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Die EU als Moraltante!

Manche Kolumnen muss man mit dem Satz beginnen: Um nicht missverstanden zu werden… Um also nicht missverstanden zu werden, möchte ich betonen, dass ich weder etwas gegen Homosexuelle, noch etwas gegen ihre gesetzliche Gleichstellung habe. Wogegen ich jedoch sehr wohl etwas habe, ist die Tatsache, dass sich die EU als gesamte, aber auch die meisten ihrer Regierungschefs bevorzugt gegenüber Polen und Ungarn als die großen Moralisten aufspielen und sogar mit Geldkürzungen drohen.

Zum einen steht dieser Status der Edlen und Guten den meisten gar nicht zu, da sie, wie etwa die stets vorlauten Luxemburger, die Iren oder Niederländer mit ihren Steuerparadiesen, aber auch die Deutschen mit einem Gesundheitsminister, der Beschlüsse des eigenen Verfassungsgerichtshofs in Sachen Sterbehilfe unterläuft, selbst im Trüben fischen. Relativiert wird die moralische Attitüde insbesondere der Vorzugsschülerin Von der Leyen zusätzlich durch einen Blick in die USA, wo in den verschiedenen Staaten oftmals vollkommen verschiedene, teils unfassbar antiquierte Gesetze gelten, ohne dass der Zentralstaat sich mit erhobenem Zeigefinger einmischen würde.

Es ist absolut nichts dagegen einzuwenden, mit Polen und Ungarn in eine scharfe Diskussion über die Sexualmoral einzutreten. Diese Diskussion aber mit Sanktionen zu vermengen, wäre nach dem blamablen Brexit das finale Mittel, die EU in die Luft zu sprengen.

Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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