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Alois Schöpf
Benko als Sündenbock
Apropos

Der Sieg hat viele Väter, der Misserfolg ist ein Waisenkind. Dieser Gemeinplatz trifft derzeit wohl auf niemanden besser zu als auf René Benko. Noch vor kurzer Zeit als Finanzgenie bewundert oder zumindest argwöhnisch bestaunt, mutierte er binnen weniger Wochen zum Kapitalisten schlechthin.

Wobei daran zu erinnern ist, dass eventuell strafrechtliche Tatbestände seines Handelns die Gerichte zu beurteilen haben. 

Aber auch was seine moralische Verurteilung betrifft, wäre Zurückhaltung am Platz. Der aus eher einfachen Innsbrucker Verhältnissen stammende Senkrechtstarter war mit seinen Geschäften nämlich schon lange nicht mehr allein.

Zu seiner Entourage zählten ehemalige Kanzler, Vizekanzlerinnen, honorige Unternehmer und Banken. Aber auch Tausende von geschäftstüchtigen Managern, welche die Hundertschaften von Unternehmen leiteten, die zu seinem Imperium gehörten. 

Nicht zu vergessen all die Anwälte und Steuerberater, die durch ihn reich geworden sind. Und nicht zu vergessen die Politik, deren Gesetze es ermöglichen, über Stiftungen und steuerschonende Konstruktionen ein gigantisches Vermögen anzuhäufen und wieder zu verspielen.

Benko zum Sündenbock zu machen, ist zu einfach. Wenn nämlich aus dem Fall, wie immer er ausgeht, etwas gelernt werden soll, muss klar sein, dass hier nicht ein Einzelner, sondern eine ganze Elite richtig oder fragwürdig oder verwerflich gehandelt hat.

Erschienen in der Tiroler Tageszeitung am 02.12.2023

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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Webhofer Reinhold

    S.g. Hr Schöpf, ich muss Ihnen wieder Recht geben, zu oft schon… Benko mag auch verwerfliche Praktiken angewandt haben, siehe Kika/Leiner, aber das geht nur, wenn die Gesetze und die Mitspieler, also das System das ermöglichen. Dass sich Politiker in jeder Sonne bräunen, ist bekannt, aber dass auch die Haselsteiners da mitmachen, verwundert doch etwas.
    Benko ist die Spitze des Eisbergs, der jetzt abgewatscht wird. Die Masse, die man nicht sieht, sollte mal mitgewatscht und ihr am besten das Wasser abgegraben werden.

  2. Alexander Stumreich

    Sehr geehrter Herr Schöpf!
    Ich sehe diese Problematik ähnlich wie Sie, es gehören mehrere dazu, die, wie Sie sagen, sehr fragwürdig beziehungsweise verwerflich gehandelt haben.
    Man kann nur hoffen, dass nicht wieder die Allgemeinheit, letzten Endes die Steuerzahler indirekt zur Kasse gebeten werden.
    Wenn die Gläubiger, sicherlich auch kleinere Firmen, nur maximal 30% ihrer Forderungen bekommen (wenn überhaupt), dann könnte das natürlich noch viele weitere Insolvenzen auslösen, und das finde ich die große Problematik dabei!
    Mich würde es auch nicht wundern, wenn dadurch die eine oder andere Bank in Schieflage gerät und der Staat wieder mal einspringen muss.
    Ich glaube in diesem Fall werden wir noch mehrere unangenehme Überraschungen erleben, das war wohl erst der Anfang.
    Mit besten Grüßen

  3. Klaus Ennemoser

    Sehr geehrter Herr Schöpf,
    Gratulation zu diesem Kommentar in Sachen „Benko bashing“ gegen den allgemeinen Mainstream. Dem kann ich mich nur zu 100% anschliessen. Alle Investoren und Stakeholder haben über viele Jahre tolle Renditen kassiert.
    Benko hat auch viele tolle Projekte wie z. B. das Kaufhaus Tyrol realisiert, an welchem vorher sehr viele andere Experten gescheitert sind. Und René Benko hat sicher seine Groß-Investoren bzw. den Beirat in die großen Strategie- und Investitionsentscheidungen miteingebunden
    Vielen Dank und freundliche Grüsse!

  4. Robert Muskat

    In einer Richtung hat Alois Schöpf recht: man sollte Benko, so widerwärtig und präpotent seine Miene auch sein mag, nicht allein verurteilen. Schuld an diesem Desaster ist die weltweit um sich greifende GELDGIER! Es fängt damit an, dass ein über 70-jähriger eineinhalb Millionen versenkt, weil er glaubt, seine Vorräte vermehren zu müssen, wohl wissend, dass er am Tag X keinen Cent mitnehmen kann. Es geht mit Herrn Knill weiter, dem Ausschüttungen an Investoren und Aktionäre wichtiger sind als denen, die die ganze Drecksarbeit machen, eine überlebenswichtige Entlohnung zu vergönnen. Von den US-Konzernen, die mit Preiserhöhungen und schrumpfenden Inhalten die Konsumenten ausnehmen, will ich gar nicht reden ( make America Trumpigain !). Wen wundert es, dass ein raffinierter Schulabbrecher mit Hilfe aktueller und aufgedunsener (Alt)politiker sich auch bereichern will. Man sollte allerdings hinterfragen, wer Benko diese verschachtelten Konstruktionen eingeredet hat und wo da sämtliche Kontrollorgane waren.
    In diesem Sinne erwarte ich mir, dass die Verursacher zur Kasse gebeten werden und nicht die Allgemeinheit!

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