Literarische Korrespondenz:
Liebe Leserinnen! Liebe Leser!
Betrifft:
Bilanz nach eineinhalb Jahren schoepfblog!
Brief des Herausgebers Alois Schöpf

Als ich, gesegnet von den Glücksgöttinnen, meine Arbeit als künstlerischer Leiter der Innsbrucker Promenadenkonzerte nach 25 Jahren noch vor Ausbruch der covid19 Pandemie beendete, war mir von allem Anfang an klar, dass mir bestimmt irgendetwas anderes Verrücktes einfallen würde, um nicht meinen Lebensabend als sinnlos durch die Gegend streifender Pensionist beschließen zu müssen.

Zugleich wurde meine Lust, zu den bereits bestehenden 24 Büchern, die ich im Laufe der Jahrzehnte veröffentlichen durfte, noch weitere hinzuzufügen, durch die Tatsache getrübt, dass inzwischen an der Buchproduktion die Drucker, die Buchhandlungen und die subventionierten Verleger verdienen, der Autor aber zufrieden sein muss, wenn er – mit wenigen Ausnahmen – lediglich nichts verdient und nicht vielmehr etwas dazuzahlen muss. Ganz abgesehen vom geradezu läppischen Absatz in den Buchhandlungen, die sich auf Krimis und Kochbücher verlegt haben und Buchtitel mit Niveauanspruch fast nur noch gefälligkeitshalber, sofern sie den Autor kennen und er, das ist noch wichtiger, ideologisch passt, ihren Kunden ans Herz legen.

Hinzu kommt, dass die Produktion eines Buches oder einer gedruckten Zeitschrift von altehrwürdiger Langsamkeit ist, was weder meiner zu Hektik neigenden Weltbetrachtung, noch einem Medienkonsum entspricht, bei dem Ereignisse idealerweise zeitgleich mit den Meldungen über sie stattfinden sollten.

Aber auch in Erinnerung an die Satirezeitschrift „Luftballon“, bei der ich mitarbeiten durfte, und in Erinnerung an die beachtliche Kulturzeitschrift „Gegenwart“ meiner Schriftstellerkollegen Walter Klier und Stefanie Holzer, beides Projekte, an denen ich nicht als Initiator beteiligt war, fand ich es an der Zeit, dass es nun zur Abwechslung an mir läge, aktiv zu werden und zumindest die Mitstreiter von damals wieder in ein gemeinsames publizistisches Boot zu holen. Was heute durch die Digitalisierung bekanntlich mit geringerem finanziellen und organisatorischem Aufwand verbunden ist.

Weitere Beweggründe für den Start des Onlinemagazins schoepfblog war die Beobachtung noch aus Zeiten der Innsbrucker Promenadenkonzerte, dass in gleicher Weise, wie ich im Rahmen der Musik sehr vielen interessanten, gescheiten und leidenschaftlichen Musikern begegnen durfte, dies nun auch im Rahmen einer intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen ähnlich sein würde, was sich tatsächlich rasch bewahrheitete und zu meinem Lebensglück bereits Wesentliches beitrug und beiträgt.

Ergänzt wird diese private Bilanz durch objektiv feststellbare dramatische Veränderungen im Bereich der Medien, die das kommerzielle Überleben zuungunsten der ursprünglichen Aufgabe des Journalismus, Aufklärung für ein breites Publikum zu betreiben, zum wichtigsten Ziel ihrer Bemühungen gemacht haben. Hier mit einer von den Imponderabilien des Marktes unabhängigen geistigen Freiheit, auch wenn dieses Gegengewicht noch so bescheiden ausfallen sollte, zu intervenieren, erscheint mir inzwischen als Notwendigkeit für jeden Intellektuellen, der beim morgendlichen Blick in den Spiegel nicht wegen Untätigkeit von Selbstekel befallen werden möchte.

Der schoepfblog startete im Mai 2020 und verfügt inzwischen über 33.000 Nutzer und eine ständige Leserschaft von etwa 6000 Personen. Dies ist für ein Medium mit literarischem und intellektuellem Anspruch, vor allem im Hinblick auf den Verkaufserfolg entsprechender Bücher, sehr viel und sehr erfreulich. Im Hinblick auf das Publikum eines Donald Trump oder auch nur im Hinblick auf das Diättagebuch einer Online-Blondine sehr wenig, weshalb ich mich nicht scheue, am Ende meines Briefes um die aktive Mithilfe der Leserinnen und Leser zu bitten.

Aufgrund der Erfahrungen beim Aufbau der Innsbrucker Promenadenkonzerte, die es durch „learning by doing“ zu internationalem Renommée brachten, war der schoepfblog von allem Anfang als „work in progress“ geplant. Entsprechend ist in den letzten eineinhalb Jahren auch die Schar der Autoren und Autorinnen immer umfangreicher geworden, ebenso wurden die Themen, mit denen sie sich geistig auseinandersetzten, immer vielfältiger und reichen inzwischen von Liebesgeschichten über die Probleme der Tierethik und Sterbehilfe bis hin zu ganz konkreten politischen Kommentaren über Impfverweigerer und politische Kulturdilettanten.

Als Verfasser konnten dabei nicht nur professionelle Schriftsteller und Journalisten zur Mitarbeit gewonnen werden, sondern auch Persönlichkeiten aus verschiedensten Branchen, die aus der Sicht einer langen Lebenserfahrung als selbstreflexive Essayisten Wesentliches zur im Grunde allen Artikeln zugrundeliegenden Frage beizutragen versuchen: Wie lebt man richtig?

Dass mit einem solchen Engagement zumindest bisher kein Geld zu verdienen war, sollte nicht verschwiegen, aber auch nicht jammervoll beklagt werden. Auf mein Ansuchen an das Land Tirol hin, zumindest für die Honorierung der Autoren eine gewisse Unterstützung gewährt zu bekommen, fiel die Antwort nicht nur arrogant, sondern auch unverantwortlich dumm aus: Man fördere keine Blogs! Und das in einer Zeit, in der jeder zweite Satz unserer Regierenden in einem Aufruf zu mehr Digitalisierung besteht.

Selbstverständlich hatte auch der diskrete Hinweis an das geschätzte Publikum, eventuell etwas zu spenden, keinerlei Wirkung, woraus ich mitnichten einen Vorwurf ableiten möchte, habe ich doch selbst noch nie etwas auf ein solches Begehren hin überwiesen. Blieben also als letzte Möglichkeit, an ein wenig Geld zum Zwecke der fairen Honorierung für geleistete Arbeit heranzukommen, Werbeeinschaltungen.

Die Vorstellung, wie wortgewaltig die Vorwürfe vonseiten überkritischer Leserinnen und Leser, nunmehr endgültig korrumpiert worden zu sein, ausfallen würden, wenn schoepfblog etwa von der Seilbahn-, Energie- oder Tourismuswirtschaft unterstützt würde, trieb mir allerdings den Schweiß auf die Stirn und bestärkte mich darin, von derlei Bemühungen abzusehen. Zumal die für Honorare benötigte Summe von ca. 25.000 € pro Jahr mit Werbung allein ohnehin nie aufgebracht werden könnte.

Somit sind es vor allem zwei Eigenschaften, welche die Arbeit der Autorinnen und Autoren im schoepfblog auszeichnen: Sie sind, da sie nichts bekommen, frei wie die französischen Enzyklopädisten, die an der Wiege der Aufklärung standen und ein gigantisches Wissen zusammentrugen, ohne dabei etwas zu verdienen, was auch nicht notwendig war, da sie, wie Wikipedia es auflistet, ihr Geld in anderen Berufsfeldern verdienten oder als vermögende Rentiers schon hatten:

Unter den Berufen der Enzyklopädisten lassen sich drei größere Gruppen ausmachen: 23 unter ihnen praktizierten als Ärzte, 24 lehrten an Schulen oder Universitäten und weitere 24 dienten als königliche Beamte. Die nächstgrößere Gruppe war die der Kleriker (sechs katholische Pfarrer und vier protestantische Pastoren).

Neun weitere Enzyklopädisten arbeiteten als Anwalt oder Richter.
Vier der Enzyklopädisten waren Unternehmer. Antoine Allut (1743–1794) übernahm die Glasmanufaktur seines Vaters, Étienne Jean Bouchu (1714–1773) war in der Eisenverarbeitung tätig und die beiden Verleger der Encyclopédie Michel-Antoine David (1707–1769) und André-François Le Breton gehörten zur Pariser Buchhändler- und Druckergilde, der Communauté des libraires et imprimeurs.

Darüber hinaus waren zwei als Architekten (Jacques-François Blondel und Jacques-Raymond Lucotte), einer als Diplomat (Friedrich Melchior Grimm), einer als Apotheker (Jacques Montet, 1722–1782), zwei als Geographen (Jean-Baptiste Bourguignon d’Anville und Didier Robert de Vaugondy) und einer als Bildhauer (Etienne-Maurice Falconet) tätig.

Einige Enzyklopädisten haben militärische Karrieren eingeschlagen; unter diesen nahm Ogiński als General der litauischen Armee den höchsten Rang ein.

(https://de.wikipedia.org/wiki/Enzyklopädist)



Die Autorinnen und Autoren des schoepf Blog haben zum zweiten, wie bereits angedeutet, in der Mehrzahl ihr bürgerliches Berufsleben bereits beendet und verdanken ihre ökonomische Unabhängigkeit ihrem Status als Rentner. Eine im Übrigen vollkommen überraschende neue Entwicklung, die auf eine Generation von Alten verweist, die sich dem Diktum sozialdemokratisch formatierter Lebensläufe verweigert, nach Ableistung des Berufslebens nur noch ausruhen zu wollen, was bedeutet, in eine unter dem Titel „Pension“ überschriebene gesellschaftliche Selbstliquidation miteinzustimmen.

Nein, weder ich, noch die meisten meiner im Blog schreibenden Kolleginnen und Kollegen würden sich in diesem Sinne als Pensionisten bezeichnen, sondern sind geistig immer noch hochaktiv, nutzen ihre Tage und Kräfte mit Klugheit und wissen die unvergleichliche Chance zu schätzen, durch den sozialen Frieden und den Wohlstand der letzten Jahrzehnte, aber auch durch den Fortschritt der Medizin ein Alter erreicht zu haben, dass es Ihnen möglich macht, auf ein immer längeres Leben zurück zu blicken und daraus wichtige Erkenntnisse abzuleiten. Wenn, wie der Verhaltensforscher Konrad Lorenz es definierte, Leben „Lernen“ bedeutet, dann durften die meisten von uns lange lernen und ein Wissen ansammeln, das weiter zu geben uns eine große Freude bereitet.

Bleibt also nur noch den Autorinnen und Autoren, den Leserbriefschreiberinnen und Leserbriefschreibern und dem interessierten Publikum, aber auch meinem Webmaster Roland Schrettl und all jenen, die durch ihre Kritik und ihre Korrekturen die Möglichkeit für Verbesserungen schufen, ganz herzlich für ihre Zuwendung, ihre Leistungen und ihre Aufmerksamkeit zu danken. Und diesen Dank, wie angekündigt, mit der Bitte an das geneigte Publikum zu verbinden, die Sympathie für das Projekt dadurch zum Ausdruck zu bringen, einige Minuten zu opfern und mit wenigen Klicks Freunde und Freundinnen eines freien Geisteslebens auf den schoepfblog hinzuweisen und sie dazu zu animieren, sich unseren wöchentlichen Newsletter zusenden zu lassen. Oder, auch diese Einladung sei ausgesprochen, sich reich an Lebens- und Berufserfahrung als Autor oder Autorin mit eigenen Texten oder Kommentaren an unserem Projekt zu beteiligen.

Alois Schöpf, Herausgeber

Wenn Ihnen schoepfblog gefällt, bitten wir Sie, sich wöchentlich den schoepfblog-newsletter zukommen zu lassen, und Freundinnen und Freunde mit dem Hinweis auf einen Artikel Ihres Interesses zu animieren, es ebenso zu tun.


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Alois Schöpf

Alois Schöpf, Autor und Journalist, lebt bei Innsbruck. Alois Schöpf schreibt seit 37 Jahren in Zeitungen und Zeitschriften, zuletzt seit 28 Jahren in der Tiroler Tageszeitung, pointierte und viel gelesene Kolumnen. Er ist einer der dienstältesten Kolumnisten Österreichs. Zahlreiche Veröffentlichungen, bei Limbus: Vom Sinn des Mittelmaßes (2006), Heimatzauber (2007), Die Sennenpuppe (2008), Platzkonzert (2009), Die Hochzeit (2010), Glücklich durch Gehen (2012), Wenn Dichter nehmen (2014), Kultiviert sterben (2015) und Tirol für Fortgeschrittene (2017). Zuletzt erschien in der Edition Raetia Bozen gemeinsam mit dem Fotografen und Regisseur Erich Hörtnagl "Sehnsucht Meer, Vom Glück in Jesolo", die italienische Übersetzung wurde zeitgleich präsentiert. Und es erschien, wieder bei Limbus, "Der Traum vom Glück, Ausgewählte Alpensagen". Schöpf ist auch Gründer der Innsbrucker Promenadenkonzerte und leitete das erfolgreiche Bläserfestival fünfundzwanzig Jahre lang bis 2019.

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