Thomas Nußbaumer:
Zum 150. Geburtstag von
Arnold Schönberg
Kontinuierlich beschäftigt sich Oswald Sallaberger, der in Tirol beheimatete Dirigent und Geiger, mit dem Œuvre Arnold Schönbergs, dessen 150. Geburtstages man heuer gedenkt, und dies auch anhaltend erfolgreich. Mit der „Suite op. 29“ und der „Serenade op. 24“ erklangen am Samstag zwei kammermusikalische Schlüsselwerke der Zweiten Wiener Schule, veranstaltet wurde das Konzert vom Haus der Musik Innsbruck im Rahmen der von Wolfgang Laubichler entwickelten Reihe „Wort und Musik“.
v.l.n.r.: Oswald Sallaberger, Herbert Kefer
Im Portrait – Schönberg II – so der vom Veranstalter gewählte Untertitel – war die Fortsetzung einer Sub-Reihe, die im Oktober 2023 mit einem Klavierabend von Michael Schöch begonnen hatte. Aber auch Oswald Sallaberger war im Haus der Musik zuletzt schon mit Schönberg zu hören – unvergessen ist seine Aufführung des Pierrot lunaire mit Timna Brauer vom Mai 2022.
Es ist noch immer mutig, einen ganzen Abend lang in Innsbruck Schönberg zu spielen, da man das Gros des Konzertpublikums damit nur schwer erreicht. Dennoch war das Konzert im Großen Saal recht gut besucht und am Ende zeigten die begeisterten Reaktionen, dass es Sallaberger und seinem Ensemble gelungen war, die musikalisch-sinnlichen, auch unterhaltsamen Seiten von Schönbergs Musik zu vermitteln und eine Lanze für den Jahresregenten zu brechen. Denn bei aller formalen Strenge und Strukturiertheit, die Schönbergs Werk kennzeichnet, ist seine Musik auch reich an Bildern und hintergründigem Humor.
v.l.n.r.: Romana Pulvermacher, Christina Schorn
Die barocke Suitenform bildet die Grundidee der Suite op. 29 (UA: Paris 1927), die aber verfremdet und weitergedacht wird. Die Farben von Flöte, Klarinette, Violine, Viola, Cello, Bassklarinette und Klavier mischen sich prächtig in einer klangvollen, rhythmusreichen Ouverture, in die Schönberg das musikalische Monogramm es–G (für den Namen seiner Frau Gertrud) einwob.
Auf musikantische Weise verbinden sich in der Suite op. 29 Tonalität und die Zwölftontechnik, durch die Schönberg und seine Anhänger bekanntlich die Konventionen des tonalen Denkens nachhaltig durchbrochen haben.
v.l.n.r.: Walter Seebacher, Johannes Maria Wimmer
Doch keineswegs war Schönberg dem Musikantentum abhold, ganz im Gegenteil. So lugen aus dem Satz mit dem Titel Tanzschritte der Wiener Walzer und der Foxtrott hervor, ehe im dritten Satz die Bassklarinette ein melodiöses Thema vorzeichnet, in dessen Variationengeflecht die Volksballade Ännchen von Tharau durchschimmert.
Eine lebhafte Gigue (Bezeichnung für einen barocken höfischen Tanz) rundet ein herausforderndes Werk ab, in dem immer wieder die kristalline Strenge der Struktur mit dem Musikantischen ringt.
Oswald Sallaberger leitete die Aufführung der Suite op. 29 eindrucksvoll an der Violine. Er hat Schönbergs Musik, mit der er sich immer wieder auch forschend auseinandersetzt, spürbar verinnerlicht und ist seinen Mitspielerinnen und Mitspielern ein unbeirrbarer Leuchtturm. Michael Schöch am Flügel entfaltete konzentriert und unerschütterlich eine vielgliedrige, rhythmische Projektionsfläche, auf der sich Vera Klug (Flöte) mit Gespür für das Lyrische, Walter Seebacher (Es- und B-Klarinette) mit seiner exemplarischen Musikalität, Florentine Simpfendörfer (Bassklarinette) mit erfrischender Eleganz, Barbara Riccabona (Cello) mit schöner Tongebung und Herbert Kefer (Viola) mit souveräner Ruhe in einer Vielzahl an Dialogen einfanden.
Auch zur Pause wurde ein kurzweiliges Programm geboten. So trugen Sara Nunius und Stefan Riedl aus dem Schauspielensemble des Tiroler Landestheaters Texte von Maja Haderlap vor und unterhielten das Publikum mit einem köstlichen Fragebogen von Max Frisch zu den Themen Freundschaft, Hoffnung, Humor und Heimat.
v.l.n.r.: Herbert Kefer, Sara Nunius
Die abschließende Vorführung der Serenade op. 24 bildete den Höhepunkt des Abends. Sallaberger wechselte in die Funktion des Dirigenten und an seine Stelle trat mit Agnieszka Kulowska, Violinistin des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, eine außergewöhnlich versierte, gestaltungsfähige Künstlerin, die auch die erforderlichen violinistischen Techniken der Musik des 20. Jahrhunderts eindrucksvoll beherrscht. Anstelle des Klaviers rückten mit Romana Pulvermacher (Mandoline) und Christina Schorn (Gitarre) zwei Gitarristinnen in den Mittelpunkt, die sich mit großer Spielfreude und Präzision auf das siebensätzige Werk – eine Wundertüte an witzigen Ideen und subtilen Anspielungen – einließen.
Aus der Fülle, die das schwungvolle Stück bietet, können hier nur Details in Erinnerung gerufen werden: die witzigen, oft grotesken Anspielungen an Ländler und Walzer im Satz Tanzscene, das elegische Lied ohne Worte à la Mendelssohn im fünften Satz, die völlige Neuinterpretation der Genres Marsch und Menuett zu Beginn – und auch die menschliche Stimme findet in der Serenade op. 24 ihren Platz, und zwar in der Vertonung eines Petrarca-Sonetts im vierten Satz. Hier konnte sich Johannes Maria Wimmer, Opernsänger am Tiroler Landestheater, mit der voluminösen Tiefe seiner sonoren Bassstimme in Szene setzen. Mit eindringlicher Intensität, aber auch dynamisch sehr differenziert, sang er den Text, der von unglücklicher Liebe erzählt, und setzte dem Abend einen weiteren Glanzpunkt auf.
Fotos © Thomas Nußbaumer
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