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Josef Christian Aigner
Zwischen Präpotenz und Peinlichkeit
Die alten Männer in der ÖVP
Notizen

Der elendigliche Bauchfleck des zum ÖVP-Spitzenkandidaten gehievten Florian Tursky bei der Innsbrucker Gemeinderatswahl verdeckt einiges: Schuld an dieser Blamage sind neben der krassen Fehleinschätzung durch die Tiroler ÖVP unter LH Mattle vor allem die Altvorderen, die den jungen Mann in diese Sackgasse gelockt haben. 

Sie meinen nämlich, immer noch am besten zu wissen, was der Partei (und ganz Österreich) gut tut. Ist schon der jugendliche Messias Sebastian Kurz, der auch auf ihr Konto geht, gescheitert, so wollen jetzt ÖVP-Urgesteine wie Wolfgang Schüssel für den Bund und Herwig van Staa für die Region selbst der ÖVP den Weg weisen. Ein weiterer alter ÖVPler, der unverständlicher Weise immer noch als Pächter konservativer Weisheit in die Fernsehstudios geladen wird, ist Andreas Khol, der bei der Bundespräsidentenwahl seinerseits krachend durchgefallen ist und sich dennoch anschickt, politische Klugheiten zu allem und jedem (vor allem immer noch zu den Qualitäten des Herrn Kurz) von sich zu geben. Er wenigstens blieb Florian Tursky – obwohl Innsbrucker – weitgehend erspart.

Allein schon das Vorhaben der Erfinder dieses Wahlbündnisses, unter dem Slogan Neues Innsbruck eine politisch alt-(aus-?)gediente Altbürgermeisterin (noch dazu als Loserin der letzten Bürgermeister-Stichwahl) auf Platz zwei zu setzen und mit dem Seniorenbund als auch nicht gerade neuem Stimmenfänger in den Wahlkampf zu ziehen, ist an Einfalt kaum zu überbieten. 

Dass man mit dieser Vereinigung dreier Gruppierungen dann weniger Stimmen holt als das alte Für Innsbruck 2018, bedarf keines weiteren Kommentars – außer dass offenbar die überhebliche Selbstgewissheit gewisser schwarzer Kreise solchen Unsinn gar nicht erst bemerkt.

Die Peinlichkeit, die die alten Herrn boten, fand dann am Wahlabend gleich bruchlos ihre Fortsetzung mit der mehr als doppelbödigen, ja verlogenen Stichwahlempfehlung van Staas für den vorher als unbrauchbar abgeschossenen Johannes Anzengruber: vor wenigen Stunden wurde noch vor ihm gewarnt, weil er eine koalitionäre Neigung zum bösen linken Willi habe, und dann biedert man sich auf diese wirklich anstandslose Art an ihn als Wahlsieger an. Geht’s noch?

Ich bin auch schon ein älterer Herr, aber bei Leuten wie den Genannten und ihren präpotenten Weisheiten, die sie der nächsten Politiker-Generation ihrer Partei überstülpen, denk ich mir nur: so möcht‘ ich einmal nicht werden! 

Freilich sollen jene, die sich das überstülpen lassen, nicht exkulpiert werden: auch ihr Mitspielen zeigt den dringend notwendigen personellen Neuaufstellungsbedarf einer Partei, die die Mitte bilden will und doch immer mehr nach rechts tendiert und – verliert.

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Josef Christian Aigner

Geboren am 5.10.1953 in Grieskirchen, Oberösterreich. Matura am Stiftsgymnasium Kremsmünster, Studium der Psychologie und Pädagogik an der Universität Salzburg. 1982-1994 als Psychologe und Universitätsassistent in Bregenz tätig. Dann Wechsel an die Universität Innsbruck, Habilitation im Jahr 2000; Berufung zum Professor für psychoanalytische Pädagogik an der Universität Innsbruck 2005. Verheiratet, zwei erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder.

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