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Alois Schöpf
Wir wollen modern sein!
Verlust der Tradition und des Publikums
durch fragwürdige Selbstverortung
Essay
Gesamttext

Statt in farbenprächtiger Tracht, an der die auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch eifrig wirkende Reichstrachtenbeauftragte Gertrud Pesendorfer aus Innsbruck ihre Freude gehabt hätte, treten sie im schwarzen Anzug auf, der an die domestikenhafte Gewandung der klassischen Symphonieorchester erinnern soll, womit sie sich von der ruralen Musikkapelle am Dorf zum symphonischen, wenn nicht gar philharmonischen Blasorchester der Stadt aufzuwerten versuchen.

Und ja, sie spielen auf Basis eines exzellent arbeitenden Musikschulwerks tatsächlich auf sehr hohem technischen Niveau, alle Register sind bestens besetzt, das Verhältnis zwischen Holzblasinstrumenten und Blech- bzw. Schlaginstrumenten entspricht mit 3:2 den internationalen Vorgaben, die Orchester sind groß, das Verhältnis zwischen Männern und Frauen mit 50:50 geradezu vorbildlich, der Altersdurchschnitt weit unter 30, nur wenige Grauköpfe trüben das Bild.

Vor allem jedoch: Sie spielen modern. Sie sind modern, denn sie wollen modern sein! Sie haben, wenn sie auf der Konzertbühne sitzen, um endlich ihr wahres Können und ihre wahre Sicht der Dinge zu präsentieren, zuvor genug unter den Demütigungen einer gestrigen Welt gelitten. Sie haben in ihren dicken Lodenjankern schweißgebadet an schönen Sommertagen bei Prozessionen gespielt, ewig lange Hochämter mit Kirchenmusik zu Festen gemacht, die öden Reden von Politikern mit Märschen aufgewertet, Märkte und Verkaufsmessen eröffnet, die Einweihung von neuen Schulgebäuden und Kläranlagen umrahmt, bei Zeltfesten den Alkoholmissbrauch kulturell veredelt und vor Touristen die Alpen-Aborigines gegeben.

Sie sind also, um den Bestand ihres Vereines abzusichern, vor allem, wenn sie ein wenig gebildet sind und als Kapellmeister oder Vereinsvorstände das Vorbild vor allem für die jungen Leute abzugeben haben, in Rollen geschlüpft, die so gar nichts mit ihnen selbst zu tun haben. Sie definieren sich als Weltbürger und fühlen sich als konservativ-christlich-nationalsozialistische Schausteller (Thomas Bernhard) missbraucht. Denn längst sind sie, wenn nicht überhaupt aus der Kirche ausgetreten, nicht mehr streng gläubig, bestenfalls volkskulturell an farbenprächtigen Riten interessiert, wählen in der Wahlzelle grün, ganz bestimmt jedoch nicht rechts, vielleicht noch verstohlen konservativ, haben das Gymnasium oder sogar ein Studium hinter sich gebracht und versuchen nun die Spanne zwischen dem ländlichen Gestern, der grünen Idylle von Heute und einer globalisierten Welt nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch zu genießen, wenngleich sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts die Gelegenheiten häufen, immer mehr darunter zu leiden.

Denn ganz bestimmt wollen sie mit jenen lächerlichen Figuren, die es in Lederhose und Trachtenjanker zur Medien-Prominenz gebracht haben, ob sie nun sogenannte volkstümliche Musik oder sogenannte volkstümliche Schlager oder zuweilen sogar sogenannte echte Volksmusik präsentieren, nichts zu tun haben. Aber auch nicht mit jener uniformierten Parademusikkapelle, bei deren Hauptkonzert im Herbst Landeshauptmann, Bürgermeister von Innsbruck und Bischof als Triumvirat auftreten und das Publikum sich gehorsam zur Kaiserhymne erhebt, als wäre der 1. Weltkrieg von den Österreichern gewonnen worden, statt noch in den letzten Tagen in eine endgültige politische und menschliche Katastrophe auszuarten.
Allzu verständlich daher, dass es nicht nur der Wunsch der jugendlichen Musikerinnen und Musiker ist, bei ihren Unterhaltungskonzerten durch Ausflüge in die Welt der aktuellen Popmusik den Beweis anzutreten, dass man den Anschluss an die Gegenwart nicht verpasst hat. Und ebenso verständlich der Wunsch, bei Konzerten bewusst durch die Wahl gehobener zeitgenössischer Musikliteratur zumindest einmal im Jahr das Image des alpinen Dodels abzulegen und als engagierter, kenntnisreicher und versierter Musiker und Dirigent dazustehen!

Die Programme, die sich aus solchen Sehnsüchten ergeben, sind denn auch durchwegs international und reichen von amerikanischen, südamerikanischen und japanischen Komponisten bis hin zu den zeitgenössischen, genauer müsste man sagen, auf das Können von gehobenen Amateur-Blasorchestern spezialisierten europäischen Tonschöpfern, zu denen auch einige Österreicher gehören, die internationale Reputation genießen und deren Werke weltweit aufgeführt werden.

Die Programme solcher Konzerte lassen inklusive Adjustierung also in keiner Weise mehr darauf schließen, ob es sich hier um ein österreichisches, deutsches, belgisches, italienisches, französisches, niederländisches oder schwedisches Blasorchester handelt, bestenfalls für den Kenner ergeben sich aus der Bevorzugung gewisser Instrumentengruppen wie der Saxophone oder der Flügelhörner Hinweise auf die Herkunft und den kulturellen Hintergrund der Damen und Herren, die ihre globalisierte kompositorische Ware über ein Publikum ausschütten, dessen ratloser Kommentar immer wieder in Sätze mündet wie diesen:

Die Stücke waren alle sehr lang, sie haben alle gleich geklungen, ich kannte keines und kann mich auch an nichts mehr genau erinnern!“

Mit dem sehr oft daran anschließenden Satz „Sie haben nur einen einzigen Marsch, keine Ouvertüre und schon gar nicht einen Walzer oder eine Polka gespielt“ sind wir denn auch beim Kern der vorliegenden Überlegungen angelangt. Denn so sehr das Habsburgerreich, in dem ein Friedrich Smetana oder ein Antonin Dvorak in gleicher Weise „Österreicher“ waren wie der Venezianer Antonio Vivaldi es zum kaiserlichen Hofmusikus brachte und die Stars der norditalienischen Szene des 19. Jahrhunderts in der Zeit der größten Ausdehnung der Donaumonarchie oft von Wien aus regiert wurden – sosehr dies alles längst Geschichte ist: die aus und in diesem Kulturkreis entstandene Musik, die von Wolfgang Amadeus Mozart über Franz Schubert, Johann Strauß, Anton Bruckner und Gustav Mahler bis Arnold Schönberg reicht, ist ein kompositorisches Weltkulturerbe, welches das kleine Österreich mit seinen Nachbarn zumindest im Bereich der Kunst- aber auch der gehobenen Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts immer noch als musikalische Weltmacht dastehen lässt.

Dem muss für alle in die Geschichte der Bläsermusik weniger Eingeweihten hinzugefügt werden, dass es bereits seit den Zeiten der Wiener Klassik üblich war, die erfolgreichsten Melodien, wie sie in den Konzert- und Opernhäusern der Donaumonarchie erklangen, bei abendlichen Serenaden in Bläserfassungen dem Publikum darzubieten. Diese Gepflogenheit, die am Anfang von kleinen sogenannten Harmoniemusiken getragen wurde, entwickelte sich mit dem Aufkommen der Nationalstaaten und der nationalen Armeen nach dem Wiener Kongress zur altösterreichischen Militärmusik, deren Aufgabe auch in diesem Fall neben der Begleitung militärischer Rituale darin bestand, die Werke der hohen Kunst bei Promenadenkonzerten in Bläserfassungen dem sogenannten gemeinen Volk zugänglich zu machen.

Diese Transkriptionen wurden naturgemäß von kreativen Kapellmeistern durch eigene Werke, die sich jedoch streng an die formalen Grundsätze ihrer Vorbilder aus der Kunstmusik hielten, ergänzt. Dadurch entstand neben den Kompositionen der Klassik und der klassischen Unterhaltungsmusik rund um das Genie Strauß ein eigener Werkskorpus, von dem etwa die Märsche, Walzer oder Ouvertüren eines Julius Fučík oder Karl Komzák sen. und jun. beispielhafter Ausdruck sind.
Damit jedoch steht die Frage im Raum: Wie verrückt muss man eigentlich als für das Programm Verantwortlicher und als noch so engagierter Dirigent eines Blasorchesters sein, wenn man, selbst Österreicher, auf das Angebot dieser Literatur aus einer großartigen musikalischen Vergangenheit des eigenen Heimatlandes verzichtet und sich im Konzert als Anhäufung musizierender Anzugträger mit globalisierter Kompositionsware verwechselbar und austauschbar macht?

Und all dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein naturgemäß in der Musiklehrerschaft zutiefst verachteter André Rieu mit Programmen der österreichischen Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts in Maastricht alljährlich an die 100.000 Besucher und an den Fernsehschirmen Millionen um sich versammelt. Aber auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Wiener Philharmoniker mit ihrem alljährlichen Neujahrskonzert die ganze Welt erreichen und bei diesem österreichischen Spitzenorchester wohl niemand auf die Idee käme, je den Vorwurf zu erheben, es sei nicht modern, weil vor allem die Werke eines Mozart, Beethoven, Bruckner, Johann und Richard Strauß gespielt werden.

Die fast vollständige Absenz der sogenannten altösterreichischen Musikliteratur, sowohl was die Kunstmusik in Form von Transkriptionen als auch die Unterhaltungsmusik und Original-Kompositionen der davon inspirierten Militärmusiker bei den Konzerten unserer besten österreichischen Blasorchester betrifft, ist daher eine unentschuldbare und traurige Fehlentwicklung.

Der nicht weiter hinterfragte Wunsch, modern sein zu wollen, was in der Regel nur bedeutet, nicht regional zu sein, nicht dezidiert tirolerisch, steiermärkisch oder kärntnerisch, nicht österreichisch, also nicht all dem verbunden zu sein, was in den Medien als fremdenverkehrskompatible österreichische Identität vermarktet wird, sondern sich als Weltbürger zu präsentieren, führt nämlich auf geradem Wege in die Aporien der zeitgenössischen Kunstmusik, die in den allermeisten Fällen nicht nur für noch so exzellente Amateure zu schwierig zu spielen, sondern spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Paralleluniversum ohne Publikum verkommen ist.

Dies ist jedoch bestimmt nicht das Ziel, das die ehrgeizigsten unserer Blasorchester und ihre Dirigenten und Obleute anstreben, womit sich umso dringlicher die Frage stellt, was sie eigentlich darunter verstehen, wenn sie beschließen, modern sein zu wollen. Und was sie eigentlich darunter verstehen sollten?



2. Teil

Der 1. Teil der vorliegenden Überlegungen versuchte die durchaus nachvollziehbaren Gründe aufzulisten, weshalb junge und engagierte Musikerinnen und Musiker aus dem Bereich der Blas- und Bläsermusik sich durch ihre Aktivitäten bei den traditionellen Musikvereinen der Heimatgemeinden im Hinblick auf ihr eigenes modernes Weltverständnis missbraucht fühlen. Und dass in vielen Fällen Ausdruck dieser Distanz zuletzt Programme sind, die sich den Traditionen der eigenen Musikgeschichte verweigern und auf eine Modernität bzw. auf Originalkompositionen setzen, die aufgrund ihres austauschbaren Klangbildes, einer immer gleichen spätromantischen bzw. im besten Fall einer gemäßigten Moderne verpflichteten Tonsprache und vor allem aufgrund ihrer oft minderwertigen, epigonalen kompositorischen Qualitäten sowohl das auf einfache Unterhaltung hoffende als auch das künstlerisch hochwertige Musik erwartende Publikum frustrieren.

Um die Problemlage zu verdeutlichen, sei an dieser Stelle kurz auf Konzerte eingegangen, wie sie bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten 2022 im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg von drei der weltweit besten professionellen Blasorchester präsentiert wurden.

So konzertierte die Sächsische Bläserphilharmonie aus Leipzig am 21. Juli 2022 unter der Leitung des Dirigenten Peter Sommerer ganz in der Tradition, wie sie bereits von den Bläserensembles der klassischen Musik vorgegeben wurde: Bei abendlichen Serenaden das Publikum mit den beliebtesten Melodien aus der Welt der Opernhäuser und Konzertsäle zu verwöhnen. Das Programm der Sachsen enthielt Werke wie die Ouvertüre zur Oper La forza del destino von Giuseppe Verdi, seinen Triumphmarsch aus Aida, aber auch eine symphonische Suite der Oper La Bohème von Giacomo Puccini, die Ungarische Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt und schloss zuletzt mit dem Walzer Gold und Silber von Franz Lehar, das klingende Mahnmal österreichischer Melancholie schlechthin.

Es erübrigt sich die Bemerkung, dass das Publikum überglücklich den Konzertabend verließ, zumal der im klassischen Musikbetrieb bereits renommierte und erfahrene Dirigent Peter Summerer mit seinen launigen Moderationen für einen sympathischen, typisch österreichischen Ironie-Faktor sorgte.
Eines der besten professionellen Blasorchester Europas war sich also nicht zu schade dafür, an die traditionelle Rolle der klassischen Bläsermusik anzuschließen und einen ganzen Konzertabend mit klug auf das Orchester abgestimmten Transkriptionen zu bestreiten.

Sollte dies nicht all jenen zu denken geben, die ihre Modernität dadurch zu beweisen versuchen, dass sie nicht nur die Werke des bislang klassischen Repertoires zurückweisen, sondern die Verwendung von Transkriptionen geradezu als kardinalen künstlerischen Sündenfall betrachten? Und sollte ihnen nicht auch die Demut von durchwegs professionellen Musikerinnen und Musikern zu denken geben, die sich nicht zu schade dafür sind, dem Publikum an einem wunderschönen lauen Sommerabend schlicht und einfach unbeschwertes melodisches Glück zu bescheren?

Wenige Tage später am 24. Juli 2022 konzertierte im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg die United States Marine Band, besser bekannt unter dem Namen The President´s Own, womit auf ihre Auftritte als Repräsentationsorchester des amerikanischen Präsidenten im Weißen Haus bei jährlich etwa 200 verschiedenen Anlässen oft ritueller Natur hingewiesen wird.

Dieses sympathische, auf absolut professionellem Spitzenniveau agierende Orchester brachte nach Innsbruck ein Programm mit, das sich mit Werken von Richard Strauss, Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Danzi, Friedrich Smetana und Johan de Meij auffällig stark dem Schaffen der europäischen Kunstmusik widmete, was auch als freundliche Geste den Gastgeberländern der Europatournee Tschechien, Österreich und Niederlande gegenüber betrachtet werden kann. Das übrige Programm bestand naturgemäß aus Werken amerikanischer Komponisten, wobei Aspire der international renommierten Jennifer Higdon als besonders substantiell hervorstach. Aber auch ein Reigen aus vier amerikanischen Volksliedern, zusammengestellt von Aaron Copland, und zuletzt eine flotte bis flapsige Ouvertüre des weltweit bekannten Star Wars-Komponisten John Williams konnten das Publikum hellauf begeistern.

Die klugen Dramaturgen des Orchesters verstanden es somit, durch Musik aus verschiedenen Genres – Fanfare, lyrische Suite, Arie, virtuoses Instrumentalkonzert, Tanz, Ouvertüre und Lieder -, aber auch durch die Darbietung von Musik aus verschiedenen Zeitepochen – Klassik, Frühromantik, Hochromantik, Moderne – und durch den furchtlosen Zugriff auf exzellente Transkriptionen ein Programm zu erstellen, dass niemals eintönig war und dennoch der Aufgabe, die spezifisch amerikanische Musikidentität und Klanglandschaft dem Publikum nahe zu bringen, absolut gerecht wurde.

Womit wir beim einem dritten Konzert der diesjährigen Innsbrucker Promenadenkonzerte angelangt wären, das in seiner Zusammenstellung wohl am ehesten jenen das Publikum frustrierenden Konzertprogrammen nahekam, wie sie unsere nach Modernität lechzenden sogenannten Spitzenorchester als des Rätsels Lösung betrachten, um die Zukunft der Blasmusik zu retten. Es handelt sich dabei um das Konzert der Royal Symphonic Band Of The Belgian Guides, der sogenannten Gidsen, eines der weltweit führenden und bekanntesten Militärorchester unter der Leitung des Dirigenten Yves Segers.

Die Werke, die Segers für seinen ersten Konzertabend in Innsbruck auswählte, gruppierten sich um die Tondichtung Don Juan von Richard Strauss und ein sechsteiliges Medley aus der Oper Die Liebe zu den drei Orangen von Sergej Prokofjew. Eingeleitet wurde das Konzert durch zwei Blasorchester-Originalwerke der belgischen Komponisten Francois Glorieux und Dirk Brossé, beendet wurde der Abend durch die hochvirtuose, lärmende, ebenso für Blasorchester geschriebene Symphonie Nr. 1 Hell and Heaven des spanischen Komponisten Oskar Navarro.
Bei aller spielerischen Virtuosität und Kompetenz des Dirigenten geriet dieses Konzert, zumindest aus meiner Sicht, zur virtuosen Zurschaustellung redundanter Moderne. Beim zentralen Werk des Abends, bei Don Juan von Richard Strauss, stellte sich übrigens schon nach wenigen Takten heraus, dass hier ein Genie die Kompositionen der beiden vorangegangenen belgischen Komponisten als völlig unbedeutend vom Platze fegte. Zugleich jedoch wurde Don Juan, dem klassikkundigen Zuhörer aus Interpretationen von Abbado bis Karajan bestens bekannt, vom Orchester und dem Dirigenten zwar technisch einwandfrei, aber künstlerisch nur sehr mittelmäßig aufgeführt, wobei die Tatsache, dass hier ein Blasorchester und nicht ein klassisches Symphonieorchester am Werk waren, wie bei vielen gelungenen Transkriptionen und bei hoher Orchesterqualität, kaum eine Rolle spielte.

Die Ausschnitte aus Prokofjews Oper erwiesen sich wie alle anderen Stücke formal erneut als Suite, wobei das Orchester in gleicher Weise, wie es an der kompositorischen Rüpelhaftigkeit des Bayern Strauss gescheitert war, auch mit der Sperrigkeit Prokofjews unbefriedigend zurande und somit auch nicht, wie es im Jargon heißt, überzeugend über die Rampe kam. Blieb noch zuletzt die zweifelsfrei in ihrer technischen Schwierigkeit höchstes Können voraussetzende Symphonie von Navarro, die einen Abend komplettierte, der konsequent auf der Tonsprache der gemäßigten Moderne aufbaute, formal kaum eine Abwechslung bot und somit, obgleich von verschiedenen Komponisten geschaffen, dennoch mit dem unverwechselbaren Zentrum der Strauss´schen Musik einen zuletzt mühsamen Einheitsbrei ergab.

Aus den drei Konzerten sind jedenfalls interessante Beobachtungen abzuleiten, die zuletzt, im 3. und 4. Teil des vorliegenden Essays, zu eindeutigen dramaturgischen Empfehlungen führen, die im Übrigen nicht nur für Blasorchester, sondern auch für viele von Langweile gefährdete Konzertabende klassischer Symphonieorchester gelten können.


3. Teil

Wie das Konzert der Sächsischen Bläserphilharmonie bewies, ist mit einem Rückgriff auf Transkriptionen klassischer Werke aus dem Bereich populärer Kunst- und Unterhaltungsmusik sehr wohl ein das Publikum beglückendes Programm zu gestalten. Voraussetzung ist allerdings ein leistungsfähiges Orchester und ein Dirigent, der vor der schwierigen Aufgabe steht, Werke, die vielen im Publikum bekannt sind, aufgrund seiner stilistischen Kenntnisse und durch die Wahl geeigneter Transkriptionen so zu inszenieren, dass er gegenüber übermächtiger, von Tonträgern jederzeit abrufbarer Konkurrenz bestehen kann.

Der Vorteil von Konzerten, die auf Transkriptionen klassischer Werke aufbauen, besteht andererseits darin, dass hinsichtlich der Qualität der Kompositionen keinerlei Zweifel bestehen. In der Regel sind es bewährte Meisterwerke. Absolut notwendig jedoch, um die Gefahr von Langeweile zu verhindern, ist dennoch ein formal reichhaltiges Angebot, das von Ouvertüre, Marsch, Polka, Polka Mazur, Walzer, Galopp, Gesang bis hin zu Potpourris reicht.

Wer glaubt, darauf verzichten zu können, endet zuletzt in der distinktionsgeladenen Ödnis der alljährlichen Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker, deren Dramaturgie in unverschämter Weise nicht auf die Beglückung des mit seinen Steuermitteln das Orchester erhaltenden Publikums ausgerichtet ist, sondern auf die Produktion und damit die finanziellen Erlöse der neuesten CD, ein Format, das grundsätzlich Uniformität und nicht Diversität voraussetzt. Das Bedürfnis, während der Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker friedlich einzuschlafen, resultiert daher in den allermeisten Fällen nicht aus Schlafmangel aufgrund von Silvesterfeiern, sondern aus der redundanten Abfolge von Walzern und Polkas der Musikfabrik Strauß.

Wie hingegen mit Erfolg Abwechslung und Spannung erzeugt werden können, zeigt der Chefdirigent der Bläserphilharmonie Salzburg Hansjörg Angerer mit seinem inzwischen auch von ORF III übertragenen Dreikönigskonzert aus dem Großen Festspielhaus in Salzburg, dessen Dramaturgie stets eine Brücke von der altösterreichischen Unterhaltungsmusik des 19. Jahrhunderts zur Unterhaltungsmusik anderer Länder, etwa Italiens, Russlands oder Englands, zuweilen aber auch in die Moderne schlägt und damit äußerst kurzweilig ausfällt.

Die dekadente Abneigung der Tiroler gegen ihre erfolgreiche Tourismuswirtschaft, deren Infrastrukturen sie ungefragt genießen, schlägt sich auch in den Programmen der heimischen Musikkapellen bzw. Blasorchester nieder. So wird es gemeinhin als Zumutung empfunden, wenn Gäste Konzerte nicht deshalb besuchen, weil sie die gerade aktuelle, globalisierte Pop- oder Schlagermusik, wie sie auch bei Ihnen zu Hause erklingt, in meist dilettantischer Aufführungsweise hören wollen, sondern weil sie sich für die spezifische Klanglandschaft ihres Gastlandes interessieren. Viele von ihnen sind nämlich gebildet genug, um zu wissen, dass Österreich auf eine bedeutende Musikgeschichte und im speziellen Tirol auf ein großes volksmusikalisches Erbe verweisen kann.

Leider riskiert ein Kapellmeister, der diese touristischen Erwartungen zu erfüllen versucht und daher Volksmusik oder volksmusikalische Potpourris in seine Programme aufnimmt, das Ende seiner Beliebtheit, denn seine Schützlinge wollen, wie bereits mehrfach betont, modern sein, modern erscheinen und daher sogenannte moderne Werke aufführen, was immer an Schrott sie darunter verstehen.

Die United States Marine Band The Presidents Own erwies sich in diesem Zusammenhang bei der Präsentation der nationalen Identität der USA, die sie in Europa zu vertreten hatte, als vorbildlich, indem sie, klug unterbrochen von Werken der europäischen Kunstmusik aus verschiedenen Genres und Zeitepochen, Werke von amerikanischen Komponisten präsentierte, die allerdings, in Serie aufgeführt, aufgrund zu gleichförmiger Tonsprache und teilweise auch aufgrund mangelnder kompositorischer Qualität einen ähnlichen Effekt erzielt hätten, wie es bei dem bereits erwähnten Konzert der belgischen Gidsen geschah.

Statt sogenannter Originalwerke ein wenig mehr schlichte Unterhaltungsmusik, wie sie zuletzt bei den Zugaben durch die unvergleichliche Wiedergabe des amerikanischen Nationalmarsches Stars and Stripes das Publikum zu Begeisterungsstürmen veranlasste, hätte auch hier nicht geschadet, zumal gerade die Vereinigten Staaten durch den Jazz, insbesondere durch den Swing, weltbekannte Film- und Musical-Musik einen großartigen Beitrag zur musikalischen Weltliteratur geleistet haben.

Dennoch ist insgesamt dem Orchester durch eine kluge Dramaturgie, viele formale Elemente, eine herausragende und überraschende Moderation und durch Gesang ein Programm gelungen, das zwischen höchsten künstlerischen Ansprüchen und Verwöhn-Faktoren für das Publikum kaum Wünsche offen ließ.

An dieser Stelle ist es nun höchste Zeit, auf die Frage einzugehen, weshalb der Unterschied zwischen sogenannter ernster Musik, E-Musik, und Unterhaltungsmusik, U-Musik, bislang nicht ausführlicher thematisiert wurde?
Der Grund hierfür ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass die nicht nur beschreibende, sondern vor allem auf- und abwertende Unterscheidung zwischen E und U fast nur in deutschsprachigen Ländern gebräuchlich und am ehesten als Reaktion auf den Missbrauch von Musik durch die Nationalsozialisten einzustufen ist.

Durch die moralisierende Unterscheidung von hochkulturell edler (E) und popularkulturell minderwertiger Musik (U) wurden die klassischen Musikwerke mit pseudoästhetischen Argumenten durch die Distanzierung vom angeblichen Mist der Schlager- und Marschmusik für den Nachkriegskonsum gleichsam in entnazifizierter Form freigeschaltet, zugleich aber auch die aus den USA kommende Sieger-Musik, Jazz, Swing und Hollywood – beispielhaft etwa durch Glenn Miller und sein Orchester dargeboten – in unverfänglicher Weise zurückgewiesen, was im Übrigen die aus heutiger Sicht vollkommen unverständlich heftigen Reaktionen auf die harmlosen Beatles und ihre nicht minder harmlose Musik erklärt: der demokratische Westen trug mit ihnen in postfaschistischen Landen nicht nur am Schlachtfeld und in der Politik, sondern nun auch in der Musik endgültig den Sieg davon.

Nicht nur dieses fragwürdige Erbe der Nachkriegszeit, sondern auch die inzwischen nicht einmal mehr von den treuesten Adorno-Anhängern geleugnete überragende Bedeutung des Jazz und vieler Meisterwerke der sogenannten Unterhaltungsmusik, die längst Eingang in das kollektive Gedächtnis der Menschheit gefunden haben, aber auch bedeutende Grenzgänger wie Dimitri Schostakowitsch mit seiner Jazz Suite oder Nino Rota mit seinen unvergleichlichen Filmmusiken lassen es geboten erscheinen, auf jede wertende Unterscheidung zwischen E und U zu verzichten und sich darauf zu verständigen, dass es prinzipiell nur zwei Arten von Musik gibt, ob sie nun unterhält oder anstrengt und wie auch immer die jeweils entscheidenden Kriterien der Qualitätsbestimmung aussehen mögen: gute und schlechte Musik.

Daraus jedoch folgt, dass im Gegensatz zur landläufigen Meinung, die aus den weniger komplizierten Notenbildern der sogenannten Unterhaltungsmusik den falschen Schluss zieht, sie sei leichter zu spielen, der Grundsatz zu gelten hat, dass hochwertige Unterhaltungsmusik geradezu versiertere und gebildetere Dirigenten und flexiblere und kundigere Musikerinnen und Musiker benötigt als so manche als sogenannte Kunstmusik angepriesene Blasorchester-Originalkomposition.

In diesem Zusammenhang sei nur an die fast unüberwindlichen Schwierigkeiten erinnert, einer alpenländischen Dorfmusikkapelle die Geheimnisse des Swing zu vermitteln, was im Übrigen – übertragen etwa auf die Heimat des Jazz New Orleans – bei der Vermittlung eines Wiener Walzers dortselbst nicht weniger schwierig ausfallen dürfte.

Die Verblendung gar mancher Kapellmeister samt ihrer Banda amateurhafter Musikerinnen und Musiker, unverwechselbare Lebensgefühle von Südamerika mit seinem Bossa Nova und Tango über die USA mit Gershwin und Swing, Spanien mit Paso Doble und Frankreich mit seinen Chansons begriffen zu haben und musikalisch durchdringen zu können, zeigt das ganze Elend geschmäcklerischer Abgründe, wie sie uns aus vielen Programmen von Frühjahrs- oder Herbstkonzerten, aber auch aus Zeltfesten entgegen klingen.

Noch dramatischer wird das Desaster allerdings dann, wenn die Sehnsucht nach Modernität sich in die Aporien der zeitgenössischen Kunstmusik verirrt, ein letzter Sündenfall, den es zu verhindern gilt, sofern es das Ziel von Musik bleibt, ohne Peinlichkeiten die Menschen zu erfreuen, zu bewegen und damit die Ränge zu füllen.


4. Teil und Abschluss

Wie man es auch dreht und wendet: Ob das Publikum mehr als 100 Jahre nach dem sogenannten „Watschen-Konzert“ Schönbergs in Wien noch immer für die zeitgenössische Musik zu dumm ist oder die Komponisten zu abgehoben sind, um die Herzen der Menschen zu erreichen bzw. überhaupt erreichen zu wollen: die sogenannte Kunstmusik der Gegenwart hat sich spätestens seit 1945 mit wenigen Ausnahmen in die Bedeutungslosigkeit medialer Nachtstudios und subventionierter Avantgarde-Claims manövriert.

Wenn die klassische Musik, die zusehends vom biologischen Abgang ihrer Anhängerschaft bedroht wird, in den besten Zeiten nach Untersuchungen der AKM noch eine Anhängerschaft von 4 Prozent der Bevölkerung für sich verbuchen konnte, so sind die Fans des zeitgenössischen Musikschaffens längst im statistischen Graubereich untergegangen.

Daher zu meinen, man könne sich durch die Aufführung zeitgenössischer Werke im Bereich der Bläsermusik beim Publikum Vorteile verschaffen, um sich inklusive Orchester vom talentierten Bauernbuben zum bildungsbürgerlichen Maestro emporzuarbeiten, ist schon aus diesem Grund illusorisch.

Zumal sich aus einem solchen Bekenntnis abgesehen von der Bereitschaft, Bewohner eines Paralleluniversums zu sein, die konkrete Problematik ergibt, dass, wenn nicht die Dirigenten, so doch die meisten Musikerinnen und Musiker nicht nur aus dem Amateurbereich bei den Werken, als Originalwerk oder in Transkription, welche die Komponisten der klassischen Moderne der Nachwelt hinterlassen haben, schlicht und einfach überfordert sind. Eine sehr mäßige Aufführung der Symphonischen Metamorphosen von Paul Hindemith bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten 2022 durch ein Auswahlorchester des Nordbayerischen Musikbundes bewies dies eindrücklich.

Ob es die Werke des österreichischen Komponisten Ernst-Ludwig Leitner sind, bei denen selbst Profis zu kämpfen haben, oder die Werke des Donaueschinger Vorkriegskreises Hans Gal, Ernst Toch und vor allem Paul Hindemith: kundige Hörer, welche auch in diesem Fall die Einspielungen bedeutender Dirigenten und Orchester präsent haben, mit einem der Gegenwartsmusik gewidmeten Blasorchesterkonzert zu überzeugen und emotional zu bewegen, ist sehr schwierig, wobei bekanntlich nur eine überragende Interpretation solcher Werke in der Lage ist, ein im Prinzip interessiertes, jedoch an die Tonsprache der Moderne wenig gewöhntes Publikum zu begeistern.

Da die meisten Kapellmeister sich über diese Sachlage doch einigermaßen im Klaren sind, fehlen Originalbläserwerke der klassischen Moderne denn auch in den allermeisten Programmen. An ihre Stelle traten in den letzten Jahren immer mehr Werke von Komponisten, die als große Könner, wie etwa ein Rolf Rudin mit Der Traum des Oenghus oder der Belgier Robert Groslot mit Rainfall on Pink City dem avantgardistischen Wahnwitz des modernen Musikschaffens entflohen sind und sich mit oft erstaunlichem und weltweiten Erfolg dem Ehrgeiz hochstehender Amateurblasorchester zugewandt haben.

Leider sind solche Meister eine verschwindende Minderheit all jenen gegenüber, welche die kommerzielle Chance nützen, um ihr mäßiges Talent in Form von epigonaler bläsersymphonischer Schlagermusik an der Seite geschäftstüchtiger Verlage rücksichtslos über die Häupter geschmacklich überforderter Blasmusikkapellmeister auszuschütten. Da diese in der Regel nämlich bei den Konzerten der klassischen Symphonieorchester fehlen und daher niemals ihr Sensorium, was gut und was schlecht komponiert ist, an den Werken der Klassik und der klassischen Moderne geschult und geschärft haben, sind sie auch nicht in der Lage, die Qualität einer Komposition zu beurteilen, sondern fallen auf jede Mischung seichter Melodik in Kombination mit instrumentalem Schabernack, der nach Avantgarde riecht, herein.

Die ganze Problematik eines Konzertes, das sich fast ausschließlich Werken solchen Musikschaffens widmete, kam denn auch, wie schon weiter oben erwähnt, beim Konzert der Belgischen Gidsen bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten 2022 zum Tragen.

Nicht nur dass die Tondichtung Don Juan von Richard Strauss als jugendlicher Geniestreich die übrigen Kompositionen des Abends deklassierte: zwei Stunden einer zwischen Spätromantik und Moderne changierenden Tonsprache, eine mit allen Effekten auftrumpfende Instrumentation und zugleich eher durchschnittliche bis unbedeutende Originalwerke ergaben zuletzt lähmende Langeweile. Und dies obgleich hier eines der weltbesten Militärorchester konzertierte und sein versierter Dirigent Yves Seghers bereits im Jahre 2019 im Innenhof der Innsbrucker Hofburg eine äußerst überzeugende Aufführung des oben erwähnten belgischen Komponisten Robert Groslot dargeboten hatte. Damals jedoch nicht flankiert von weiteren zeitgenössischen Bläserwerken, sondern von Kompositionen Hector Berlioz´, Wolfgang Amadeus Mozarts, Ottorino Respighis und als Genre-Wechsel von einer Sopranarie aus der Feder von Jan Van der Roost.


Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich also aus den vorliegenden Überlegungen eine sehr einfache Lehre im Hinblick auf die Dramaturgie von Programmen ziehen.
Sie beruht zuallererst auf der Feststellung, dass das heutige Publikum im Gegensatz zum Publikum früherer Zeiten über unendlich viele und vielfältige Informationsmöglichkeiten in Bezug Musik verfügt, täglich bis zu mehreren Stunden Musik hört und daher auch bei höchster Zuwendung nicht bereit und in der Lage ist, Redundanz in welcher Form auch immer zu akzeptieren.

Um es schlagwortartig zu formulieren:

1. Das zeitgenössische Publikum ist multiepochal, da es in der Regel die verschiedenen stilistischen Epochen der Musikgeschichte präsent hat.
2. Das zeitgenössische Publikum ist multikulturell, da ihm die verschiedenen musikalischen Dialekte und Atmosphären aus aller Welt bekannt sind.
3. Das zeitgenössische Publikum ist multiformal, insofern es vom einfachen Song über sämtliche möglichen Genres bis hin zur großen Symphonie die meisten Formen, in die Musikstücke gerahmt sein können, kennt.

Konzerte, welche diese Tatsachen berücksichtigen, werden immer erfolgreich sein, vor allem wenn die Programmgestalter sich darüber hinaus dem Prinzip verpflichtet fühlen, das Publikum zuerst für sich zu gewinnen, also zu verführen, es sodann zu fordern, ein Umstand, ohne den im menschlichen Leben ein Genuss nach dem Prinzip Hunger und Sättigung, nach dem Gefälleprinzip also, niemals möglich ist – und es zuletzt wieder in interesselosem Wohlgefallen zu versöhnen.
Dabei kann die Aufführung eines etwas schwierigeren, jedoch kompositorisch untadeligen zeitgenössischen Werkes den dramaturgischen Anteil der Herausforderung übernehmen. Bescheidenheit und Hochachtung vor dem Fremden hingegen sollten bei Aufführungen von Popular-Musik anderer und ferner Dialekte im Vordergrund stehen und stattdessen großzügig der Platz für eine liebevolle Zuwendung zur eigenen Musiktradition und zur eigenen Volks- und Unterhaltungsmusik freigehalten werden.

Bleibt nur noch zu sagen, dass fast mehr als die Qualität eines Orchesters und die Qualität seines Dirigenten die kluge Dramaturgie über den Erfolg eines Konzertabends entscheidet. Leider wird dies viel zu oft vergessen und auch viel zu wenig bei der Ausbildung von Musikern und Dirigenten berücksichtigt.

PS:
Bereits nach Erscheinen des 1. Teils meiner Überlegungen wurde ich darauf angesprochen, dass ich mit meiner Kritik an der Programmgestaltung von avancierten Blasorchestern und ihren Dirigenten wohl nur meinen Nachfolger bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten Bernhard Schlögl mit seinem Symphonischen Blasorchester Tirol gemeint haben könne. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, dass dem nicht so ist! Ich bin dankbar und stolz, in Bernhard Schlögl nicht nur einen hervorragenden Nachfolger für die Innsbrucker Promenadenkonzerte, sondern in ihm auch einen Freund gefunden zu haben. Das Ziel seiner Bemühungen und des von ihm aufgebauten Orchesters war es bislang, durch das Einstudieren schwieriger Werke die Spielfreude seiner Musikerinnen und Musiker herauszufordern und damit Wettbewerbe zu gewinnen, was gerade unlängst in Kerkrade in den Niederlanden sehr eindrucksvoll gelang. Der Dienst am Publikum stand bislang somit weniger im Zentrum der künstlerischen Bemühungen. Sollte dies in Zukunft der Fall sein, werden auch Bernhard Schlögl und sein Orchester an den hier angestellten Überlegungen nicht vorbeikommen, wobei ich mich außerordentlich freuen würde, wenn ein so exzellenter und kundiger Dirigent und derart exzellente Musikerinnen und Musiker sich mit all ihrem Engagement dem Bestand der altösterreichischen Musik mit der gleichen Liebe zuwenden würden, wie sie es bisher bei hochkomplexen Wertungsspielstücken getan haben.



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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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