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Thomas Nußbaumer:
Das 7. Symphoniekonzert des
Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck
unter dem Motto
"klassisch - romantisch"
mit einem virtuosen Oboisten als Dirigenten

Wenn nach dem ersten Satz eines mehrsätzigen Werks applaudiert wird, kann dies Ausdruck einer euphorischen Begeisterung oder ein Zeichen von mangelnder Konzerterfahrung sein. Beim Innsbrucker Gastspiel von François Leleux, dem international gefeierten Oboisten, Dirigenten und Professor an der Musikhochschule München, traten beide Fälle ein.

François Leleux am Pult François Leleux am Pult

Der Franzose faszinierte im 7. Symphoniekonzert des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck als Solist und Dirigent in Personalunion bei der Wiedergabe von Ignaz Malzats Konzert für Oboe und Orchester – und da klatschte man nach dem ersten Satz sehr laut und lange – und beeindruckte als Dirigent mit zwei Werken von Johannes Brahms, der Akademischen Festouvertüre in c-Moll (op. 80) und der Symphonie Nr. 1 (op. 68), ebenfalls in c-Moll – und bei Letzterer klatschte man hinein, weil im Programmheft die Satzbezeichnungen nicht angeführt waren und manche offenbar nicht wussten, dass das Werk aus vier Sätzen besteht.

Doch zurück zur hohen künstlerischen Qualität des Abends. Schon bei der Vorführung der prägnanten Akademischen Festouvertüre, mit der sich Brahms im Jahr 1880 für die Ehrendoktorwürde der Universität Breslau bedankte, spürte man, dass dieser Konzertabend ein besonderer werden kann.

]Musiker*innen des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck Musiker*innen des Tiroler Symphonieorchesters Innsbruck

Leleux am Pult leitete die Musik in ein organisches Fluidum, das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck folgte seiner eleganten Zeichengebung mit spürbarer Begeisterung und erfreute sich wohl auch selbst der beiden Ohrwürmer, die aus der anfangs geheimnisvoll dräuenden Klanglichkeit dieses Festwerks aufstiegen, nämlich der studentischen Lieder Wir hatten gebaut ein stattliches Haus und Gaudeamus igitur.

Ignaz Malzats Oboenkonzert, das lange Zeit fälschlicherweise Joseph Haydn zugeschrieben wurde – man vermutet dahinter den Trick eines Verlegers im 19. Jahrhundert, der durch das falsche Namensetikett die Verkaufszahlen der Partitur steigern wollte – ist bekanntermaßen ein Paradestück von Leleux auf den internationalen Bühnen und es gibt davon Einspielungen und Aufnahmen.

François Leleux leitet das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck François Leleux leitet das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck

Doch live zu erleben, mit welch großer Raffinesse, hintergründigem Witz und erstaunlicher Technik er das dreisätzige Werk in C-Dur zelebriert, bedeutet gegenüber jeglicher Aufzeichnung eine Steigerung des Hörgenusses.

Denn auch visuell ist François Leleux eine beeindruckende Erscheinung, indem er am Dirigentenpult und zugleich an der Oboe mit dem Orchester in vielfältige Dialogsituationen eintritt, da und dort durch Zuwendung und auffordernde Blicke Impulse setzt und gelegentlich mit einer markanten Geste oder nur einer einzigen energischen Kopfbewegung mitten im Spiel Einsätze vermittelt.

[cFrançois Leleux an der Oboe
François Leleux an der Oboe

Wahre Musikalität erkennt man oft an der Gestaltung lyrischer musikalischer Sätze, und so ist bei Leleux die Interpretation des Andante-Satzes von Malzat – ebenso wie die Darbietung des Tanzes der gesegneten Geister aus Glucks Orpheus und Eurydike als Zugabe – Ausdruck höchster Poesie und Vollendung. Das Orchester auch hier: einfühlsam, engagiert, kongenial.

Nach der Pause dann die monumentale Symphonie Nr. 1 von Brahms, bei der man zunächst nicht weiß, ob es sich um ein Spätwerk des symphonischen Stils in der Beethoven-Nachfolge oder um einen Aufbruch in neue Klangwelten handelt.

Letztere jedoch überwiegen, besonders in den Binnensätzen und ebenso im Schlusssatz, von dessen epischer, romantischer Breite man förmlich mitgeschwemmt wird.

François Leleux: Applaus für den großartigen Oboisten François Leleux: Applaus für den großartigen Oboisten

Das Werk entspricht in seiner Zwiespältigkeit – hier spätklassische Motorik, Klangbilder und Zitatanklänge an Beethovens Fünfte, Neunte und Fidelio, dort schon die romantische Ausuferung in einer neuen musikalischen Sprache – übrigens perfekt dem Motto des Konzerts, das mit klassisch-romantisch überschrieben war.

Das Orchester lief unter Leleux’ einfallsreicher, klar strukturierender und technisch makelloser Leitung zu – man darf sagen: gewohnter – Hochform auf. Das Konzert wird heute (Freitag, 26.5.) um 20 Uhr im Congress Innsbruck wiederholt.

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Thomas Nußbaumer

Thomas Nußbaumer ( geb.1966 in Hall in Tirol) ist ein österreichischer Musikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Volksmusikforschung / Ethnomusikologie. Nußbaumer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Innsbrucker Sitz der Universität Mozarteum Salzburg, Abteilung für Musikwissenschaft, Abteilungsbereich Musikalische Volkskunde, seit 2010 als Universitätsdozent für Volksmusikforschung. Daneben arbeitet er als freier Kulturjournalist.

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