Thomas Nußbaumer:
„Auf und davon.
Lieder und Literatur aus dem Exil“
lautete das Motto des Liederabends
von Johannes Maria Wimmer und
der Lesebeiträge von Günter Lieder.
Mit Unterstützung von John Groos (Klavier) und Annedore Oberborbeck (Violine) erklangen am Freitag Abend in der Reihe „Wort & Musik“, veranstaltet vom „Haus der Musik Innsbruck“, Lieder von Wellesz, Zemlinsky, Korngold, Schreker, Arlen, Schwaen, Zwetkoff, Mayr, Weill, Eisler, Dessau und Kreisler, also von Komponisten, die aufgrund des Nationalsozialismus ihre Heimat verlassen mussten oder in ihrer Heimat verfolgt wurden.
Johannes Maria Wimmer
Am Beginn des Liederreigens mit Werken aus dem Zeitraum 1897 bis 1931 stand jedoch Gustav Mahlers Rückert-Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, das die Stimmungslage Ausgeschlossener, Ausgewiesener und Geflüchteter wohl sehr zutreffend zu vermitteln vermag.
Johannes Maria Wimmer, Bassist am Tiroler Landestheater, traf eine wirkungsvoll abgestufte Auswahl an Liedern, die um Motive wie „Einsamkeit“, „Weg“, „Albtraum“, „Nacht“, „Sehnsucht“ und „Tod“ kreisen und schließlich in eine Haltung des Widerstandes und bitteren Humors münden.
Johannes Maria Wimmer
Neben Liedern bekannter, vorwiegend jüdischer Komponisten wie des zeitweiligen Schönberg-Lehrers Alexander Zemlinsky („Schlaf nur ein“, „Geflüster der Nacht“, „Der verlorene Haufen“), des genialen Wieners Franz Schreker („Stimmen des Tages“), des hochbegabten und später in Hollywood wirkenden Erich Wolfgang Korngold („Mond, so gehst du wieder auf“, „Alt-Spanisch“), von Kurt Weill („Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens“), Hanns Eisler („Vielleicht-Lied“, „Die Ballade vom Wasserrad“) und Georg Kreisler („Das Triangel“ und „Der Musikkritiker“ als Zugabe) kamen auch weniger bekannte Komponisten zu Gehör.
So interpretierte Wimmer, am Klavier begleitet von John Groos, Korrepetitor am Tiroler Landestheater, auch Lieder von Georg Wellesz (Schönberg-Schüler und als Musikwissenschaftler bekannt geworden), des mittlerweile 102-jährigen Walter Arlen (österreichischer und US-amerikanischer Musikkritiker, Musikpädagoge und Komponist), von Paul Dessau (Komponist und Dirigent aus Hamburg) und des zeitweiligen Brecht-Partners und NS-Verfolgten Kurt Schwaen.
Günter Lieder
Mit Liedern von Peter Zwetkoff (gebürtiger Bulgare, der ab 1926 in Hall lebte) und Franz Maria Mayr (Lehrer und Komponist aus Innsbruck), die beide im NS-Widerstand aktiv waren, wobei letzterer am Ende des Krieges im Kampf um das Innsbrucker Landhaus ums Leben kam, wurden auch Tirol-Bezüge hergestellt.
Insgesamt also handelte es sich um ein reichhaltiges Programm, das musikalisch einerseits Personalstile der Wiener Moderne und andererseits des widerständischen und kritischen Chansons umfasste.
Die Textdichter waren unterschiedlichster Herkunft, mit Friedrich Rückert, Stefan George, Paul Heyse, Theodor Storm, Ferdinand von Saar und Bertolt Brecht, um nur einige zu nennen, wurde die Romantik bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts umspannt. Eine Ausnahme bildete da William Shakespeare mit seinem Sonett „Remembrance of Things Past“, magisch vertont von Walter Arlen und einem instrumentalen „Shakespeare-Sonett“ desselben Komponisten für Violine Klavier gegenübergestellt.
Johannes Maria Wimmer (Bass) und John Groos (Klavier)
Hier, wie auch bei Kreislers „Triangel“, kam Annedore Oberborbeck, Konzertmeisterin des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, wirkungsvoll zum Einsatz, indem sie mit feinfühligem Strich diese rätselhafte Musik zum Besten gab.
Johannes Maria Wimmer, ansonsten der Tiroler Öffentlichkeit als voluminöser Opernbassist bekannt, interpretierte dieses starke Programm mit großem Einfühlungsvermögen und klangvoller Stimme, die Nuancen des Leisen wunderschön abstufend und dann, wenn erforderlich, den Klang auch dramatisch zuspitzend.
Johannes Maria Wimmer (Bass) und John Groos (Klavier)
John Groos am Flügel erwies sich als inspirierender, sensibler Begleiter. Die eindrucksvollen Textbeiträge von Günter Lieder, vormaliger Schauspieler des Tiroler Landestheaters, waren einerseits dokumentarisch, andererseits literarisch. Neben Ausschnitten aus Brechts „Flüchtlingsgesprächen“, Exil-Texten von Anna Seghers und Alexander Döblin und einem jüdischen Märchen hörte man vom gefährlichen Auftrag des Varian Fry, der auf Initiative von Thomas Mann und hochrangiger amerikanischer Freunde rund 2.000 Verfolgte aus dem von den Nazis besetzten Frankreich rettete.
Fotos: chó/wefeel.art
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