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Literarische Korrespondenz:
Andreas Braun an die Aufsichtsratsmitglieder
der Lebensraum Tirol Holding
Betrifft:
Ablehnung einer Essenseinladung

Vorbemerkung

Aufgabe der Lebensraum Tirol Holding ist es und wäre es gewesen, alle wissenschaftlichen, technologischen und künstlerischen Aktivitäten Tirols unter einer Dachmarke zu vereinigen, um aktiv Konzepte einer naturnahen und sozialverträglichen Entwicklung des Landes abseits touristischer Klischees für die eigene Bevölkerung, aber auch mit Vorbildwirkung nach außen zu bündeln.

Dass dieser schönen Idee ein Konstruktionsfehler innewohnte, waren sich die Mitglieder des Aufsichtsrates der Lebensraum Tirol Holding von allem Anfang an bewusst. Dennoch arbeiteten sie, im übrigen honorarfrei, an dem ehrgeizigen Projekt in der Hoffnung mit, dass sich die Politik dazu durchringen würde, das Projekt auch mit jenen Machtbefugnissen auszustatten, ohne die es nur ein schöner Traum bleiben muss.

Ein Geschäftsführer, der bis dato weder Budgethoheit noch Weisungsrecht hat und allein auf seine Überredungskünste und seinen Charme angewiesen ist, steht trotz guten Gehaltes auf verlorenem Posten, was ihn inzwischen als für ein weiteres bürokratisches Monster Verantwortlichen zum Objekt von Angriffen seitens der Opposition und der Medien gemacht hat.

Aber auch die Aufsichtsratsmitglieder müssen sich in diesem Zusammenhang als missbraucht vorkommen, da die eigentliche Ursache des Missstandes, die Unfähigkeit der Politik, ein managementtaugliches Projekt auf die Beine zu stellen, bislang noch nicht Gegenstand der Kritik wurde.

Der neue Landeshauptmann Anton Mattle scheint nun an der machtpolitischen Fehlkonstruktion der Lebensraum Tirol Holding weiterhin nichts ändern zu wollen und meint, das Projekt durch den Austausch der Aufsichtsräte retten zu können. Aus diesem Grund erfolgte denn auch die Einladung der ausscheidenden Aufsichtsräte zu einem Abschiedsessen im Gasthof Isser in Lans, eine Dankesgeste, die Aufsichtsrat Andreas Braun mit untenstehendem Schreiben höflich und argumentativ klar ablehnt.

schoepfblog dankt für das Veröffentlichungsrecht. A. Schöpf


Geschätzte Damen und Herren des ehemaligen Aufsichtsrates der Lebensraum Tirol Holding!

Zunächst darf ich Ihnen allen als Stellvertreter des AR-Vorsitzenden Günther Platter meine Wertschätzung und meinen Dank für Ihr idealistisches Engagement im Interesse unseres Landes Tirol aussprechen. Sie haben viel Zeit, Herzblut, Hoffnung und Geist in das experimentelle Projekt einer neuen Formulierung unserer Marke Tirol investiert. Viele Beiträge von Ihnen – exemplarisch genannt die Initiativen Wasserstoff von Arthur Thöni oder Life-Sciences von Franz Fischler – waren substantielle Skizzen und Duftmarken eines alleinstellenden Zukunftsbildes Tirol, das in Wissenschaft, Technologie und Kunst durch einen avantgardistischen Dialog mit der gleichermaßen wunderbaren sowie prekären Natur geprägt sein könnte und sollte.

All diesen unseren internen Bemühungen zum Trotz lesen und hören wir in den Medien vom Scheitern der Lebensraum Holding, vom Versagen des Geschäftsführers und werden zudem in vielen persönlichen Gesprächen vorwurfsvoll auf unsere peinliche Mitverantwortung als Aufsichtsräte angesprochen:

Wir haben Deine komische Euphorie nie verstanden….wir haben Dir von Anfang an gesagt, dass Du an einer völlig stumpfsinnigen und unfähigen Politik nicht einmal anstreifen darfst….wir haben Dich immer darauf hingewiesen, dass es diesen Marionetten nie um die Sache, sondern nur um ihre Lobbies, partikularen Schrebergärten und Eitelkeiten geht!

Solchem und noch viel drastischerem Echo sind wir zur Zeit ausgesetzt!

Nach nun fast einem Jahr der politischen Sprachlosigkeit in Sachen Lebensraum, eines erschreckenden personellen Brain-Drains weg von den Gesellschaften der Lebensraum Holding und einer von der Politik unwidersprochenen, medialen Vorverurteilung bzw. Schuldzuweisung an den Geschäftsführer bleibe ich weiterhin ein unerschütterlicher Optimist: credo, quia absurdum.

Ich bleibe Optimist, weil die Idee einer phantasievoll/holistischen Bewerbung unseres Landes sowohl alt ist als auch aktuell dringend geboten erscheint: Bereits im Jahre 1989 setzte ich meinen Vorschlag, die Tiroler Fremdenverkehrswerbung in Tirol Werbung umzubenennen, gegen viele touristische Bedenken durch. Auch letzten Herbst wäre es, politischen Mut und Professionalität vorausgesetzt, absolut notwendig gewesen, im Regierungsübereinkommen 2022-2027 das zukünftige Markenbild unseres Landes mit Referenz auf die umfangreiche Arbeit der Lebensraum Holding festzuschreiben und durch klare Kompetenzzuteilung und strukturelle Optimierung eine effektive Arbeit der Institution Lebensraum Tirol mit vollständiger Integration ihrer Tochtergesellschaften zu ermöglichen.

Beides wurde in grober politischer Fahrlässigkeit unterlassen, der von Medien und Rechnungshof zu Recht gerügte strategische und strukturelle Edelpfusch stillschweigend prolongiert. Wie ich das las, blieb mir der Mund offen und das Herz stehen!

Die bizarre Krönung dieser blamablen politischen Fehlleistung bildet die gegenwärtige öffentliche Wahrnehmung der ganzen Causa: niemand fordert offenbar von der Politik ein überfälliges mea culpa, mea maxima culpa ein, vielmehr wird der Geschäftsführer medial vorgeführt, weil er an der Quadratur des Kreises, nämlich eine falsch konstruierte Rakete erfolgreich zum Mars zu schicken, scheiterte: Täter-Opfer-Umkehr vom Feinsten!

Zudem wird die Realsatire frei nach Grillparzers Diktum das ist der Fluch von unserem edlen Haus (Tirol): Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben fortgesetzt: es soll unter professioneller Moderation die Lebensraum Holding fortentwickelt werden, ein neuer Aufsichtsrat, ein neues Direktorium mit allen möglichen Landesräten und Sekretären bestellt werden, der Geschäftsführer soll dieses Theater konstruktiv bis zu seiner finalen Hinrichtung begleiten etc. etc.

Dass man diese vollständige Lähmung der Arbeit der Tirol Holding und ihrer Tochtergesellschaften verhindern sowie die verantwortungslose Vergeudung von unser aller Steuergeld vermeiden könnte, habe ich oben bereits skizziert: die Tiroler Landesregierung sollte sich in camera caritatis zurückziehen und in einer kurzen Sitzung eine klare Entscheidung über Ziel und Struktur der Lebensraum Holding treffen. Jeder führende Manager eines privaten Unternehmens – so wie ich über 20 Jahre – kann beratend aufzeigen, wie so etwas klaglos funktioniert.

Ich darf Ihnen allen nochmals für die vielen inspirativen Gespräche und freundschaftlichen Begegnungen herzlich danken und um Verständnis bitten, dass ich mich vor dem oben geschilderten Hintergrund am 3. Mai nicht beim Isserwirt zu Lans einfinden werde. Ich wünsche aber beim unsere Arbeit kompensierenden Schnitzel, den warmen Worten als Beilage und den homöopathischen Tropfen Marke Harmonie guten Appetit und beste Laune!

Mit herzlichen Grüßen

Euer  Andreas Braun

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Andreas Braun

Dr. Andreas Braun, geb.12.4.1946 in Kitzbühel. Von 1969 bis 1982 als Verwaltungs- und Verfassungsjurist im öffentlichen Dienst tätig. Ab 1982 Leiter der Tirol Werbung; in dieser Funktion setzte Braun eine Reihe innovatorischer Akzente, von der Bildsprache bis zur digitalen touristischen Vernetzung (Gründung der TIS Ges.m.b.H). Anfang 1995 wechselte Braun als Kommunikationsmanager zur Swarovski-Gruppe. Als erste Initiative gelang es ihm, die "Swarovski Kristallwelten" als neues Pilotprojekt einer Verschmelzung von Industrie, Tourismus und Kultur erfolgreich kommerziell und kommunikativ zu positionieren sowie eine neue Unternehmensidentität für einen traditionellen Industriebetrieb zu formen. Die Swarovski Kristallwelten sind das erfolgreichste Modell eines sogenannten „third place“ in Europa und rangieren nach Schönbrunn als eine der bestbesuchten Attraktionen Österreichs. Braun ist bis Ende 2011 Geschäftsführer der d. swarovski tourism services gmbh, die neben den Swarovski Kristallwelten und Swarovski Innsbruck auch Swarovski Wien betreibt. Von Anfang 2012 bis Ende 2015 ist Braun Geschäftsführer der Destination Wattens Regionalentwicklung Gmbh (u.a. Konzeption der „Werkstätte Wattens“). Vielseitige internationale Vortragstätigkeit und essayistische Beiträge zu Kultur, Wirtschaft und Tourismus in diversen Medien.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Kurt Höretzeder

    Lieber Alois, lieber Andreas,
    es ist euch hoch anzurechnen, wenigstens auf diesem Blog dazu beizutragen, manche der arg verbogenen Tatsachen rund um die Lebensraum Tirol Holding gerade zu biegen – auch wenn das nicht einfach ist, zumal man selbst über längere Zeit nahe am offenen Herzen mitoperiert und dabei erfahren hat, wie sich in diesem Land immer wieder aufs Neue die Grillparzer’sche Weissagung »Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben« bewahrheitet. –
    Es tut fast körperlich weh, wie eine seit Ewigkeiten regierende, hegemoniale Partei mitsamt ihrer kleptokratischen Entourage das (wenn überhaupt) Mittelmaß zur Maxime erhebt um – konservativ im schlechtesten Sinn – bestehende Verhältnisse besitzstandsmehrend einzuzementieren, während sich ringsum Menschen, die im Steißbein mehr Hirn haben als mancher Politiker im gesamten Kopfbereich, von diesem Land und seiner Politik allmählich angewidert abwenden. Traurig (wenn auch nicht überraschend) zudem, dass sich diese Gepflogenheiten auch auf die anderen Parteien übertragen haben.
    Es macht keine rechte Freude mehr, in diesem oder für dieses Land tätig zu sein, das man doch einst (lange ist’s her) irgendwie ins Herz geschlossen hat.

  2. Eberl Roland

    Lieber Alois, wie Du weißt, konnte ich mich in meinem Berufsleben von der Parteipolitik fernhalten.Leider ist das Schreiben von Andreas Braun voll zutreffend und mit keiner Zeile überzogen. Alles, was zur Zeit aufpoppt über das Thema Tirolholding hinaus ( TSD – Gem Nova – MCI Neubau – Boznerplatz – Markthalle) bestätigt leider meine Erkenntnis: die meisten Politiker sind von ihren Aufgaben heillos überfordert. Gerne würde ich bei der Suche nach einem aktiven Politiker helfen, welcher in seinem Ressort so eine Bilanz wie Andreas aufweisen kann. Ich lebe so gerne in diesem Tirol und habe nur ein Problem: meine Aggressionen im Zaum zu behalten, was unsere Politiker betrifft. Danke für deine Info und bleib gesund und fröhlich!

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