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Literarische Korrespondenz:
Leonhard Steiger
an den Vorstand des Tiroler Gemeindeverbandes
Betrifft:
Zensur wichtiger Daten
im Hinblick auf die illegale Übertragung
von Gemeindegut

Sg. Herr Geschäftsführer, Herr Präsident,
werte Vorstandsmitglieder!

Die Sperre des Zugriffs auf die Gemeindedaten auf der Homepage des TGV ist ein unverständlicher Anschlag auf die Transparenz bezüglich des historischen Umgangs mit dem Gemeindegut in Tirol! 

Jedermann, vor allem auch die Bürgermeister und Gemeinderäte, konnte sich mit ein paar Klicks informieren, wohin ihr Gemeindegut durch Regulierungsmaßnahmen gekommen ist und wie es derzeit darum steht. (Die Übertragung des Gemeindeguts auf Agrargemeinschaften war verfassungswidrig!)

Wie Herr Präsident Schubert gegenüber dem Gemeindemagazin public bekannt gab, sollen diese Daten in Hinkunft nur mehr Interessierten zur Verfügung gestellt werden.

Dieser Beschluss würde einen gewaltigen Informationsverlust für alle Tiroler aber besonders auch für viele Gemeinden bedeuten.


Dazu folgendes:

Aufgrund der Beantwortung einer Landtagsanfrage durch LHStv. Geisler, Aktenzahl 352/2019, weiß man, dass

1. 250 Agrargemeinschaften(AG) von der Agrarbehörde(AB) als Gemeindegutsagrargemeinschaften (GGAG) festgestellt wurden.

2. Bei weiteren ca. 50 AG wurde festgestellt, dass kein Gemeindegut vorliege, da die entsprechenden Grundstücke nie im Eigentum der Gemeinde gestanden wären. Bei genauerer Überprüfung – durch Einschau in die vom TGV erhobenen und jetzt stillgelegten Gemeindedaten – konnte man feststellen , dass bei der Grundbuchsanlegung sehr wohl die Gemeinde bzw. ein Gemeindeteil als Eigentümer im Grundbuch stand; und dies bis zum Zeitpunkt der Regulierung

Diese Feststellungsbescheide (es sei kein Gemeindegut, weil vormals nicht im Eigentum der Gemeinde) sind sämtliche faktenwidrig. Die klaren Vorgaben der Grundbuchsanlegungsverordnung, die peinlichst eingehalten wurden, sind offensichtlich von der AB ignoriert worden.

3. Bei weiteren ca. 50 AG wurde von der AB festgestellt, dass kein Gemeindegut vorläge, da eine Hauptteilung stattgefunden hätte. Bei genauerer Überprüfung stellt man fest, dass bei keiner einzigen dieser behaupteten Hauptteilungen die im TFLG (Flurverfassungsgesetz) vorgeschriebenen Verfahrensschritte eingehalten wurden. 

So wurde keine einzige Gemeinde entsprechend ihrer eingebrachten Rechte und Vermögenswerte mit unbelasteten Grundstücken abgefunden. Sämtliche dbzg. Hauptteilungen sind die Überschrift nicht wert und müssen als gesetzwidrig angesehen werden. Das Gemeindegut ist dadurch nie untergegangen! Auch das ließ sich einfach aus den vom TGV nun gesperrten Gemeindedaten ablesen! Es handelt sich dabei teilweise um recht prominente Agrargemeinschaften.

Aus den vom TGV erhobenen Gemeindedaten ergibt sich, dass insgesamt mindestens 410 AG aus Gemeindegut hervorgegangen sind. ( Das deckt sich im übrigen mit den seinerzeitigen Angaben von LR Anna Hosp und von LH vonStaa.)
Aus der Zusammenschau dieser Zahlen ( 410 AG insgesamt; aber nur ca 350 von der AB offiziell benannt (LT 352/2019), muss man feststellen, dass es noch mindestens 60 AG gibt, die aus Gemeindegut hervorgegangen sind, aber bis jetzt noch nicht von der Agrarbehörde benannt bzw. enttarnt wurden. Auch die davon betroffenen Gemeinden haben sich – wahrscheinlich aus Unwissenheit – bis jetzt nicht zu Wort gemeldet.

Wenn der TGV nun plant, die von ihm penibelst genau erhobenen Gemeindedaten nur mehr jenen zur Verfügung zu stellen, die daran Interesse haben, so schließt er all jene Gemeinden und auch deren Bürger von diesen wichtigen Informationen aus, auf deren Gemeindegbiet eine noch nicht enttarnte GGAG (Gemeindegutsagrargemeinschaft) besteht bzw. eine Agrargemeinschaft, die durch fakten- bzw. gesetzwidrige Feststellungsbescheide als Nicht Gemeindegut deklariert wurden. Woher sollten diese Gemeinden und deren Bürger das wissen wenn nicht aus den Gemeindedaten?

Aus den angeführten Gründen muss ich also vor der neuen Lösung eindringlich warnen. Für die bestehenden GGAG sind diese Daten beinahe wertlos, da dort ja – bis auf weiteres – alles geregelt ist, d.h. der Substanzwert verfassungstreu den Gemeinden zugeordnet ist.

Für alle anderen Gemeinden, die noch um ihr u.U. rechtswidrig entzogenes Eigentum kämpfen müssen ( wollen), sind diese in den Grundbüchern aufwendig erhobenen Daten jedoch unverzichtbar; gar nicht unbedingt heute aber möglicherweise – bei geänderten Rahmenbedingungen – in Zukunft!

Nachdem der TGV die Interessen aller Tiroler Gemeinden vertreten muss und gerade beim Gemeindegut noch vieles im Argen liegt, kann die Entscheidung nur lauten : Die Gemeindedaten werden wiederum für jedermann zugänglich auf der Homepage des Gemeindeverbandes zur Verfügung gestellt.

Die TGV-Studie wurde gerade deshalb in Auftrag gegeben, weil das Land nicht an einer vollständigen Aufklärung dieses Skandals interessiert war, sondern dies vielmehr hintertrieben hat und noch immer hintertreibt und keineswegs davon gesprochen werden kann, dass in allen betroffenen Gemeinden eine Wiedergutmachung stattgefunden hat. Genau für diese betroffenen aber unwissenden Gemeinden und deren Vertreter ist es wichtig zu wissen, was mit ihrem Gemeindegut passiert ist!

Im Übrigen geht es um das Vermögen der Bevölkerung, die das Recht hat, zu wissen, was damit angestellt wurde und wer heute daraus die Profite zieht.

Und zuletzt sei auf die Beschlussfassung des Informationsfreiheitsgesetzes zu verweisen. Auch wenn das erst 2025 gilt, ist es höchst eigenartig, wenn der TGV Daten, die jahrelang für jedermann zugänglich waren, nun nur mehr einem ausgewählten Kreis zur Verfügung stellen möchte!

Was die Servicierungskosten dieser Dateien bei der Firma General Solutions angeht – diese wurden ja als Argument für die Sperre der Gemeindedaten auf der Homepage angeführt – so können diese bei etwas abgespeckten Zugriffsmöglichkeiten, aber ohne Informationsverlust, merklich gesenkt werden. 

Dies hat sich aus meinem Gespräch mit Florian Falkner, Fa. GS ergeben und ist auch dem TGV bekannt. Damit können meiner Meinung nach die hohen Servicekosten – als Argument für die Abschaltung des Zugriffes auf die Gemeindedaten – nicht mehr angeführt werden!

Sollte der TGV konkrete Unterlagen (Übersichten) zu den oben angeführten Aussagen benötigen, so können wir diese gerne rasch zur Verfügung stellen. Im übrigen sind sie auf der Homepage des Vereins Gemeindeland in Gemeindehand (www.agrarpapers.tirol) beschrieben und einsehbar.

Stets um das Gemeindegut besorgt (dies gehört indirekt allen Tirolern)
mit besten Grüßen

DI Leonhard Steiger
Obm. Verein: Gemeindeland in Gemeindehand



Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Robert Muskat

    Ich finde es faszinierend, dass es, obwohl alles bis ins kleinste Detail juristisch geregelt zu sein scheint, immer noch keine Möglichkeit gibt, den Agrargemeinschaften das Handwerk zu legen. Liegt es am Ende daran, dass der Bauernbund das alleinige Sagen in Tirol und der Tiroler ÖVP hat? Hat es seinerzeit nicht geheißen, dass den Bauern nur Nutzungsrechte für den Eigenbedarf zustehen, die Grundstücke aber eindeutig weiter den Gemeinden gehören? Ist das zweideutig oder muss das erst in ewig langen Rechtsstreitigkeiten ausjudizert werden?

  2. Dr. Hermann Arnold

    Was von Anfang an fehlerhaft war (= Übertragung des Eigentums am Gemeindegut an die Agrargemeinschaften ) kann durch Zeitablauf nicht fehlerfrei werden!
    Das Eigentum gehört den Gemeinden, so eindeutig der Verfassungsgerichtshof.
    Substanzverwaltung ist entbehrlich und unnotwendiger Bürokratismus!
    Die Landhausjuristen -auch ich – haben sich geirrt und sind wie die Politiker gehalten das Unrecht zu korrigieren.
    Dass der Gemeindeverband Informationen zurückhalten will, spricht nicht für den Inhalt seines Zweckes.

  3. Günther HYE

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    man kann Ihnen gar nicht genug danken, dass Sie im Blog, aber auch in Ihren TT-Beiträgen immer wieder auf das bis heute ungelöste Problem der – offenkundig verfassungswidrigen – Gemeindegutsregulierungen hinweisen. Deshalb darf ich Sie auf die aktuelle Ausgabe von „Public-Das Gemeindemagazin“ hinweisen, das einen Schwerpunkt zu diesem Thema enthält.
    Besonders interessant finde ich den Beitrag auf Seite 16 des neuen Präsidenten des Tiroler Gemeindeverbandes (TGV), Karl-Josef Schubert, der sich ausdrücklich für die Rückführung des Gemeindeguts an die Gemeinden ausspricht und auf das diesbezügliche TGV-Positionspapier an die Landesregierung verweist. Wer, wenn nicht der Gemeindeverband und seine Führung müssen in dieser Sache vorangehen? Allerdings scheinen dies nur Lippenbekenntnisse zu sein. Tatsächlich wird eher gegen die Gemeinden gearbeitet. So wurde der Zugang zur Studie auf der TGV-Homepage gesperrt, die im Auftrag des früheren TGV-Präsidenten Ernst Schöpf erstellt wurde, und aus der jeder Interessierte, insbesondere aber Bürgermeister und Gemeinderäte ersehen konnten, ob seine Gemeinde von diesem Skandal betroffen war und wieviel an Grundstücken und Wäldern an Agrargemeinschaften verschoben wurden. Weiter konnten historische und aktuelle Unterlagen, wie Grundbuchsauszüge etc., eingesehen und heruntergeladen werden. Das hat Schubert – als eine der ersten Maßnahmen nach seiner Wahl – abgestellt!
    Mit freundlichen Grüßen!

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