Alois Schöpf
Dry January
Apropos
Damit etwas zum Modetrend wird, muss es einen knackigen englischen Titel haben. Denn die angelsächsische Welt ist in Sachen Lebensstil immer noch stilbildend. Wobei neben dem zwar hin und wieder köstlichen, aber eher schädlichen Fastfood und Zuckersäften à la Coca-Cola auch viele gesundheitsfördernde Trends uns verschlafene Kontinentaleuropäer erreicht haben.
Der jüngste, in Großbritannien zuerst kreierte, besteht darin, nach den aufwändigen Weihnachts- und Neujahrsfeierlichkeiten den restlichen Jänner für „clean“ zu erklären und auf Alkohol zu verzichten. In diesem Zusammenhang muss hinzugefügt werden, dass Ähnliches auch in katholischen Landen von vielen in der Fastenzeit praktiziert wird.
Es ist jedoch abzusehen, dass diese religiös konnotierte Praxis gegenüber Dry January in der Minderheit bleiben wird. Von beiden Bewegungen kann man aber nur hoffen, dass sie sich erfolgreich durchsetzen, kommt ihnen doch das Verdienst zu, den Alkohol einer breiten Bevölkerung als gefährliches und zugleich wunderbares Suchtmittel ins Bewusstsein zu rufen.
Dass dieses Bewusstsein noch gering entwickelt ist, zeigt sich schon daran, dass viele unserer bergbegeisterten Sportskanonen, wenn sie nach ihrem 1000-Meter Aufstieg endlich klar im Kopf sind, gleich ein Bier hinunterschütten, was neurologisch nachweisbar zur geistigen Neuvernebelung führt. Immerhin hat sich bei den guten Blasmusikkapellen inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass Alkohol der Qualität sensiblen Spiels abträglich ist.
Niemandem soll hier sein Weindl oder was auch immer vergällt werden. Alkohol hat auch eine therapeutische Wirkung. Nur eines sollte, verstärkt durch Dry January, ebenso klar sein: Alkohol ist kein harmloses Getränk, sondern eine Droge.
Und die wunderbar die Hügel emporwachsenden Weinberge in Südtirol sind nicht nur eine schöne Landschaft, sondern Drogenanbaugebiete.
Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 20.01.2023, redigierte Fassung.
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