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Thomas Nußbaumer
Saison-Beginn
des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
am 20. und 21.10.2022
im Congress Innsbruck

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck startete vielversprechend in die neue Saison.

Entsprechend dem Motto des ersten Symphoniekonzerts – „Tanz der Welten“ – wurde der Abend von Zoltán Kodálys „Tänzen aus Galánta“ (1934) und Béla Bartóks Konzertsuite bzw. Ballettmusik „Der holzgeschnitzte Prinz“ (1932) umrahmt.

„Metacosmos“ (2017) der Isländerin Anna Thorvaldsdóttir schuf grundsätzliche Kontraste, Franz Liszts „Totentanz für Klavier und Orchester“ (1859) mit dem grandiosen Pianisten Daniel Ciobanu bildete den begeisternden Höhepunkt des Abends.

Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, geleitet von Kerem Hasan. Am Klavier Daniel Ciobanu Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck, geleitet von Kerem Hasan.
Am Klavier Daniel Ciobanu (© chó/wefeel.art)

Kodálys „Tänze aus Galánta“ entsprangen der Pionierzeit der ungarischen Volksmusikforschung, als Bartók und Kodály in umfassenden Feldforschungen in den Dörfern daran gingen, die ungarische „Bauernmusik“, auch jene der Sprachinseln in den Nachbarstaaten, zu sammeln und als Grundlage für eigene Kompositionen heranzuziehen.

Das glanzvolle Werk, das im Titel auf die heute in der Slowakei liegende Stadt Galánta, mit der Kodály schöne Kindheitserinnerungen verband, Bezug nimmt, vereinigt unterschiedliche Momente: die Motorik ungarischer Tänze wie Csárdás und Verbunkos, Motive aus einer „Zigeunermusiksammlung“ aus der Zeit um 1800, Klangbilder und Muster der ungarischen Rhapsodie, nationalen Romantik, sogar des Barocks und der Klassik – und am Ende zitiert Kodály auch aus dem Scherzo von Beethovens Neunter.

Meist werden die „Tänze aus Galánta“ betont schwungvoll musiziert, und es hat zweifellos seinen Reiz, wenn man den Drive dieser Komposition nützt und volle Fahrt aufnimmt.

Kerem Hasan, der Chefdirigent des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck, setzt in seiner Interpretation aber meist andere Akzente, ihm geht es vielfach um Situationen des Dialoges, und selbstverständlich ist auch das sehr reizvoll, denn Kodálys Musik ist randvoll von schönen Passagen, in denen die Querflöte, Klarinette, natürlich das Horn, aber auch die Oboe und das Fagott mal tänzerisch, dann wieder lyrisch Rede und Antwort stehen und ein weites Klangfarbenspektrum öffnen.

Da das Orchester über ausgezeichnete Musikerinnen und Musiker an den genannten Solopositionen verfügt, ging Hasans Konzept sehr schön auf und resultierte in einem Klangerlebnis.

Dies trifft auch auf die Umsetzung von Bartóks einaktigem Tanzspiel „Der holzgeschnitzte Prinz“ zu, wo im nun vergrößerten Orchester auch Saxophone, die Bassklarinette, umfassendes Schlagwerk und Celesta vorgesehen sind.

Dieses Werk, das übergangslos an Anna Thorvaldsdóttirs „Metacosmos“, ein kurzes Stück aus lang gedehnten, reibungsvollen, mitunter oszillierenden, dann wieder lichtvoll aufklarenden Klangflächen, die in einen lang gehaltenen Ton der ersten Violine münden, anschloss, erzählt die Geschichte eines Prinzenpaares, das in einem von einer Fee verzauberten Wald zueinander findet, wobei eine hölzerne Puppe eine zentrale Rolle einnimmt.

Gerne sähe man diese Musik getanzt, doch die souverän gestaltete, von Hasan gekonnt organisierte Aufführung dieser bartókisch-herben und lyrischen Musik schuf Bildwelten im Kopf.

Kaum zu fassen ist der umwerfende Auftritt des rumänischen Klaviervirtuosen Daniel Ciobanu mit Franz Liszts „Totentanz für Klavier und Orchester“, einem der schwierigsten Klavierkompositionen überhaupt.

 

Am Klavier Daniel Ciobanu Am Klavier Daniel Ciobanu (© chó/wefeel.art)

Ciobanu spielt dieses Werk, das über weiteste Strecken aus rasanten Oktavparallelen, komplizierten Akkordzerlegungen, kniffligen Akkordstaccati, dahinfegenden chromatischen Läufen und Glissandi besteht, in denen der Pianist zudem meist exponiert dasteht, weil die Partitur weiträumige Kadenzen vorsieht, mit erstaunlicher Elastizität und Ganzkörpereinsatz.

Abgesehen davon, dass man nicht begreifen kann, woher Ciobanu die Energie bezieht, permanent mit 180 Sachen zu rasen und stets am Puls der Musik zu bleiben, verneigt man sich auch vor seiner immensen Musikalität.

Denn Liszts Musik besteht nicht nur aus wuchtig gehämmerten Dies-irae-Mementi, sondern auch aus Pianissimo-Stellen, an denen neben dem Klavier zum Beispiel die Triangel Raum greift und man ansonsten eine Stecknadel fallen hören könnte.

Ciobanu beherrscht dieses intensive Wechselspiel aus Rasanz und Lyrik perfekt, das Orchester konnte bestens mithalten, und der junge Mann hat auch einen guten Schmäh.

Nachdem er dem Konzertflügel alles, was er hergeben kann, abverlangt hatte, verabschiedete er sich mit einer irrwitzigen Boogie-Woogie-Zugabe und einer – wie er sagte – „Massage für das Klavier“: mit Ernesto Lecuonas „Mazurka glissando“, einem Stück voller feinfühlig perlender Läufe und Glissandi.

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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