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Helmuth Schönauer
Altar-Sex
Stichpunkt

Prozess um Sex in Kirche:
Altar in Bayern muss womöglich neu geweiht werden!

Neben dem unschlagbar effizienten Unterhaltungswert haben Berichte von Prozessen immer auch einen didaktischen Hintergrund. Seht her, was euch passiert, wenn ihr Verfehlungen macht! Wir erwischen euch alle! Und ihr kriegt einen Prozess, der nur für die anderen unterhaltsam ist!

Generell gilt für den analog auftretenden Übeltäter in katholisch geprägten Ländereien, dass nichts so gnadenlos verfolgt wird wie falscher Sex am falschen Ort. Das Schlimmste, was du als Triebgesteuerter tun kannst, ist die Nach-Inszenierung eines Sex-Clips, indem du beispielsweise Altar-Sex machst.

Traunstein – Nach dem Sex in einer oberbayerischen Kirche muss dort womöglich der Altar neu gesegnet werden. „Insbesondere mit Rücksicht auf das religiöse Empfinden der Gläubigen ist eine solche Schändung durch einen Bußritus nach Maßgabe der liturgischen Bücher zu beheben“, sagte ein Sprecher des zuständigen Erzbistums München und Freising. Ein solcher Bußritus sehe vor, dass der Altar abgedeckt und mit Weihrauch und Weihwasser neu gesegnet werde.

Vor dem Landgericht Traunstein hatte am Mittwoch ein Prozess gegen einen 39-Jährigen aus Rosenheim begonnen – unter anderem, weil er in der Nähe des Altars in der katholischen Kirche in Schechen bei Rosenheim Sex mit seiner Frau gehabt und davon Bildmaterial angefertigt haben soll.

Quelle: dpa, red, 24.11.2023

Leider wird aus Datenschutzgründen nichts vom angefertigten Bildmaterial gezeigt, dafür gibt es ein Symbolbild über einen Ort, der dem Gottesdienst einer Religionsgesellschaft gewidmet ist.

Als in der Zeitung lesender Prozess-Beobachter fallen einem sofort die vielen sexuellen Übergriffe ein, die in den letzten Jahrzehnten im kirchlichen Milieu stattgefunden haben. Zumindest steht es in der Zeitung, dass es das gegeben haben soll.

Damit tun sich vier Fragen auf:

1. Was nun, wenn nach den Schändungen unter dem Schutz diverser Kutten vergessen worden ist, die Altäre neu zu segnen?

2. Sind dann alle rituellen Handhabungen in Altarnähe ungültig?

3. In welchen Asservatenkammern werden die Messen, Taufen und Einsegnungen dokumentiert, die in der Nähe ungültiger Altäre geschehen sind?

4. Und was sagen eigentlich die Altäre dazu, die ja irgendwie beseelte Wesen sind, wenn auf oder neben ihnen ungefragt Sex geschieht?

Vielleicht hat die Kirche doch ein Herz für die Opfer von Schändungen. Sie ist wahrscheinlich nur etwas verklemmt, aber auf einem guten Weg. Wenn sie sich nämlich jetzt schon um Altäre kümmert, die geschändet worden sind, und die Täter bestrafen lässt, ehe sie mit der Neusegnung beginnt, vielleicht wird sie diesen Weg auch gegenüber jenen Opfern beschreiten, die vom Kirchenpersonal auf oder neben dem Altar geschändet worden sind.

Diese alle neu zu taufen, wird wohl zu wenig sein. Vielleicht sollte man auch ab und zu einen Täter bestrafen, damit die Prozessberichte ihren moralisierenden Zweck erfüllen: Seht her, wir erwischen jeden in und rund um Rosenheim herum!

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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