Gericht statt Politik

Viele gesellschaftspolitische Entwicklungen kommen immer noch aus den USA. So versuchte Donald Trump seine Wahlniederlage gegen Joe Biden rückgängig zu machen, indem er das Wahlergebnis durch Dutzende Eingaben gerichtlich anfocht. Erinnerlich ist auch eine Klage, aufgrund derer eine Kundin von McDonald‘s aufgrund verschütteten Kaffees 160.000 US-Dollar Schmerzensgeld und 480.000 US-Dollar Strafschadensersatz zugesprochen bekam.

Wer in der Politik, inzwischen auch in Europa, etwas erreichen möchte, wendet sich am besten an die Gerichtshöfe, welche die Ehe für alle, die Liberalisierung der Sterbehilfe oder auch die Absenkung des CO2 Ausstoßes verfügen. Oder er versucht als Politiker, wenn ihm eine konstruktive Oppositionsarbeit zu mühsam ist, seine Gegner zu verklagen, worauf die Mühlen der Justiz nach dem Motto zu mahlen beginnen: Irgendetwas wird schon hängen bleiben.

Unterstützt wird diese Entwicklung dadurch, dass oftmals zu viele Anwälte an einem Ort von etwas leben müssen und dabei von den Rechtsschutzversicherungen kräftig unterstützt werden. Bei aller Hochachtung vor der Rechtsprechung eines Staates muss angesichts dieser Entwicklung doch auch einmal die Frage erlaubt sein, ob eine solch arbeitsplatzstiftende Tribunalisierung der Gesellschaft nicht längst mehr schadet als nützt? Und wie abseits von Gerichten unser aller Konfliktlösungskompetenz verbessert werden könnte?

Alois Schöpf

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor, Journalist, Veranstalter, geb. 1950, lebt bei Innsbruck, schreibt seit 41 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 34 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Nach seiner Tätigkeit als ORF-Fernsehredakteur für Fernsehspiel und Unterhaltung verfasste Schöpf Romane, Erzählungen, Märchenbücher und in den letzten Jahren vor allem Essays zu relevanten gesellschaftlichen Themen. Daneben schrieb er Theaterstücke und vier Opernlibretti. Schöpf war auch als Blasmusikdirigent tätig und ist Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die er 25 Jahre lang bis 2019 leitete. Zuletzt gründete er 2020 das Online-Magazin schoepfblog, an dem 40 renommierte Autorinnen und Autoren mitarbeiten.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Martina Janisch

    DEMOKRATIE (Staatsform, in der alles Recht vom Volk ausgeht), REPUBLIK (Staatsform, die sich als Freistaat bezeichnet). Ich gehöre zur Generation “60 +” und lebe daher schon lange in einer “Demokratie”. Was sich jedoch in den letzten Jahren wahrnehmbar verändert, ist, dass sich unsere gewählten “Volksvertreter” in der Politik – sofern sie nicht selbst an der Macht sind – also als Opposition (jemandem entgegenstellen) nicht mehr im Parlament (Gebäude für Diskussionen und Abstimmungen) mit den zu lösenden Aufgaben auseinandersetzen, sondern durch “Aufstellung von Behauptungen”, in welcher modernen Form auch immer, welche dann eine Heerschar von “Anwälten/Gerichten/Gerichtshöfen” klären müssen.
    Und wie man feststellen kann, interpretiert jeder“Anwalt”, “Gerichtshof” die Sachlage anders, da die Gesetze schon immer so geschaffen wurden, dass sie viel Spielraum für Beurteilungen zuließen und zulassen.
    Ich, wir, vom einfachen “Pöbel-Bürger” bis zum “gewählten Volksvertreter” haben unsere Konfliktlösungskompetenz längst abgegeben – aber für was? Weniger Menschlichkeit (Ego-Gesellschaft), höhere Kosten für den Staat (durch Beschäftigung aller Instanzen und wieder zurück). Am Ende wieder “Staat gegen Staat”? Und ich frage mich: Wie konnte es nur wieder soweit kommen? – Meine Erkenntnis: WIR LERNEN DOCH NICHT DAZU! Wir können sehr wohl, aber wir wollen offenbar nicht.

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