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Ronald Weinberger
Reise-Impressionen: China, Taiwan, Singapur
3. Teil:
Streifzüge durch das städtische China

Es fiele mir nicht schwer, die von uns im Laufe der Jahre besuchten Städte aufzuzählen: Beijing (= Peking), Changchun, Dali, Dalian, … Guangzhou, Jinan, Kunming, Nanning, … Qingdao, Shanghai, Xi’an, Yantai … und viele mehr. Bloß: wozu? Eine Aufzählung alleine bringt wenig und dürfte allenfalls Missbehagen beim Leser auslösen. Daher will ich gemeinsame Merkmale herausgreifen, so sie mir ins Auge stachen, einigen Städten indes dennoch jeweils ein paar Sätze widmen.

Anfangs zur Megastadt und dem Herzen Chinas, der Hauptstadt Beijing (ausgesprochen be-i-tsching), von uns Peking genannt. Laut englischsprachiger Wikipedia, die man, was China betrifft, aus Gründen der besseren Aktualität der deutschsprachigen Version stets vorziehen möge, ein Schmelztiegel von nicht nur 21 Millionen Einwohnern, sondern unzähligen Örtlichkeiten, Gebäuden und Gebäudekomplexen, die der Verwaltung, dem Sport, der Wissenschaft, Kunst, Kultur und so weiter und so fort gewidmet sind. Erwartbares, sozusagen. Beijing verfügt aber auch über die berühmte, überaus sehenswerte, einzigartige Palastanlage namens Verbotene Stadt.

Über Beijing, das wir mehr als ein Dutzend Mal besucht haben, wird hierzulande freilich häufig vor allem dann, etwa im Fernsehen, berichtet, wenn es wieder einmal als Heimstätte einer schreckenerregenden Luftverschmutzung fungiert. Glücklicherweise haben wir derlei kein einziges Mal erleben – heißt inhalieren müssen; einen selbst von den Innenbezirken Beijings aus gut sichtbaren blauen Himmel durften wir hingegen mehrmals bewundern. In den übrigen Fällen herrschte Regen oder eine leichte Diesigkeit, die bekanntlich vielen Großstädten eigen ist.

Der Grund für unser „Glück“ ist rasch erklärt: Wir vermieden es, in der Heizperiode, in der es in Beijing empfindlich kalt werden kann und Winde aus dem Norden und Nordwesten nicht nur Sand und Staub, sondern auch die Abgase etlicher Kohlekraftwerke in die Stadt drücken, hierher zu kommen. Auf Dauer oder auch längere Zeit hier leben möchte ich nicht, denn eine Stippvisite aufs Land wäre in dieser Stadt mit ihrer kolossalen Größe schier unmöglich.

Auf nach Qingdao! Qingdao, die seit 2009 zur lebenswertesten Stadt Chinas gewählte Hafenmetropole mit ihren 10 Millionen Einwohnern, ist einen Umweg wert. Wir genossen eine von einer Stadträtin angeführte Sonderführung durch die bemerkenswerte, aufwendig restaurierte und schmucke Altstadt. Eine Reihe von Gebäuden erweckte in mir eine gewisse Vertrautheit. Kein Wunder, war doch diese Stadt die einzige deutsche Kolonie (1898 – 1914) in Fernost. Offenbar hatten sich die Deutschen dort einen Respekt erworben, der bis heute nachwirkt, denn die Frau Stadträtin wurde nicht müde zu betonen, wie sehr man die Deutschen und ihr damaliges wie heutiges Wirken hoch einschätze.

Nun muss man dazu wissen, dass – mit bleibenden Folgen – die Deutschen dort ihre Bierbraukunst implementiert hatten. Sollten Sie zuhause in einem chinesischen Restaurant chinesisches Bier bestellen, werden Sie fast immer ein „Tsingtao“ erhalten. Es stammt von hier und hat deutsche Wurzeln. Da wir gerade beim dortigen Bier sind: Das mit Abstand größte Bierfest in Asien, das jeweils im August stattfindende Qingdao International Beer Festival, ein riesiges, dem Münchner Oktoberfest nachempfundenes Spektakel, lockte 2020 (2020! Sie lesen richtig!) sage und schreibe mehrere Millionen Besucher an, wobei der in China bereits überstandenen Pandemie wegen weniger Besucher zugelassen wurden. Kurz und gut: In dieser ziemlich schönen Stadt könnte ich gerne eine Zeit lang leben. Prost!

Mehr als 1.500 km von Qingdao entfernt, unweit der vietnamesischen Grenze (160 km), liegt die erste „Grüne Stadt“ mit ihren 7 Millionen Bewohnern aus über 30 der 56 Nationalitäten des heutigen „Reiches der Mitte“, Nanning. Das Wort „grün“ hat bei dieser Stadt eine doppelte Bedeutung: Sie ist eingebettet in, teils aber auch durchdrungen von subtropischem Grün.

Die Stadtoberen haben zudem schon vor einer Reihe von Jahren den Radverkehr extrem forciert. An zahlreichen Plätzen sind Abstellplätze für die bunten Stadtfahrräder eingerichtet, und insbesondere die vielen Studenten nützen offensichtlich das üppige Angebot eifrig. Mit ein Grund dafür: Benutzt man ein Fahrrad längere Zeit am Stück, werden einem Bonuspunkte, mithin eine in Geld umsetzbare Gratifikation überwiesen!

Übrigens war der Anlass für unsere Besuche in Nanning ein nettes chinesisches Ärzte-Ehepaar, das bis zur Pandemie seit vielen Jahren jeweils mehrere Monate im Jahr in Innsbruck traditionelle chinesische Medizin, insbesondere Akupunktur und Massagen praktiziert hatte. Diese bei ausländischen Touristen kaum bekannte, nach Umweltstandards ziemlich reine und ansehnliche Stadt verdient viel mehr touristische Beachtung.

Die gemeinsamen Merkmale fast aller von uns besuchten chinesischen (Groß)städte, zumindest in den weit ausgedehnten, die Altstädte umschließenden Gebieten: Sehr viele moderne, meist hohe Gebäude, auffallend viel Grün und Blumen sowie blühende Sträucher, und eine beinahe enervierend ausgeprägte Sauberkeit allenthalben, für die zahlreiches Reinigungs- und gärtnerisches Personal, aber auch eine längst zur extremen Sauberkeit angehaltene und animierte Bevölkerung sorgen.

Zur Sauberkeit zählt, dass die bei uns häufigen Wandschmierereien fehlen. Zudem sind längst zweirädrige motorisierte Fahrzeuge auf Elektroantrieb umgestellt, was sich naturgemäß auf den städtischen Lärmpegel und die Luftverschmutzung positiv auswirkt. Chinesische Städte können folglich durchaus als lebenswert bezeichnet werden, mit einem großen ABER, wobei dieses „aber“ freilich kaum von Chinesen – so las ich vor einiger Zeit in einem bei uns erschienenen Artikel – geteilt werden würde: nicht eben wenige Kameras! Für viele von uns Westlern ein Beleg für Überwachung. Für die große Mehrheit der Chinesen Beweis für von den Behörden garantierte Sicherheit vor kriminellen und anderem „übelwollendem Gelichter“.

In Folge 4 möchte ich auf das Ländliche in China eingehen, wobei Hinweise auf einige der zahllosen landschaftlichen Juwele nicht fehlen dürfen. Und was die Schilderungen des Landlebens angeht, so werden wir anschließend an Selbstwertgefühl zulegen können. Das haben wir ja nunmehr einigermaßen nötig, nicht wahr?

Fortsetzung 4. Teil am Donnerstag 22. Juli 2021

Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

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