Thomas Nußbaumer
Klänge des Schicksals
Zweites Symphoniekonzert
des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
am 10. und 11.11.2022
im Congress Innsbruck

„Klänge des Schicksals“ – so das Motto – standen im Brennpunkt des 2. Symphoniekonzerts. Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck spielte Pjotr Iljitsch Tschaikowskys Symphonie Nr. 5 in e-Moll (op. 64), genannt „Schicksalssymphonie“, und zuvor noch Erich Wolfgang Korngolds Konzert für Violine und Orchester in D-Dur (op. 35). Die dazu eingeladene deutsche Violinvirtuosin Arabella Steinbacher und der lettische Dirigent Ainārs Rubiķis erwiesen sich als brillante Gäste.

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter Ainārs Rubiķis und mit Arabella Steinbacher (Violine) Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck unter Ainārs Rubiķis und mit Arabella Steinbacher (Violine)

Korngolds Violinkonzert haftet in der Tat etwas Schicksalhaftes an, wenn man sich seinen Lebenslauf verdeutlicht. Gefeiert als Wunderkind in Wien, nämlich schon 1909, repräsentierte er eine neue Komponistengeneration auf der Suche nach neuen Klängen. Als er 1945 sein Violinkonzert vollendete, galt seine Art von Fin-de-siècle-Musik allerdings bereits als überholt und nostalgisch. Korngold war Mitte der dreißiger Jahre nach Amerika ausgewandert und zu einem der beliebtesten Filmmusikkomponisten Hollywoods geworden, eine Rückkehr nach Österreich war für die jüdische Familie wegen des Naziregimes nicht möglich gewesen.

Mit seinem Violinkonzert versuchte Korngold nach dem Krieg laut eigenen Worten, „für das Überleben des melodischen Typs der sinfonischen Musik zu kämpfen“. Eigene Filmmusikthemen finden sich in allen drei Sätzen und die Absicht, kommerzielle Melodik mit einer musikalischen Sprache am Rande der Tonalität in Einklang zu bringen, ist unüberhörbar. Große Trommel, Becken, Gong, Glockenspiel, Röhrenglocken, Xylophon, Vibraphon, Harfe und Celesta bereichern das klangliche Spektrum enorm, auch ermöglicht die Partitur zahlreiche Dialogsituationen zwischen Blas- und Streichinstrumenten.

Arabella Steinbacher und Ainārs Rubiķis Arabella Steinbacher und Ainārs Rubiķis

Im Zentrum steht allerdings die solistische Geigenstimme, ursprünglich komponiert für den legendären Jascha Heifetz, der den Solopart bei der Uraufführung 1947 spielte. Arabella Steinbacher bewies, dass sie mit Recht zu den besten Geigenvirtuosinnen der Gegenwart gezählt wird. Ihr Spiel ist schwebend leicht, raffiniert, flexibel und treffsicher selbst in den feingliedrigen, von schnellen Zerlegungen und Doppelgriffen geprägten Passagen der schnellen Ecksätze.

Arabella Steinbacher ist eine Musikerin wie von einem anderen Stern und bewies ihre ungemein große Musikalität vor allem in der Wiedergabe des zweiten, mit „Romance“ betitelten kantilenenartigen Satzes, den sie mit größter Intensität ausmusizierte. In der Zugabe, die aus einer romantisch inspirierten Komposition mit barocken Zitatanklängen bestand, präsentierte sie einmal mehr ihre unbeschreibliche Virtuosität und Tongebung.

Arabella Steinbacher Arabella Steinbacher

Doch auch das hervorragend disponierte Symphonieorchester mit dem Gastdirigenten Ainārs Rubiķis hatte großen Anteil am Erfolg. Rubiķis dirigiert präzis und strukturiert und bemüht sich um klangliche Balance. Das Orchester mit seinen homogenen Streichergruppen und hervorragenden Solistinnen und Solisten ließ sich zu einem für alle Seiten gewinnenden Miteinander anleiten.

Qualitäten dieser Art prägten auch die packende Interpretation von Tschaikowskys „Schicksalssymphonie“.

Ainārs Rubiķis dirigiert das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck Ainārs Rubiķis dirigiert das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Während Rubiķis das berühmte melancholische e-Moll-Thema, das in verwandelter Form in allen vier Sätzen wieder auftaucht und im Finale gar glänzend in Dur brilliert, eingangs noch beinahe sakral und hymnisch spielen ließ, ging es dann rasch zur Sache, und man hörte mit großem Vergnügen, was an Tschaikowsky ja so fesselnd ist: Tiefgründigkeit, Melancholie, überraschende und effektvolle Zuspitzungen und eine Vielfalt an Klangfarben und Rhythmen.

Großes Lob gebührt dem Solohornisten und seinem Counterpart, dem Soloklarinettisten, im zweiten Satz, aber auch den übrigen Kolleginnen und Kollegen an den Holz- und Blechregistern, sowie den Streicherinnen und Streichern im Walzersatz, und nicht zuletzt dem engagierten Dirigenten, der im Eifer des orchestralen Für und Wider des Finalsatzes gar den Dirigierstock verlor und das Schiff mit blanken Händen an den sicheren Hafen steuerte.

Ainārs Rubiķis dirigiert das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck Ainārs Rubiķis dirigiert das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Ainārs Rubiķis wird im kommenden Jahr erneut in Innsbruck gastieren, und zwar am Tiroler Landestheater mit Modest Mussorgskis Oper „Boris Godunow“ (Premiere: 25. März 2023).

Fotos: chó/wefeel.art

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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