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Günther Aigner / Wolfgang Gattermayr
Vom baldigen Ende des Wintersports
Der Schnee in Kitzbühel
Analyse

Bald wird man in Kitzbühel nicht mehr Ski fahren können. So waren und sind die Prognosen seit einer Serie schneearmer und milder Winter am Ende der 1980er-Jahre. Seit knapp 35 Jahren steht das Ende des Skisports und des Winters unmittelbar vor der Tür.

Was die Öffentlichkeit kaum wahrnimmt, weil es praktisch nicht öffentlich diskutiert wird: Seit Mitte der 1980er-Jahre sind zwar die Winter in den Tälern milder geworden, aber in vielen Tallagen von Wintersportorten – so auch in Kitzbühel – hat sich am Schneedargebot überraschend wenig verändert.

Sehen wir uns gemeinsam einen wichtigen Schnee-Parameter an: Es geht um die sogenannte „Winterdecke“. Laut ÖNORM versteht man unter der Winterdecke die längste zusammenhängende Schneebedeckungsperiode des Winters. Am Beginn der Winterdecke spricht der Volksmund vom „Einschneien“ oder „Zuaschneibn“, während das Ende der Winterdecke als das „Ausapern“ bezeichnet wird. Zwar schneit es meist auch vor dem Beginn der Winterdecke und nach dem Ausapern, doch das eigentliche „Winterfeeling“ im Tal gibt es nur, solange die Winterdecke besteht. Und in der Regel kann man ausschließlich in diesem Zeitraum im Tal auf Naturschnee langlaufen.

Die ZAMG betreibt seit dem Winter 1978/79 Aufzeichnungen zum Schnee in Kitzbühel. Vorher wurde diese Messstelle vom Hydrographischen Dienst Tirol betrieben, aber diese Daten sollen hier ausgeklammert werden. In dieser Untersuchung konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Daten der ZAMG. Wie also hat sich die Dauer der Winterdecke verändert? Was können wir aus diesen Messdaten herauslesen?

1. In den vergangenen 44 Jahren hat die Winterdecke im Mittel 81 Tage gedauert – also nicht ganz 3 Monate.

2. Der durchschnittliche Beginn der Winterdecke ist der 14. Dezember.

3. 81 Tage später, am 05. März, endet im Schnitt die Winterdecke, womit der 06. März im langjährigen Mittel der erste „apere“ Tag ist.

4. Die längste Winterdecke bestand im Winter 2005/06 mit 142 Tagen. Am 17. November hat es eingeschneit und am 08. April ausgeapert.

5. Ebenfalls extrem lang war die Winterdecke 2008/09 mit 138 Tagen.

6. 1997/98 hat die Winterdecke lediglich 23 Tage gedauert. Selbst wenn man es kaum glauben kann, die Daten der ZAMG sagen uns: Es hat am 21. Jänner eingeschneit und die Winterdecke hat bis zum 12. Februar gedauert.

7. Nur unwesentlich besser war der Winter 2006/07 mit mageren 25 Tagen Winterdecke: vom 17. Dezember bis zum 11. Jänner. Vielen ist von diesem kaum vorhandenen Winter der milde Wintersturm „Kyrill“ in Erinnerung, der in einer einzigen Nacht die rennfertige Piste der Streif vernichtete. Folglich fanden beim Hahnenkamm-Rennen 2007 keine Speed-Bewerbe statt, sondern nur zwei Slaloms.

Das Snow-Polo-Turnier in Reith bei Kitzbühel wurde auf Sägespänen gespielt, was die Veranstalter eine Zeit lang „traumatisierte“. Doch mittlerweile ist dies längst in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren waren die Bedingungen für das Turnier meist hervorragend – so auch heuer im Jänner 2022.


Abb.: Die Dauer der natürlichen Winterdecke in Kitzbühel von 1978/79 bis 2021/22. Daten: ZAMG. Grafik: ZUKUNFT SKISPORT

Abb.: Die Dauer der natürlichen Winterdecke in Kitzbühel von 1978/79 bis 2021/22. Daten: ZAMG. Grafik: ZUKUNFT SKISPORT[/caption]


Wo stehen wir in Bezug auf die Winterdecke im heurigen Winter 2021/22? Es schneite am 27. November, also 17 Tage „zu früh“, ein. Trotz kräftigem Weihnachtstauwetter blieb die Schneedecke intakt, wenngleich stark ausgedünnt.

In der ersten Februarwoche liegen am Kitzbüheler Fußballplatz rund 70 cm kompakter Schnee. In der vorliegenden Grafik haben wir für heuer einen vorsichtigen Platzhalter von 100 Tagen eingezeichnet. Dieser Wert würde am Morgen des 06. März erreicht werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Winterdecke bis weiter in den März hinein andauern kann, jedoch ist dies für die langfristigen Betrachtungen weitgehend unerheblich.

Das bringt uns zur Trendanalyse seit 1978/79: Obschon es hartnäckige Leugner der amtlichen Messdaten nicht wahrhaben wollen, gibt es derzeit – trotz markanter Klimaerwärmung in den Alpen, trotz der heißen und sonnigen Sommer samt rasanter Gletscherschmelze – keine Anzeichen, dass die winterlichen Schneebedeckungsperioden im Tal dramatisch kürzer werden.

Im Gegenteil: Die Dauer der Winterdecke in Kitzbühel hat sich in den vergangenen 44 Jahren erhöht, wenngleich dieser Anstieg – so wie oftmals, wenn es Schneemessreihen betrifft – nicht statistisch signifikant ist. Die Messdaten sind, was sie sind: empirisch – es handelt sich um beobachtete Werte. Es gibt daran nichts zu verhandeln. Jedoch lieben die Medien „bad news“ und die Politiker den Populismus. Da kann man die Realität schon einmal ausblenden. Und Angst belebt das Geschäft.

Wie aber passen diese überraschenden amtlichen Schneemessdaten mit der aktuellen, zweifellos vorhandenen Klimaerwärmung zusammen? Nun, bei der Winterdecke betrachten wir nur eine einzige Jahreszeit (Winter) und nur einen einzigen Punkt auf dem Globus – in diesem Fall den Schneepegel in Kitzbühel. Es gibt aktuell (noch) keine Möglichkeit, für diese extrem regionalen und saisonalen Entwicklungen seriöse Prognosen für die nähere Zukunft abzugeben.

Somit wäre es sogar denkbar, dass die hier gezeigte Entwicklung – gegen den globalen Trend – noch eine Zeit lang weiterlaufen könnte. Das chaotische System des globalen Klimas ist de facto um einiges komplizierter, als sich manche Aktivisten das vorstellen.

Das Ende des Wintersports in Tirol ist aktuell weder absehbar noch prognostizierbar. Es wäre wünschenswert, wenn man das den Leuten so sagen könnte.


Zum Co-Autor:
HR Dr. Wolfgang Gattermayr (* 1949 in Linz) studierte Meteorologie und Geophysik an der Universität Innsbruck. Von 1994 bis 2014 leitete er den Hydrographischen Dienst Tirol und hat sich bis zur Gegenwart auf die Plausibilisierung von Altdaten im meteorologischen Bereich spezialisiert.

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Günther Aigner

Günther Aigner (* 1977 in Kitzbühel) ist ein Zukunftsforscher auf dem Gebiet des alpinen Skitourismus. Mit dem 2013 gegründeten Unternehmen ZUKUNFT SKISPORT bietet er Beratungs- und Marketingdienstleistungen auf der Basis von „Forschung aus der Praxis für die Praxis“. ZUKUNFT SKISPORT möchte als Bindeglied zwischen dem akademisch-wissenschaftlichen Denkraum und den alpintouristischen Praktikern verstanden werden. Hierbei wird ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz verfolgt. 2021 ist Aigner an die Universität Innsbruck zurückgekehrt, wo er als „PhD candidate“ (Doktorat „Management“) den Kreis zur akademischen Forschung schließt. Günther Aigner gibt sein Wissen als Gastlektor an Hochschulen in Europa und Asien weiter. Außerdem nimmt er in den Medien als Experte am öffentlichen Diskurs teil. Als „Speaker“ hält er Fachvorträge im In- und Ausland.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Christian Zenkl

    Klimazeitreihen in all ihren Parametern ermöglichen viele gewünschte Ableitungen. Oft reicht schon die Auswahl des Beginns der Zeitreihe, um das zu zeigen, was man zeigen will, oder muss, wenn man sich der politischen Korrektheit oder der Fördergelder verpflichtet fühlt.

    Die hier gezeigte Kitzbüheler Schneereihe ist klimatologisch ausreichend lang und beginnt eben mit dem Start der systematischen Aufzeichnungen dieser Parameter an diesem Ort.
    Ein kleiner Fehler fällt mir auf, es wurden nicht die 100 Tage für heuer eingezeichnet, sondern die mittleren 80. Das würde aber am langfristigen Trend nichts relevantes ändern.

    Angesichts der kommenden Wetterlage und der noch (2. März) ca. 35cm dicken, kompakten Schneedecke in Kitz ist aber mit einer Verlängerung deutlich über die 100 Tage hinaus zu rechnen; und wenn ich ganz böse wäre, so ein richtiger „Klimaleugner“, würde ich für Kitzbühel dann eine 30a Reihe zeigen, beginnend in der schwachen 90er Dekade, und erzeuge einen statistisch hoch signifikanten Trend hin zur längeren Schneebedeckung…;-)

    Vieles ist in Sachen Klima möglich, man findet auch in Österreich langjährige Zeitreihen, die toll oder gar nicht zum Klima Alarmismus-Narrativ passen. Dass es über das letzte Jahrhundert deutlich milder wurde, ist ein Faktum, aber „mild“ schreibt man nicht mehr, „heiß“ wäre korrekt. Es heißt auch nicht mehr Klimawandel oder Erderwärmung, es nennt sich Klimakrise und Erderhitzung.

    Warum ZAMG oder ORF gerne die Wiener Schneedaten zeigen und den weniger gewordenen Schnee in der Großstadt dramatisieren, ist auch so eine typische Klima-Neurose…guter Artikel, weiter so!

  2. Karlheinz Töchterle

    Wohltuend sachliche Darstellung eines für den Wintertourismus in Tirol nicht unwichtigen Sachverhalts, der sich wahrscheinlich an vielen anderen Meßstellen in- und außerhalb des Landes ähnlich zeigt. Ein positiver Gegensatz zu den auch in „Qualitätsmedien“ (so wie zuletzt in TT und ORF) immer wieder geäußerten Katastrophenszenarien vom baldigen Ende des natürlichen Schnees in tieferen Lagen bei uns.

    1. Sehr geehrter Herr Professor Töchterle! Vielen Dank für diesen Kommentar, der Mut macht, den Dingen auch weiterhin auf den Grund zu gehen. Ich liebe meinen Job, auch wenn meine Arbeit großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Eine offene Diskussion zum Thema Schnee scheint in Tirol nicht stattfinden zu dürfen. Jener Schnee, der für dieses Land sowohl Kulturgut als auch Wirtschaftsfaktor ist. Und den viele Bewohner des Landes – so wie ich – sehr lieben.

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