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Gericht statt Politik

Viele gesellschaftspolitische Entwicklungen kommen immer noch aus den USA. So versuchte Donald Trump seine Wahlniederlage gegen Joe Biden rückgängig zu machen, indem er das Wahlergebnis durch Dutzende Eingaben gerichtlich anfocht. Erinnerlich ist auch eine Klage, aufgrund derer eine Kundin von McDonald‘s aufgrund verschütteten Kaffees 160.000 US-Dollar Schmerzensgeld und 480.000 US-Dollar Strafschadensersatz zugesprochen bekam.

Wer in der Politik, inzwischen auch in Europa, etwas erreichen möchte, wendet sich am besten an die Gerichtshöfe, welche die Ehe für alle, die Liberalisierung der Sterbehilfe oder auch die Absenkung des CO2 Ausstoßes verfügen. Oder er versucht als Politiker, wenn ihm eine konstruktive Oppositionsarbeit zu mühsam ist, seine Gegner zu verklagen, worauf die Mühlen der Justiz nach dem Motto zu mahlen beginnen: Irgendetwas wird schon hängen bleiben.

Unterstützt wird diese Entwicklung dadurch, dass oftmals zu viele Anwälte an einem Ort von etwas leben müssen und dabei von den Rechtsschutzversicherungen kräftig unterstützt werden. Bei aller Hochachtung vor der Rechtsprechung eines Staates muss angesichts dieser Entwicklung doch auch einmal die Frage erlaubt sein, ob eine solch arbeitsplatzstiftende Tribunalisierung der Gesellschaft nicht längst mehr schadet als nützt? Und wie abseits von Gerichten unser aller Konfliktlösungskompetenz verbessert werden könnte?

Alois Schöpf

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Martina Janisch

    DEMOKRATIE (Staatsform, in der alles Recht vom Volk ausgeht), REPUBLIK (Staatsform, die sich als Freistaat bezeichnet). Ich gehöre zur Generation “60 +” und lebe daher schon lange in einer “Demokratie”. Was sich jedoch in den letzten Jahren wahrnehmbar verändert, ist, dass sich unsere gewählten “Volksvertreter” in der Politik – sofern sie nicht selbst an der Macht sind – also als Opposition (jemandem entgegenstellen) nicht mehr im Parlament (Gebäude für Diskussionen und Abstimmungen) mit den zu lösenden Aufgaben auseinandersetzen, sondern durch “Aufstellung von Behauptungen”, in welcher modernen Form auch immer, welche dann eine Heerschar von “Anwälten/Gerichten/Gerichtshöfen” klären müssen.
    Und wie man feststellen kann, interpretiert jeder“Anwalt”, “Gerichtshof” die Sachlage anders, da die Gesetze schon immer so geschaffen wurden, dass sie viel Spielraum für Beurteilungen zuließen und zulassen.
    Ich, wir, vom einfachen “Pöbel-Bürger” bis zum “gewählten Volksvertreter” haben unsere Konfliktlösungskompetenz längst abgegeben – aber für was? Weniger Menschlichkeit (Ego-Gesellschaft), höhere Kosten für den Staat (durch Beschäftigung aller Instanzen und wieder zurück). Am Ende wieder “Staat gegen Staat”? Und ich frage mich: Wie konnte es nur wieder soweit kommen? – Meine Erkenntnis: WIR LERNEN DOCH NICHT DAZU! Wir können sehr wohl, aber wir wollen offenbar nicht.

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