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Helmuth Schönauer
OBS! - Der Nachrichten-Gottesstaat
Stichpunkt

Müssen wir Intellektuelle wirklich alle die FPÖ wählen, damit die ORF-Pflicht abgewehrt werden kann wie seinerzeit die Impfpflicht?

1.
Der neue Gott am Medienhimmel heißt OBS. Er ist nicht fassbar, lässt sich wie ein Fluch aussprechen und vor allem: Aus seinen Fängen gibt es kein Entrinnen! OBS ist die neue ORF-Beitrags-Service GmbH, die seit Jahresbeginn die Haushalte abcasht. Vormals wurde sie GIS genannt. Aber wie schon der Name sagt, ist durch das GIS-Kannensystem zu wenig Geld eingespült worden.

Obwohl mittlerweile alle von den Sendekrallen am Nacken gepackt und in die Sendesphäre des ORF gezogen werden, ist die Stimmung schlecht bis ignorant. Der ORF geht den meisten am Oasch vorbei, lautet der sachkundige Befund dazu.

2.
Es redet niemand mehr über das Programm, weil das Wetter inzwischen wieder spannender geworden ist als das, was aus diversen Kanälen kommt. Die jüngeren Generationen scrollen noch ein wenig an ORF-Apps herum, die Analogen ziehen sich in die diversen Blasen zurück, um etwa auf Ö1 einem Satz aus der Naturwissenschaft zu frönen: Die Tiere schauen aus wie Vogelkot. Anderen genügt bei Ö1 schon das erste Wort der Moderation, um den Sender zu wechseln – kapriziös.

Wenn es noch Reste von Diskussion gibt, dann darüber, ob die schrille Opposition gut daran tut, wieder einmal eine Einrichtung zu zerstören, wenn sie an die Macht kommt. Oder ob es nicht klüger ist, den ORF zu dulden wie die Kirche, aus der Überlegung heraus, dass sonst evangelikale Kleingruppen das Ruder übernehmen und letztlich die Religion militarisieren. Wermutstropfen bei diesem Gedankengang: Aus der Kirche kann ich austreten, aus dem ORF nicht.

3.
Obwohl keine offizielle Diskussion über OBS und ORF geführt wird, ergibt sich ein erstaunlich umfangreicher Fragenkatalog, wenn man beiläufig Gespräche unter Kunden auswertet.

Aus Tiroler Sicht fünf Fragen:
– Warum muss ich Südtirol heute zwangsfinanzieren, wenn diese Sendung auf fremdem Staatsgebiet ausgestrahlt wird?
– Warum muss ich mir jeden Tag, an dem die Sonne scheint, den Tipp anhören, ich soll schifahren gehen?
– Warum muss ich mir jede Stunde anhören, wie jemand vor der Verkehrskamera sitzt und die Lage durchgibt, die ich schon längst am Navi des Dashboards habe?
– Warum muss ich mir jeden Tag Sportverletzungen samt Hubschraubereinsätzen anhören? 

Ich höre mir ja auch nicht vom Sportplatz die Verletzungen an, wenn sich Kontrahenten foulen oder diverse Sportgeräte wie Speere oder Säbel vorolympisch in den Leib rennen? Oder umgekehrt gefragt: Warum wird dann nicht auch häusliche Gewalt stündlich in den Nachrichten zur Schau gestellt?

4.
Vielleicht sollte man mit einem differenzierten Gebührenmodell auf die Wünsche des Publikums reagieren.

Man könnte drei Qualitätsstufen anbieten.

a) Premium-Modell
Gegen einen Aufschlag wird die Werbung mit einem neutralen Jingle überspielt, sodass man nicht jedes mal das Gerät ausschalten muss, wenn die volle Stunde naht. Momentan nämlich sitzen vor allem rund um die Nachrichten die Werbenester, die unter Hör-Zwang besonders aggressiv wirken.

b) Depressiv-Modell
Man lässt sich die Haushaltsgebühr automatisch einziehen, ärgert sich und wird depressiv, um dann bei nächstbester Gelegenheit jene Partei zu wählen, die mit dem ORF-Zwangs-Spuk Schluss macht.

C) Economic-Modell
Man wählt als Kunde auf einer Liste aus, wen man keinesfalls mehr auf Bildschirm oder Hörfläche zu sehen wünscht. Jeder darf zehn Streichungen vornehmen und wird mit einem Gebührenrabatt belohnt. Finanziert wird dieser dadurch, dass die teuersten und präpotentesten ORF-Personen gekündigt werden und somit das Sende-Budget entlasten.

Durch die angedrohten Streichungen muss sich übrigens das satt gewordene Personal bemühen, das Publikum wenigstens während der Sendung  wertzuschätzen.

Denn darauf läuft es ja hinaus:

Wenn die ganze ORF-Chose mit Zwang geschieht, so fühlt sich das Publikum in Zwangshaft genommen und von Sendewärtern gedemütigt, die offensichtlich etwas Unglaubwürdiges verkünden, das sich freiwillig niemand antun würde.
Abschätzig definiert man das als einen Nachrichten-Gottesstaat.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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