Thomas Nußbaumer
Monteverdis „Marienvesper“
in der Innsbrucker Hofkirche
Ein neues und beachtenswertes Projekt feierte am Freitag Abend seine fulminante Premiere in der Innsbrucker Hofkirche: die „Innsbrucker Hofmusik“, begründet von Franz Gratl, Kustos der Musikabteilung der Tiroler Landesmuseen, und dem jungen Südtiroler Kirchenmusiker Marian Polin als künstlerischer Leiter.
Dargeboten wurde im ersten Konzert, dem im Verlauf der kommenden zwölf Monate acht weitere Konzerte folgen werden, mit Claudio Monteverdis „Marienvesper“ (1610) ein Schlüsselwerk der sakralen Renaissancemusik, wobei auf eine einzigartige Weise die Kirche als Klangraum genutzt wurde.
Mitglieder der Innsbrucker Hofmusik auf der Empore
Vorweg darf gesagt werden, dass diese von Marian Polin geleitete Aufführung den höchsten Standards der Aufführungspraxis Alter Musik gerecht wurde.
Die dafür engagierten und von Polin ausgewählten jungen Musikerinnen und Musiker sind international gefragte Spezialistinnen und Spezialisten für die Musik des 16. bis 18. Jahrhunderts und teilweise Mitglieder von Polins Ensemble „La florida Capella“, also aufeinander eingespielt.
Trotz prinzipiell solistischer Besetzung groß und klangfarbenreich verteilte sich das Orchester im Chor der Hofkirche auf dem Lettner, auf verschiedenen Balkonen und der Kanzel der Ebert-Orgel und war für das Publikum des ausverkauften Konzerts weitgehend unsichtbar.
Drei Zinken (für dieses und die kommenden Konzerte der Innsbrucker Hofmusik extra angefertigt nach dem Vorbild der Zinken auf Schloss Ambras), drei Posaunen, je zwei Violinen, Violen, dazu je eine Viola da gamba, Lirone, Traversflöte und in der Bassgruppe die Instrumente Violone, Contrabasso di Viola, Harfe und Theorbe bildeten die Ergänzung zu einem stimmlich perfekt ausgewogenen, neunköpfigen Chor, deren Sängerinnen und Sänger auch in den Soli und Duetten ungemein beeindruckten.
Nicht unerwähnt bleiben darf die zentrale Rolle der Ebert-Orgel, dieses Glanzstück der Hofkirche aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, die abwechselnd mit einem Orgelpositiv eingesetzt wurde und die Klangfülle verstärkte oder spektakuläre Kontraste schuf.
Monteverdis „Marienvesper“ besteht aus einem Invitatorium, fünf Psalmen, einem Hymnus, einem Magnificat und vier sogenannten „Concerti“ – musikalische Nummern, die textlich einerseits aus dem Hohelied der Liebe schöpfen und andererseits eine Besetzungsbandbreite von Sechsstimmigkeit bis hin zu doppelchöriger Zweistimmigkeit zulassen, die auch hinsichtlich der Instrumentalbesetzung variabel ist.
Polin nützte die Möglichkeiten des Arrangements mit Fantasie und schuf ein Spektrum, das vom Sologesang mit Theorbe bis hin zum vollen Apparat reicht.
Dass hier ein Werk vorliegt, in dem Monteverdi traditionelle Kompositionstechniken mit dem damals modernen „Stile nouvo“ verband, tritt aus Polins Interpretation klar hervor. Die zwischen den Psalmen zu hörenden Antiphonen stammten nicht von Monteverdi, sondern – und das ist Polin und Gratl hoch anzurechnen – aus der rekonstruierten Tradition des sogenannten Barockchorals, den Ästhetizisten späterer Zeiten als „verderbt“ und uninteressant einstuften, der aber für heutige Ohren spannend und vital klingt.
In der Mitte Marian Polin, Leiter der Innsbrucker Hofkmusik
Die Nummern der „Marienvesper“ wurden in einem großen Bogen musiziert und in höchster Eleganz vorgetragen. Der „Innsbrucker Hofmusik“ gelang es, eine unvergleichliche Atmosphäre zu schaffen, die auch durch eine kurze Unterbrechung, verursacht von einem auf der Straße vorbeiziehenden Demonstrationszug, nicht zerstört wurde.
Mitglieder der Innsbrucker Hofmusik an der Ebert-Orgel
Fasziniert lauschte man der für Monteverdis Motettenkunst so typischen extremen Textausdeutung und erfuhr ein seltenes Klangerlebnis, dessen Authentizität im Sinne historisch orientierter Aufführungspraxis auch dadurch unterstrichen wurde, dass sich Monteverdi ja nachweislich in Innsbruck aufhielt und am Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum sein berühmtestes Bildnis zu sehen ist.
Fotos: Reinhold Sigl
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