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Walter Plasil
Das große Umdenken bei den Tiroler Schützen
Satire

Die neuesten Nachrichten aus dem Tiroler Schützenwesen sind in der Öffentlichkeit untergegangen. Wunder ist das keines. Die öffentlichen Medien sind wegen der täglichen in Beschlagnahme von Sendezeit für den Ukraine-Krieg im Radio und Fernsehen für alles Andere nahezu blind und taub geworden. Auch in der Tagespresse ist die Situation nicht viel anders. Zu der ohnehin schon bestehenden Misere kommt  die Pandemieberichterstattung, womit allen sonstigen Nachrichten der letzte Platz geraubt wird.

Durch diese widrigen Umstände fallen Ereignisse, über die es aber dringenden Bedarf nach Veröffentlichung gäbe, einfach durch den Rost. Man schweigt darüber, obwohl es gerade für die Tiroler Bevölkerung essentiell ist, entsprechend informiert zu sein.

In dem Fall, der hier beschrieben wird, geht es nämlich an die Substanz des Landes. Das Selbstverständnis seiner Bewohner, denn die Identität der hier lebenden Volksgruppe scheint sich gravierend im Umbruch zu befinden. Noch berät man, aber große Entscheidungen stehen an.

Das Ganze begann mit einer aktuellen Aussendung des Landes-Schützenkommandanten an die Presse. Dahinter stehen in üblicher Einigkeit auch die vier Viertelkommandanten (Ober–, Unterland, Osttirol und Tirol Mitte), die Tiroler Bundesmarketenderin, der Landeskurat, aber auch die Landesjugendschützen.

Anlässlich der allgegenwärtigen Berichterstattung über den leidvollen Ukraine-Krieg weisen die Anführer der Schützen und Marketenderinnen auf ihre eigene historische Aufgabe der Landesverteidigung sowie auf die Verteidigung und Förderung ihrer Grundsätze hin. Die Freiheit und Würde des Menschen seien dabei essentielle Bestandteile ihres Denkens und Handelns. Aufgrund ihrer gesellschaftspolitischen Haltung, so die Schützen, sei jeder Angriffskrieg auf das Schärfste zu verurteilen. Die Sicherung des Friedens muss unser aller Ziel sein!

Kurz nach dieser Aussendung, so wird berichtet, meldeten sich die Jungschützen separat. Sie berichteten, dass sie im Verlauf einer Bildungsveranstaltung auf interessante geschichtliche Tatsachen gestoßen seien. Nämlich jene, dass Tiroler Schützen in der K.u.K – Monarchie in den Jahren1914/1915 von ihrem gütigen Kaiser Franz Joseph I im Krieg gegen Russland an die Front geschickt worden seien. Unter den damaligen drei Tiroler Landesschützenregimentern (die in Russland gemeinsam mit den Kaiserjägern kämpften) kam es zu schweren Verlusten. Tausende Tiroler Schützen fanden an der russischen Front ihren Tod.

Diese geschichtliche Tragödie wurde nun mit der aktuellen Erklärung des Tiroler Bundeskommandanten in Verbindung gebracht. Den Aufruf nahmen einige engagierte Jungschützen zum Anlass, die Geschichte mit der Gegenwart zu verknüpfen.

Schon wieder Russland! so die Jungschützen. Dieser über die Jahrhunderte bereits bekannte Aggressor, dem muss die Stirn geboten werden. Man dachte dabei an einige noch bekannte Namen von Tiroler Schützen, die im 1. Weltkrieg, an weitere, die im 2. Weltkrieg in Russland gefallen waren. Ein Jungschütze hatte einen Tiroler Urgroßvater und dann auch noch einen Tiroler Großvater. Beide waren sie von Russen getötet worden.

Man erinnert sich mit Schaudern daran, dass eine der Ursachen, warum damals so viele Schützen aus dem Krieg nicht zurück kehrten, ihre miserable Bewaffnung gewesen war.

Und heute? Mit musealen Vorderladern und Platzpatronen in die Luft schießen? Das ist doch ein Zeichen dafür, dass man daraus Garnichts gelernt hat. Und die politische Lage: Heute die Ukraine, morgen Bayern und Tirol! In einer Flugstunde können die Russen aus der Ukraine da sein!

Und bei Einem kann man sicher sein: Die Russen finden schnell Gründe, warum sie auch Österreich angreifen müssen.

Erstens wegen der Gefahr, die von uns ausgeht. Russland hat nicht vergessen, dass es auch die Tiroler Schützen waren, die in ihr Land eingedrangen. Und nicht nur die Aggressoren, in dem Fall die Schützen, sind damals zu Tode gekommen, sondern mindestens doppelt so viele Russen. Außerdem haben die Russen längst festgestellt, dass es genug weitere Gründe für eine „Militäraktion“ gegen Tirol gibt.

Auch in Tirol ist eine Entnazifizierung notwendig. Die Rechtsradikalen Tendenzen und Straftaten sind im Steigen begriffen. Faschistische Anfänge sind zu erkennen, vor allem, wenn man neue Parteien durchleuchtet.

Es gibt das Gerücht, dass Putin selbst anlässlich eines seiner Besuche in Österreich in der Nähe von Kufstein in einem verdunkelten Auto an einer LBGT-Demo vorbeigeschleust wurde. Er hat das alles mit eigenen Augen gesehen!

Russland hat auch längst die Notwendigkeit erkannt, Österreich zu zeigen, was Neutralität eigentlich bedeutet. Es geht eben nicht an, wenn die Verteidigungsministerin laufend neue Waffen für Österreich einkauft. Die Eurofighter sollen nun auch in der Nacht fliegen können! Warum eigentlich? Um Moskau ungesehen angreifen zu können? Und schlussendlich noch die unselige NATO-Debatte! Will Österreich nun Mitglied werden oder nicht? Da werden die Russen ein kräftiges Wörtchen mitreden wollen!

Das alles zusammen gibt jenes realistische Bedrohungsszenario ab, auf das die Schützen reagieren zu haben, wurde gesagt.

Angesichts ihrer eigenen Grundsätze, nämlich der Verteidigung der Freiheit und Würde, dürfe man nun nicht genauso blauäugig in die Zukunft stolpern, wie es der Rest Europas in der Ukrainefrage getan hat. Die Schützen müssen in sich gehen. Sie müssen radikal umdenken und ihre gesamte Organisation einem Erneuerungsprozess unterziehen.

Zunächst müssen sie sich endlich von diesen musealen Schießprügeln trennen. Was sind das für Heldentaten, wenn man so wie bisher mit Platzpatronen krachend in die Luft feuert? Wer soll da Respekt vor einer kämpfenden Truppe bekommen? Damit werden doch nur Hunde aufgeschreckt und die Sicherungen der Hörapparate der Älteren brennen durch.

Es wird moniert, dass im Lauf der Jahrzehnte aus den stolzen Schützen eine folkloristische Schönwettertruppe geworden ist. Will man wirklich weiterhin zur touristischen Erbauung im Gleichschritt durch die Alpenlandschaft tingeln.

Also ganz schnell weg mit der Erklärung, dass man keine militärischen Aufgaben mehr erfüllen möchte! Das passt längst nicht mehr zusammen!

Erstens wurde ohnehin bereits das alte Tabu, nur die eigenen Tiroler Landesgrenzen zu verteidigen, zweimal in Russland gebrochen. Und außerdem, wie soll eine militärisch organisierte Truppe eine Aufgabe erfüllen, die darin besteht, „geistige“ Landesverteidigung zu betreiben, aber zugleich Gewehre und Säbel herumträgt und museale Kracher-Kanonen herumschleift?

Also sind die Patrouillenführer, Unterjäger, Zugsführer, Oberjäger, Fähnriche, Leutnante, Oberleutnante, Hauptmänner und Majore nur bunt gekleidete und federbehütete Statisten, oder möchten sie wirklich etwas Militärisches tun? Immerhin haben sie alle einen militärischen Rang! Solche Ränge vertragen auch keine Kniebundhosen oder weiße Socken! Veraltete Schuhmode setzt dem ganzen Erscheinungsbild dann noch die Krone auf! Wie soll da der gebotene Respekt vor Uniformträgern entstehen?

Ein Schütze – so die revoltierenden Jungschützen weiter – muss immer bereit sein zu schießen. Sonst ist er eben keiner. Oder möchte man weiterhin dem italienischen Feind wie 1918 wehrlos, oder dem russischen, wie 1915, militärisch unterlegen bleiben?

Wer ein Gewehr in die Hand nimmt, muss auch bereit sein, es verwendungsgerecht einzusetzen. Oder kennt jemand einen anderen Zweck einer solchen Waffe? Und wer die Waffe trägt, der muss auch kämpfen, und nicht nur mit Platzpatronen Krawall verursachen. Das beweisen aktuell die Ukrainer!

Ein Schütze ist eben letzten Endes immer ein Soldat! Was er nicht ist, das ist ein folkloristischer Darsteller, dessen Einsätze vom Fremdenverkehrsamt gemanagt werden.

Angesichts der realen Bedrohungslage für unser Land müssen möglichst sofort gravierende Neuerungen im Tiroler Schützenwesen eingeführt werden, so die jungen Reformer.

Die erkalteten Bindungen zwischen den Tiroler Bewohnern Tirols und den Tiroler Schützen müssen auch wieder emotionaler gestaltet werden. Über das Ausmaß dieser Neuerungen werde die Öffentlichkeit noch näher informiert.

Aktuell vorgeschlagen ist:
Der Tiroler Schütze wird in die Liste der anerkannten Berufe aufgenommen. Die Lehrzeit beträgt 9 Monate.
Präsenzdienst darf auch im Schützenverband abgeleistet werden.
Die Bewaffnung wird komplett erneuert und auf NATO-Niveau gebracht.
„Tiroler Schützen-Marketenderin“ wird in die Liste der anerkannten Berufe aufgenommen. Die Lehrzeit beträgt 3 Monate. (Vorkenntnisse werden angerechnet.) Die dienstlichen Aufgaben der Marketenderinnen werden erweitert. Sie haben ausschließlich für das leibliche Wohl der Tiroler Schützen zu sorgen. Beschlüsse im Detail stehen noch aus.

Die Uniform der Schützen wird ersetzt durch feldtaugliche Garnituren, bestehend aus wetterfesten Tarnanzügen (vorne und am Rücken mit einem knallroten Tiroler Adler von ca. 40 cm Durchmesser) Springerstiefeln und Schutzhelmen mit 2 Federn, Länge je 30 cm.

Die derzeitigen Uniformen sind dem Tiroler Kaiserjägermuseum (gegen Beleg) zu übergeben.
Die Teilnahme der Tiroler Schützen an festlichen Umzügen findet nur mehr unter Mitnahme der echten Bewaffnung und in Tarnanzügen statt.
Geschossen wird ausschließlich mit scharfer Munition (natürlich nicht auf Touristen!).

Soweit die offiziellen Mitteilungen der Jungschützengruppe.
Der Rädelsführer der revoltierenden Jungschützen ist übrigens im Verband bereits einmal unangenehm aufgefallen, als er für die Aufnahme eines türkischstämmigen Einheimischen warb. Doch bald hat man dem Bewerber nachgewiesen, dass er eigentlich Moslem und Pazifist sei. Also Aufnahme verweigert! Da wars dann nichts mehr mit der Schützenkarriere. Dem Jungschützen wurde damals ein Verweis erteilt. Ihm sei eben ein dummer Fehler unterlaufen, rechtfertigte er sich. Und genau der ist jetzt der Sprecher der Reformergruppe!

Nun möchten die aufgeschlossenen Jungschützen sogar noch den Dachverband der Tiroler Schützen für ihren Plan zur Attraktivierung gewinnen, womit dann auch die Süd- und Welschtiroler Schützen dabei wären. Es sind auch erste Kontakte zur übergeordneten Alpenregion der Schützen, die zusätzlich die Bayrischen Gebirgsschützen umfasst, bekanntgeworden.

Alle Schützen zusammen könnten also bald ein Revival ihrer Bedeutung in Angriff nehmen. Es soll eine (richtig coole, wie gesagt wurde) Truppe werden, der jeder junge Tiroler mit Leidenschaft beitreten möchte. Ein Augenverschließen vor der Realität, das war gestern!

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Walter Plasil

Walter Plasil, Jahrgang 1946, geboren in München, aufgewachsen in Wien, seit 1971 in Innsbruck. Führte viele Jahre das INGENIEURBÜRO WALTER PLASIL für Technische Gebäudeausrüstung und Energieplanung und war als Allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger tätig. Walter Plasil: „Ich war immer ein Vielschreiber und habe nun, nachdem meine bisherige Tätigkeit dem Ende zugeht, Zeit und Lust dazu, auch zu veröffentlichen. Mein neuer Beruf daher: „Literat.“

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Karlheinz Veit

    …und was ist mit dem “ landesüblichen Empfang “ ??? Ab in die Mottenkiste oder was….???

  2. c. h. huber

    hahaha, sage ich, doch wenn ich an manche schützen denke, die immer wieder mit kraftlackelei auffallen, bleibt mir das schmunzeln in den mundwinkeln hängen.

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