren, sondern von Abonnements und Werbeeinschaltungen leben, hat man mit dem Gendern erst gar nie begonnen und wird damit auch niemals beginnen, da das Publikum im Falle seiner nachhaltigen Verärgerung schlichtweg in Massen abwandern und den veralteten Papiermedien endgültig und frühzeitig ein Ende bereiten würde.

Bleiben also ausgerechnet jene intellektuell hochstehenden Sachbücher und Essays, deren Leser offenbar die ÖVP als sprachlich nicht schutzbedürftig einschätzt, als Opfer des Genderwahns auf der Strecke. Und dies zu einer Zeit, in der die Lektüre komplexer Texte ohnehin zu einer aussterbenden Kulturtechnik wird, das Überleben dieser Kulturtechnik jedoch so dringend wie noch nie notwendig wäre: Soziologische Werke, Werke über Ethik, Politik, Philosophie, Werke wie sie paradigmatisch im Mekka des deutschsprachigen Geisteskanons, dem Reclam Verlag, etwa regelmäßig im Rahmen der Reihe Was bedeutet das alles? erscheinen, eröffnen dem Leser nämlich die Möglichkeit, die Wirrnisse einer zunehmend unüberschaubaren Welt besser zu begreifen.

Um bei Reclam zu bleiben: Dass ausgerechnet dieser renommierte, bislang treu im Dienste der europäischen Aufklärung tätige Verlag sich nun auf das Gendern verlegt hat und seine wahnsinnig gewordenen AutorenInnen nur noch von Fußballerinnen, Chirurginnen und Saxophonistinnen schwafeln lässt, zeigt dramatisch, wenngleich auf den ersten Anschein hin nur für literarische Esoteriker von Belang, welche Schäden die Gender-Unsitte in den geistig ohnehin schwächelnden deutschsprachigen Landen anrichtet.

Da Sachbücher und essayistische Werke, die aus fremden Sprachen, welche das Gendern nicht kennen, somit also ohne Gendern ins Deutsche übersetzt werden, führt dies zu einer durch Unlesbarkeit bedingten Diskriminierung der deutschsprachigen Neuerscheinungen. Ob sich darüber all jene freuen, die sich in der Blase ihrer universitären Abgehobenheit ohnehin schon viel zu weit von den gesellschaftlichen Realitäten entfernt haben, darf dahingestellt bleiben. Tatsache ist jedenfalls, dass sich die professionelle gesellschaftliche Selbstreflexion noch weiter von all jenen entfernt, die im Bombardement der Medien dringend darauf angewiesen wären.

Als konkretes Beispiel für diese Selbstbeschädigung sei zum Abschluss der Hinweis auf die Besprechung des jüngsten Buches der renommierten Klimaaktivistin Helga Kromp-Kolb hingewiesen, die durch unsinniges Gendern an einem Publikum, das angesichts der Relevanz des Themas groß sein sollte, rücksichtslos vorbeischreibt.

https://schoepfblog.at/literarische-korrespondenz-a-schopf-an-frau-univ-prof-helga-kromp-kolb/

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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