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Literarische Korrespondenz:
A. Schöpf an Frau Univ. Prof. Helga Kromp-Kolb
Betrifft:
Eintreten für die Emanzipation der Frau
am falschen Ort und
zum falschen Anlass

Sehr geehrte Frau Prof. Kromp-Kolb!

Als führende Österreichische Klimaforscherin haben Sie im Wiener Molden Verlag, der zur Grazer Styria-Gruppe gehört, ein überaus interessantes, elegant geschriebenes, gemeinverständliches Buch über die Gefahren des menschengemachten Klimawandels und die dringend notwendigen Maßnahmen dagegen geschrieben.

Ausführlich und nüchtern beschäftigen Sie sich auch mit den Argumenten all jener, die den drohenden Klimawandel und die von Ihnen drastisch beschriebenen und beängstigenden Katastrophenszenarien als übertrieben bezeichnen, aus Geschäftsinteressen verdrängen oder mit fadenscheinigen Ausreden nicht zur Kenntnis nehmen.

Ihrem verständlichen Wunsch, dass dieses Buch von möglichst vielen gelesen werden möge, um auch in der breiten Bevölkerung einen höheren Kenntnisstand und daraus folgend ein besseres Verständnis für wahrscheinlich revolutionäre Veränderungen in unserer zukünftigen Lebensführung herbeizuführen, widerspricht jedoch wieder einmal die offenbar in den akademischen Blasen der Universitäten geübte „Unsäglichkeit“, den dummen Leser durch permanentes Gendern darauf hinzuweisen, dass die Menschheit aus Männlein und Weiblein besteht, und insbesondere die Männer bei jedem Doppelpunkt inmitten eines Wortes daran zu erinnern, dass sie angeblich die Frauen Jahrtausende lang unterdrückt und nunmehr in den nächsten Jahrhunderten gefälligst den Mund zu halten haben.

Im Zuge Ihrer Überlegungen stellen Sie zugleich auf Seite 92 ihres Buches fest:

Inzwischen bahnt sich eine Entwicklung an, der mit aller Vehemenz entgegengetreten werden muss. Klimawandel wird mit jeweils jenen politischen Zielen in einen Topf geworfen, die der jeweiligen Gruppierung am verhasstesten sind: mit jenen der Woke-Bewegung in den USA, mit jenen von Linksextremen, Impfgegnern oder Impfbefürwortern – je nach Lager, mit jenen von Verschwörungstheoretikern, welche immer gerade als solche gelten usw. Das behindert eine ernsthafte Auseinandersetzung und verzögert notwendige Maßnahmen weiter.

Entschuldigen Sie vielmals, Frau Professor, warum gendern Sie eigentlich, wenn Sie schon sonst alles gendern, nicht auch die Worte Impfgegner oder Verschwörungstheoretiker? Bestehen selbige nur aus Männern? Meine Erfahrung ist ein konträre. Und wie verblasen müssen Sie in Ihrer politischen Selbstverortung sein, wenn Sie nicht wissen, dass nach einer vom Magazin Pragmaticus in Auftrag gegebenen Umfrage 80 % der Österreicher der Meinung sind, dass beim Gendern übertrieben wird, und 60 % es überhaupt ablehnen? 

Und wie naiv sind Sie, wenn Sie nicht wahrhaben wollen, dass Ihr Buch (im Übrigen katastrophal gebunden und nur mit Muskelkraft auseinander zu halten) in einem jener Verlagskonzerne erscheint, die über verschlüsselte Konstruktionen der katholischen Kirche gehören, einer Religionsgemeinschaft, die bis heute die Gleichstellung der Frau auf Basis abstruser theologischer Deduktionen verweigert und, um dieses ihr eigenes mittelalterliches und menschenfeindliches Denken zu verschleiern, sich geradezu mit Begeisterung dem Gendern hingibt, was ja auch für unseren tirolerischen Y-Verlag, die Tyrolia, gilt.

Und wie kann zuletzt eine Kapazität wie Sie, sehr geehrte Frau Professor, Sätze wie folgenden zulassen?

Noch etwas haben Klimawissenschaftler:innen gelernt: Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist bei fast allen Fragen mit praktischer Relevanz unentbehrlich – jede:r einzelne:r Wissenschaftler:in kann nur einen Bruchteil der Themen abdecken, in allen anderen Bereichen muss er:sie sich auf die Kolleg:innen verlassen. Die Einbeziehung von Philosophen und Ethikern kann z.B Fehleinschätzungen ethischer Art verhindern.

Zusatzfrage: Wo bleibt das Gendern bei den Philosophen und Ethikern? Wollen Sie insinuieren, obgleich selbst Frau, dass Frauen nicht philosophieren und ethisch denken können? Frau Hannah Arendt wird sich bedanken!

Wie auch immer, sehr geehrte Frau Professor, Sie können es sich selbst zuschreiben, wenn Sie mit ihren klaren und wichtigen Argumenten dennoch in der Kartei ärgerlicher Schrulligkeiten landen und ein großes Publikum niemals erreichen werden.

Leider habe ich selbst durch das sehr positive Bild, das ich mir durch Ihre Fernsehauftritte gemacht habe, darauf vergessen, vor dem Kauf ihr Buch daraufhin zu kontrollieren, ob darin gegendert wird oder nicht. Der Kapitalismus hat nämlich den Vorteil, dass er über das Medium des Geldes Dinge bewirken kann, die über das Medium der Sprache und der Vernunft im Hinblick auf die Zähmung einer totalitären Ideologie niemals gelingen. Wie auch der Stimmzettel an der Wahlurne, der allen Parteien, die für das Gendern eintreten und damit glauben, für die Gleichberechtigung der Frauen etwas getan zu haben, verweigert werden sollte, um auf die Art und Weise den Missbrauch der Sprache durch Entzug der Macht zu verhindern.

Helga Kromp-Kolb: Für Pessimismus ist es zu spät. Wir sind Teil der Lösung. Österreichs Klima-Pionierin Molden Verlag in der Verlagsgruppe Styria 2023. 208 S.. 26,00 €.

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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