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Literarische Korrespondenz:
Ronald Weinberger an Gerda Walton
Betrifft:
Normalverschmutzer!

Werte Frau Walton!

Sie haben ja im Grunde so recht – und Beiträge wie der Ihre machen einige von uns zweifellos nachdenklich, ein paar andere dürften motiviert werden, dem „Grün“ und/oder den Bienen & Co., ja der Natur überhaupt, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Abgesehen davon tut es einfach gut zu erfahren, dass sich Menschen wie Sie aktiv einbringen, die „Welt“ eine Spur lebenswerter zu erhalten bzw. zu gestalten.

Kurzum, Ihren Bemühungen gebührt Dank und Anerkennung. Bloß: Es schadet nicht, den Realitäten ins Auge zu blicken. Und, auch wenn dies dystopisch ankommt, einfach wahrzunehmen, dass der „homo sapiens“, seit jeher und wohl auch in Zukunft, viel eher als ein „homo destructans“ zu begreifen ist.

Wir existieren, als „homo sapiens“ in überhöhender Eigendefinition, erst seit etwa 300.000 Jahren auf diesem Planeten. Diese für „Otto und Resi Normalverschmutzer“ unfassbar lang erscheinende Zeitspanne ist, vom Alter der Erde (ca. 4 ½ Milliarden Jahre) her besehen, freilich beinahe vernachlässigbar kurz: ein Fünfzehntausendstel!

Die Erde wird sich – jetzt kommt der Astronom in mir zum Vorschein – in knapp über 7 Milliarden Jahren ab jetzt wegen der enormen Größenzunahme der Sonne in einen heißen Gasschwaden, aber bereits etliche Milliarden Jahre vor ihrer endgültigen Auflösung an ihrer Oberfläche in einen Glutofen verwandelt haben.

Weshalb erwähne ich das? Weil wir wohl hier und jetzt leben, lieben, hegen, und insbesondere kaputt machen, aber mehr Verständnis plus Wissen hinsichtlich der kosmischen Prozesse haben sollten, die das Leben auf diesem Planeten befördert haben und dieses schlussendlich auch gänzlich auslöschen werden.

Apropos auslöschen. Der „homo sapiens“ hat, in einem Bruchteil seiner dreihunderttausendjährigen Existenz, genauer gesagt vor allem in den lächerlich kurzen letzten 1 ½ Jahrhunderten, diese Erde und fast alles auf ihr, ob belebt oder unbelebt, derart geschunden, zum Verschwinden gebracht bzw. devastiert, dass man ihm nur Eines wünschen könnte bzw. sollte:

„Verschwinde endlich aus dem Kosmos! Bringe Dich um, ob per Klimakatastrophe, Kriege, Krankheiten, einer Kombination davon, oder … Du hast es nicht länger verdient, in diesem Bereich des Universums, auf diesem Himmelskörper, zu existieren, da Du ihn vehement schändest“.

Die Chancen stehen ziemlich gut, dass dieser Wunsch in nicht allzu ferner Zukunft Realität wird. Leider wird die Menschheit bei einem derartigen Abgang von der kosmischen Bühne noch unendlich viel anderes Leben mitauslöschen.

ABER, soweit man heute abschätzen kann: Viel Grün wird dennoch überleben – und insbesondere auch die Insekten. Die von Ihnen, Frau Walton, zu Recht geliebten Bienen und deren nahe und ferne Verwandte werden aller Voraussicht nach dann, für sehr lange Zeit, auf einer Erde weilen können, auf der sich nach einer gewissen Zeit ganz und gar der Natur gemäße Prozesse wieder werden eingependelt haben. Nichts wird dann mehr an die unselige Ära erinnern, in der aufgrund einer Laune der Natur Wesen existierten, die vor allem Eines, aber dies mit hohem Geschick, konnten: zerstören.

Um einen Bogen zum Beginn meiner Ausführungen zu schlagen: Dystopische Szenarien, selbst wenn sie wahrscheinlich sind, müssen nicht zwangsläufig eintreten oder können eventuell verschoben werden. Mögen die dankenswerten Aktivitäten und Ideen von Ihnen, sehr geehrte Frau Walton, und von Ihresgleichen zu einem namhaften Aufschub beitragen!

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Ronald Weinberger

Ronald Weinberger, Astronom und Schriftsteller, 1948 im oberösterreichischen Bad Schallerbach geboren, war von 1973 bis 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg. Von 1977 bis zum Pensionsantritt im Dezember 2011 war Weinberger an der Universität Innsbruck am Institut für Astronomie (heute Institut für Astro- und Teilchenphysik) als Fachastronom tätig. Als Schriftsteller verfasst Weinberger humorvolle Kurzgedichte und Aphorismen, aber auch mehrere Sachbücher hat er in seinem literarischen Gepäck: Seine beiden letzten Bücher erschienen 2022 im Verlag Hannes Hofinger, im Februar das mit schrägem Humor punktende Werk "Irrlichternde Gedichte" und im September das Sachbuch „Die Astronomie und der liebe Gott“ mit dem ironischen, aber womöglich zutreffenden, Untertitel „Sündige Gedanken eines vormaligen Naturwissenschaftlers“.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Brigitte Kreisl-Walch

    Die gefährlichste Bedrohung des Planeten Erde sind zweifellos die Menschen. Primaten, die es ins Anthropozän geschafft haben und damit wahrscheinlich die Endzeit eingeläutet haben🤔

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