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Alois Schöpf
Ich bin nicht toxisch,
sondern verantwortlich!
Weshalb die Begriffe “toxische Männlichkeit”
und „Femizid“
sexistisch und rassistisch sind.
Essay

Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

Johann Wolfgang von Goethe
(1749 – 1832), Goethe, Faust. Der Tragödie erster Teil, 1808. Studierzimmer, Mephistopheles zum Schüler.


Dieser Tage wurden in Österreich binnen weniger Stunden sechs Frauen ermordet. Drei von einem Migranten aus Afghanistan in einem Massagesalon, zwei von einem angeblich gut situierten Finanzbuchhalter österreichischer Provenienz im Rahmen eines innerfamiliären Konflikts, und eine schwerkranke 87-jährige von ihrem 93-jährigen Gatten, der danach einen Suizidversuch unternahm, der misslang.

Unmittelbar nach diesen Gräueltaten traten denn auch, wie immer bei solchen Gelegenheiten, all die besserwisserischen und vom gelassenen Gesichtstonus der Frömmelei gekennzeichneten Damen in die Gänge ihrer Gleichbehandlungsbüros, Genderforschungsinstitute, Gewaltschutzzentren und Frauenhäuser und forderten die Politik auf, angesichts von solch patriarchal-struktureller Gewalt – so die Landesrätin für Soziales und Frauen Eva Pawlata aus Tirol – endlich etwas Wirksames gegen die skandalöse Anhäufung von Femiziden aufgrund toxischer Männlichkeit zu unternehmen.

Zum Beispiel die Löhne in den klassischen Frauenberufen zu erhöhen, so der am gleichen Tag erfolgende Vorschlag der Tiroler ÖGB-Frauenvorsitzenden Sonja Föger-Kalchschmied , eine in diesem Fall besonders delikate gewerkschaftliche Instrumentalisierung von Morden, die mehr an Free Jazz denn an Logik erinnert.

Dass all diese Proteste übrigens von den Medien, die der sogenannten wokeness, auf Banaldeutsch: dem Gutmenschentum zuneigen, mit Begeisterung weiterverbreitet wurden, versteht sich von selbst, konnte doch unter einem hehren pastoralen Banner mittels Sex and Crime wieder einmal der endemischen Leser- bzw. Zuschauerflucht entgegengetreten werden.

Zum Glück gibt es aber doch noch einige kritikfähige Bürger und, wohlgemerkt, Bürgerinnen, aber auch Politiker, die trotz aller ideologischen Hysterie in der Lage sind, die nüchterne Frage zu stellen, ob es sich bei den drei Straftaten nicht um ein zufälliges Zusammentreffen schrecklicher Ereignisse handeln könnte: Eine Diagnose, die sich auch der als konservativ, sprich: somit als patriarchalisch denkend, sprich: somit also als selbst höchst toxisch apostrophierte ÖVP-Innenminister Gerhard Karner vorzubringen erlaubte. Er warnte davor, Taten, die nichts miteinander zu tun haben, unter einen einheitlichen Begriff zu subsumieren. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Überlegungen unter die These, dass Männer entweder von Natur aus, genetisch codiert gewissermaßen, oder aufgrund der patriarchalen Gesellschaft, in der unsereins, ob er will oder nicht, sozialisiert wurde, potentielle Gewalttäter sind!

Was die Verschiedenheit der Taten betrifft, ist vorerst einmal auf einen jener Migranten hinzuweisen, die in einer mittelalterlichen, frauenfeindlichen und mit den europäischen Menschenrechten in keinster Weise in Verbindung stehenden Gesellschaft sozialisiert wurden und die genau von jenen Leuten, die heute am lautesten von „Femizid“ und „toxischer Männlichkeit“ schwafeln, im Jahre 2015 im Rahmen einer überschwänglichen „Willkommens-Kultur“ freudig begrüßt wurden.

Dabei wurde die Kritik an solchen Träumereien, um nur ein besonders prominentes Beispiel zu nennen, etwa durch den Deutschen Sozialdemokraten Thilo Sarrazin von Angela Merkel, die sein Buch nicht einmal gelesen haben konnte, als „nicht hilfreich“ abqualifiziert. In Folge musste Herr Sarrazin unter Polizeischutz auftreten, und ein besonders freundlicher Medienvertreter wünschte ihm, der aufgrund eines Schlaganfalls leicht sprechbehindert ist, einen baldigen nächsten.

Noch völlig ungeklärt sind die Hintergründe der Ermordung der Ehefrau und der gemeinsamen Tochter durch einen Buchhalter, wie ihn der ORF in diesem Fall statt mit völkischer mit beruflicher Zuordnung beschrieb, was wohl aus woker Sicht suggerieren soll, dass sogar die Manifestation des bleichhäutigen und kleinschwänzigen weißen Bürohengstes sich jederzeit in eine wütende Tötungsmaschine verwandeln kann.

Bleibt noch der Fall des 94-jährigen, der seine 87-jährige schwerkranke Frau erschoss und sich dann selbst zu töten versuchte, ein leider hinlänglich bekanntes Szenario, das mit toxischer Männlichkeit und Femizid nichts, mit unsäglichem Leid, Einsamkeit, Mitleid, Hilflosigkeit und vor allem mit einer auch in Österreich jahrzehntelang verschleppten Sterbehilfedebatte bzw. dem verschleppten Ausbau einer flächendeckenden Palliativbetreuung sehr viel zu tun hat.

Innenminister Karner hat also schon Recht, wenn er davor warnte, wieder einmal Äpfel mit Birnen zu verwechseln, was in diesem Fall leider viel zu harmlos klingt.

Vielmehr werden im Dienste einer totalitären Ideologie, im Rahmen derer der unbedingte Opferstatus der Frau und der ebenso unbedingte Täterstatus des Mannes als Dogma gesetzt sind, drei vollkommen unterschiedliche Fälle, von denen nur einer in den Kompetenzbereich all jener Therapieinstitute fällt, die berechtigterweise gegen Gewalt in Beziehungen gegründet wurden, für die Untermauerung der These missbraucht, dass Männer in gleicher Weise gewalttätig seien, wie der Antisemit behauptet, dass Juden prinzipiell verschlagen und geldgierig seien, und der Rassist behauptet, Schwarzhäutigen würde die Intelligenz der Weißhäutigen fehlen.

Sowohl der Begriff „Femizid“ als auch der Begriff „toxische Männlichkeit“ blendet aus, dass es zwischen der psychischen, hormonellen oder kulturellen Beschaffenheit einer Person, eines Mannes, einer Frau, eines Juden, eines Afrikaners oder auch eines des Kolonialismus´ und der weißen Suprematie bezichtigten Europäers oder US-Amerikaners in gleicher Weise und geradezu als Haupteigenschaft des Menschlichen stets die Instanz des selbstreflexiven, moralisch oder unmoralisch handelnden und damit verantwortlichen Ich gibt. Nur wenn der Nachweis gelingt, dass diese Instanz, aus welchen Gründen auch immer, nicht funktionsfähig ist, entlassen Gerichte die Täter aus ihrer Verantwortung und verordnen ihnen je nach Tat eine medizinische Behandlung oder die Einweisung in eine geschlossene Anstalt zum Schutze der übrigen Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund schadet auch nicht ein Blick in die Weltliteratur, die neben viel sogenannter toxischer Männlichkeit auch von toxischer Weiblichkeit, toxischer Mütterlichkeit, toxischer Religiosität und toxischer Politik berichtet. Im Grunde kann alles und jedes toxisch sein. Immer jedoch ist es die ethische Entscheidung jedes einzelnen und jeder einzelnen, ob ein solch toxisches Verhalten akzeptiert oder abgelehnt, im Falle, dass sich dies als schwierig erweist, sogar therapiert wird.

Ohne das in Sachen Moral selbstreflexive Subjekt mitzudenken und mitzunennen, suggerieren die Begriffe „Femizid“ und „toxische Männlichkeit“, dass Männer machen können, was sie wollen, und dennoch gewalttätig sind, womit ihnen kraft ihres Geschlechts die Instanz des verantwortlichen Ich abgesprochen und sie in den Stand unzurechnungsfähiger Gewalttäter herabgesetzt werden: einen wohl eindeutigeren Sexismus und Rassismus wird man kaum in solch ungenierter Selbstüberhebung finden.

Dennoch lässt ihn ein vollkommen verblödeter Zeitgeist unbeeinsprucht durchgehen. Womit sich nicht nur aufgrund dieses Sachverhalts wieder einmal bestätigt: Wir leben in einem Irrenhaus!


PS: Österreich gehört übrigens zusammen mit der Schweiz zu den Europäischen Ländern mit den wenigsten Tötungsdelikten. Führend Litauen mit 5,89 pro 100.000 Einwohner, Österreich 0,51. (Statistik Euronews)

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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