Print Friendly, PDF & Email

Helmuth Schönauer
Schau Maus, da ist ein Klick für dich!
Wer klickt den schoepfblog an?
Analyse

1.

Jeder Mensch will zwischendurch wissen, ob er geliebt wird.
Auch Blogger sind Menschen.

Im Unterschied zum ORF, der statt eines Publikums eine Cash-Cow beschallt, die sich aus allem rekrutiert, was eine Wohnadresse hat, müssen sich freie Medien von Fall zu Fall überlegen, wer ihr Publikum ist.

Meist ist das verknüpft mit einem Finanzplan, worin geklärt ist, wie viel die einzelnen Werbeschaltungen wert sein sollen. Und für die Steuer soll ein Plan griffbereit sein, welchen Erlös man mit den Nachrichten zu erwirken gedenkt.

Aber auch Non-profit-Medien, wie der schoepfblog eines ist, machen sich von Zeit zu Zeit auf die Suche nach Feedback, um nicht zu sagen: nach Publikum.
Spötter empfehlen: Du musst nicht um die User werben, dass sie dich anklicken, sondern um deren Mäuse. Wenn diese deine Schaltfläche treffen, bist du als Blogger erfolgreich.

Die Klick-Auswertungen sagen über das Publikum genau so wenig wie früher die Zählungen von Bücherei-Besuchen und das Ausleihen von Büchern über die Lektüre gesagt haben.

Dennoch tut man als Blog-Mitschreibender gut daran, sich die Struktur seines Mediums immer wieder vor Augen zu führen. (Ich kann bei dieser Analyse auf den Diskurs mit zwei Bibliothekarinnen zählen. So wie wir früher Bibliotheken analysiert haben, schauen wir uns jetzt frei herumgeisternde Blogs an.)


2.

schoepfblog ist ein sogenannter personalisierter Blog. Das heißt, Themen, Herausgeberschaft und Korrespondenz sind auf eine Person bezogen.
Von einem embedded blog sprechen wir, wenn rundherum ein Team aufgebaut ist, das die Hauptperson unterstützt.

Die Übergänge des Blogs zu Sozialmedia ist fließend. Während in den Großforen der persönliche Charakter der Nachrichten dominiert, sollte in Blogs des Thema im Vordergrund stehen.

Für alle diese Formen gibt es erstaunlich ausgefeilte Ratschläge, die KI-unterstützt auf das bisherige Geschehen im Netz zurückgreifen.

Tipps für das Schreiben einer Glosse etwa:
– Wählen Sie ein aktuelles Thema, das Sie interessiert.
– Lesen Sie verschiedene Glossen zu ähnlichen Themen.
– Überlegen Sie, welche Meinung Sie zum Thema haben.
– Verwenden Sie Stilmittel wie Ironie, Sarkasmus und Übertreibung.
– Schreiben Sie Ihre Glosse kurz und prägnant.


3.

schoepfblog als Kern eines Persönlichkeits-Blogs fußt auf drei Säulen mit Alleinstellungsmerkmal:

– Glossens-wertes Tirol
– Sterbehilfe
– Musikkritik

Diese drei Felder sind in der Rezeption stark mit dem Namen des Herausgebers verbunden. Etwa zwei Drittel des Publikums nützt daher den schoepfblog, um auf den durch die TT etablierten Namen oder die beiden Themen Sterbehilfe und Musikkritik zurückzugreifen.

In allen drei Feldern gibt es in Tirol sonst so gut wie nichts.


4.

Ein Drittel des Publikums greift wegen der Thematiken der Mitarbeiter auf den Blog zu.

Schwerpunkte sind unter anderem:
– Tierleid
– Sozialversicherungs-Troubles
– Nachrichtenverzwergung (insbesondere Osttirol)

Diese Themen werden gezielt angesteuert, zumal sie für Tirol oft ein Alleinstellungsmerkmal haben.


5.

Exklusive Thematiken ergeben sich außerdem in den Recherchefeldern

– Agrar
– Gemnova
– Konkordat.

Diese heiklen Fragen werden von öffentlichen Medien kaum aufgegriffen. Hier erfüllt der schoepfblog eine Pionierleistung in der Eröffnung brisanter Themen.


6.

Das Genre Blog ist naturgemäß ein ständiger Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist wie die Entwicklung der Kunst. Laufend werden Textsorten ausprobiert, die am ehesten erfolgreich sind, wenn sie in Absätze gesplittet sich auf ein Schriftbild stützen, das auf einem Smartphone Platz hat.

Exemplarisch sei hier auf drei Genres verwiesen.

– Roman in Fortsetzungen
Dieses Genre aus der Frühzeit des Feuilletonismus kommt indirekt mehr zur Anwendung, als man gemeinhin annimmt. 

Die User nämlich verfolgen instinktiv dieses Fortsetzungskonzept, wenn sie wöchentlich die Beiträge eines bestimmten Autors lesen. Im Blog nämlich wird immer der Algorithmus zum benachbarten Artikel mitgelesen.

– Literarische Korrespondenz
Diese vage Umschreibung für eine Replik ermöglicht die Entwicklung eigenständiger Thesen aus dem Geist einer bereits vorhandenen Formulierung heraus.
In der literarischen Korrespondenz geht es um weit mehr, als das Kontern oder Ergänzen einer abgebildeten These. Mit dieser andockfähigen Diskursmethode lassen sich auch sogenannte Genre-Wechsel vollziehen. (Jemand schreibt über die Blasmusik der Egerländer und erhält eine Antwort von Bob Dylan.)

– Literarische Rezensionen
Im deutschen Sprachraum gibt es etwa 1200 literarische Blogs, und bei jedem Anwerfen der Suchmaschine bieten sich neue an.
Eine Methode, diesem Angebot Herr zu werden, ist das Abarbeiten empfohlener Link-Listen, wie sie etwa im kaffeehaussitzer angeboten werden.
Die nun auf hundert Links eingedickte Empfehlungsliste lässt sich in ein paar Monaten ansteuern, wenn man täglich drei davon aufs Korn nimmt.
Die Vorgangsweise bei der Analyse der Blogs wird immer die gleiche sein:
– Aktualität, wann war der letzte Eintrag?
– Personalität, was ist das für ein Typ, der die das produziert (Impressum)?
– Suchleiste für Thematik (ich gebe immer Tirol ein, damit ich vielleicht einen unbekannten Tirol-Roman entdecke)

Im schoepfblog dienen die Rezensionen dazu, einen Tirolbezug zu untermauern.
Der Sinn für die User liegt nicht darin, später einmal den dargestellten Urtext zu lesen, sondern seine Verknüpfung zu verfolgen.

So tauchen bei allen Texten im unteren Feld verwandte Themen auf. Und plötzlich macht es Sinn, wenn ich bei der Beschreibung eines Osttiroler Wochenenddramas einen Verweis auf einen Roman aus Plovdiv kriege.

Die schoepfblog-Rezensionen unterscheiden sich fundamental von Verkaufsrezensionen oder Listen à la ORF.


7.

Ein großes Defizit bei der Bloggerei besteht im Mangel an Relevanz. Der Blog wird noch immer als Spinnerei von Privatpersonen abgetan, seine Kraft für einen passablen Diskurs in Tirol wird zu wenig gesehen.

In einem Zwischenversuch wurden zehn Tirol-Blogs angeschrieben, ob eine gemeinsame Vorgehensweise zur Etablierung des Blogs als demokratische Kunstform zu wünschen sei.

Fünf haben geschrieben, dass sie nur privat fungieren wollen, die anderen haben kundgetan, dass die gegenwärtige Ignoranz in der Öffentlichkeit durchaus angenehm sei, man wolle schließlich unbehelligt in Tirol weiterleben.

Also, Maus, such dir was aus!

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


Weitere Möglichkeiten schoepfblog zu unterstützen finden Sie über diesen Link: schoepfblog unterstützen

Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

Schreibe einen Kommentar