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Literarische Korrespondenz:
Alois Schöpf an den Intendanten
der Tiroler Festspiele Erl
Bernd Loebe
Betrifft:
Zu wenig Wertschätzung und
leider keine Frau!

Sehr geehrter Herr Intendant!

Sie haben in der Tiroler Tageszeitung vom 8. April 2023 die Feststellung getätigt, dass Sie und Ihre Arbeit zu wenig respektiert würden, wobei Ihnen nicht klar sei, woher dieser Mangel an Wertschätzung rühre. Und Sie weisen auf den Umstand hin, dass man sich vonseiten des Aufsichtsrats der Festspiele-Betriebsgesellschaft in Ihrer Position eigentlich eine Frau wünsche, was Sie nicht sind.

Als jemand, der das von Ihnen verwaltete Desaster in Erl mehrfach im vorliegenden schoepfblog analysiert hat, darf ich Ihnen versichern, dass, Punkt 1 ihrer Bemerkungen betreffend, der mangelnde Respekt sicherlich nichts mit Ihnen als Person zu tun hat.

Sie können noch so verdienstvoll und erfolgreich nun schon über Jahrzehnte an der Frankfurter Oper agiert haben. Derlei tangiert vielleicht einen Hans Peter Haselsteiner, der sie überredet hat, in Erl einzusteigen, ganz bestimmt jedoch nicht unsere Tiroler Politiker, deren Kompetenz, auch wenn sie noch so oft für Fototermine bereitstehen, nicht die Kultur ist, die Hochkultur schon gar nicht, sondern die Fähigkeit, mit feiner Nase den Zeitgeist aufgrund olfaktorischer Strömungsveränderungen zu analysieren und im Dienste schwarz-katholischer Wiederwahl überall mit Modernität zu blenden, wo es nichts kostet, um dort, wo es um die politische Familie geht, der Partei und damit der gedeihlichen Regionalkarriere weiterzuhelfen.

Vor dem Hintergrund dieser Faktenlage scheint vielen von den Verantwortlichen, denen Sie als Retter in der Not von Herrn Haselsteiner vorgeschlagen wurden, inzwischen ein Licht darüber aufgegangen zu sein, dass sie mit ihrer peinlichen Anbiederung an die Politische Korrektheit und die MeToo-Bewegung gleich mehrere Böcke geschossen haben könnten, die zumindest von den kulturell interessierten Wählern nicht sonderlich goutiert wurden. Fehler, die, wie schon gesagt, mit Ihnen, Herr Loebe, ihren Fähigkeiten, Ihrem Engagement und Ihren Verdiensten nichts zu tun haben.

So haben Sie nichts damit zu tun, dass sehr viele ehemalige Festspielbesucher, die bekanntlich nicht zum Segment der ruralen Analphabeten in diesem Land gehören, immer noch der Ansicht sind, dass der als freiwilliger Rücktritt getarnte Rausschmiss Gustav Kuhns, gegen den vor Gericht nicht einmal Anklage erhoben wurde, eine opportunistische Niederträchtigkeit und kulturpolitisch die im Hinblick auf die investierten Steuergelder flagrante Zerstörung einer kulturellen Attraktion war.

Sie haben auch nichts damit zu tun, dass es die Tiroler längst leid sind, allzu oft sogenannte „Deutsche“ oder andere „Ausländer“ auf kulturelle Leitungspositionen gesetzt zu bekommen, weil sie offenbar selbst zu dumm dazu sind, was allerdings einen eklatanten Widerspruch zur Selbsteinschätzung all jener darstellt, die als Politiker und hohe Beamte die Positionen besetzen und sich in ihrem Tun, obgleich ebenfalls Tiroler, sehr wohl für ausreichend kompetent halten.

Sie haben zuletzt auch nichts damit zu tun, dass unsere Kulturpolitiker, obgleich sie eigentlich die Mehrheit in der Festspiel GmbH vertreten, vor einem Milliardär und seiner Gattin mit kulturpolitischen Hobbyambitionen Männchen machen und Arm in Arm mit ihm an läppischen Kleinjurys vorbei öffentliche Gelder aufreißen, für die sich Leute mit oft besseren oder zumindest gleich guten Ideen bestenfalls das höfliche Lächeln einer vor lauter Neinsagen müden subalternen Kulturbeamtin gefallen lassen müssen. Das hat alles nichts mit Ihnen zu tun, geschätzter Herr Loebe, aber es war zweifelsfrei nicht dazu angetan, Sie in Tirol besonders beliebt zu machen.

Ein wenig Mitschuld tragen Sie allerdings schon auch selbst durch Ihren Irrglauben, wonach man es den Andreas-Hofer-stolzen und zugleich bäuerlich kulturgeizigen Tirolern zumuten könne, zum doppelten Preis einer Landestheaterkarte in der Dependance der Frankfurter Oper Erl Nachwuchssänger als Sängerstars und unbekannte, wenngleich noch so tüchtige Dirigenten als Ersatz für den immerhin international renommierten Gustav Kuhn zu verkaufen.

Und dies auch vor dem Hintergrund, dass zumindest Kundige wissen, dass Sie als Frankfurter Opernchef ca. 400.000 € im Jahr verdienen und erstaunlicherweise in dem Moment, als Sie in Erl einzogen, für die Verwaltung der Unterinntaler Dependance das Budget massiv erhöht werden musste, um Sie und ihren Statthalter nicht dem Hungertuch zu überantworten. Dafür überging man bei der Abhalfterung Kuhns die Tatsache gnädig, dass dieser Vieles zu einem viel geringeren Preis, wenn nicht gar kostenlos oder auf eigenes Risiko hin unternommen hatte.

Gänzlich in Ihre Verantwortung fällt die Unfähigkeit, mit der heimischen Kunstszene einen Kontakt auf Augenhöhe aufzunehmen, was unter anderem bedeutet hätte, Briefe, in denen Ihnen neue Projekt vorgeschlagen wurden, zumindest höflich abschlägig zu beantworten. Wie ja überhaupt, von Gustav Kuhn meisterhaft mit seinem Hochkultur-Getue überspielt, die Frage niemals geklärt wurde, was die Abfütterung der Richard Wagner-Hardcoregemeinde, das Revival der auch noch letzten, im Hinblick auf die Gegenwart vollkommen irrelevanten Rossini-Oper und der an das fragwürdige Konzept der Festwochen der Alten Musik erinnernde Griff in die Kuriositätenkiste der internationalen Opernliteratur mit Tirol, den Bergen, den Alpen und der Kultur der Menschen in diesem Lande zu tun hat? Auch Ihnen ist es nicht gelungen, für die Tiroler Festspiele Erl jenes Alleinstellungsmerkmal zu entwickeln, ohne das Aufmerksamkeit über die Grenzen hinweg zwischen Salzburg, München, Bregenz und Verona nicht erwirkt werden kann.

Dass diese Aufgabe auch angesichts der mageren Budget-Grundlagen äußerst schwierig zu bewältigen sein wird, dämmert inzwischen wohl auch den für die Kultur in unserem Lande zuständigen Politikern, deren Rezept in ähnlich gelagerten Fällen allerdings darin besteht, durch einen zeitgeistigen Marketing-Schmäh vom Problem abzulenken und dabei zu hoffen, dass die kritische Öffentlichkeit nicht weiterhin so lästig ist, darauf hinzuweisen.

Womit wir beim traurigen bzw. je nach Ansicht, erfreulichen Umstand angelangt sind, dass Sie, Herr Loebe, keine Frau sind. Gerade in konservativen Ländern hat sich nämlich inzwischen die Sitte eingebürgert, sich bei Postenbesetzungen einem geradezu fanatischen Feminismus hinzugeben, dessen Aufgabe darin besteht, wie schon angedeutet, nach außen hin mit progressiven Updates zu blenden, um nach innen hin die fundierte Inkompetenz vergessen zu machen und zugleich, dies ist fast noch wichtiger, all jenen, die eine kulturpolitische Entscheidung verfehlt finden, ausgerechnet vonseiten konservativ und ÖVP-formatierter Politiker und vor allem Politikerinnen Frauenfeindlichkeit und die Liebe zu alten weißen Männern vorwerfen zu können.

Dies ist die derzeit probateste Selbstimmunisierung all jener, denen für die Ernennung wirklich qualifizierter Personen Bildung und Überblick fehlen, was bereits zu mehreren katastrophalen Fehlbesetzungen aufgrund der Hauptqualifikation, jemand müsse weiblichen Geschlechts sein, führte.

Tatsächlich besteht, wie Sie sagen, geschätzter Herr Loebe, auch in Erl die Gefahr, dass demnächst eine honorige Dame vom honorigen Herrn Haselsteiner zu ihrer Nachfolgerin erklärt wird und aufgrund ihres Geschlechts unkritisierbar über den trüben Wassern der politischen Korrektheit schwebt, was jedoch bedeutet, dass Erl aufgrund einer Serie von kulturpolitischen Fehlentscheidungen mit Tempo dem Schicksal des Festspielhauses Füssen im benachbarten Bayern entgegen steuert.

Machen Sie sich also nichts draus, Sie sind an all dem nicht schuld, es ist unsere unsägliche, inkompetente und dumme Tiroler Kulturpolitik.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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