Helmuth Schönauer bespricht:
Elsbeth Wallnöfer
How to wear a Dirndl.
(K)eine Gebrauchsanleitung
Die lebenslustige Selbstbefreiung eines Kleidungsstücks

Wenn etwas als Luftikus-Ereignis für gute Laune sorgen soll, steht es der Wissenschaft nicht gut an, durch tiefernste Forschung die Stimmung zu vermasseln. Das Dirndl ist ein Dresscode für gute Laune, Freizeit und ausgelassene Stimmung, das bevorzugte Einsatzgebiet ist das Münchner Oktoberfest, auf dem vermutlich niemand wegen seiner großen Gedanken unterwegs ist.

Elsbeth Wallnöfer kommentiert in ihrem kulturpolitischen Essay augenzwinkernd Geschichte und Kult rund um das Dirndl. Ohne moralische Belehrung ist ihr Ton wohltuend milde, der dem Themenfeld Tracht, Dirndl und Rustikalität zuteil wird.

Im besten Fall kommt der Jux als Originalzitat an die Oberfläche des Alltags, wenn etwa zwei Sexfilme genannt werden, die eine ganze Generation in den 1970ern aus dem Gewand geworfen haben. Unterm Dirndl wird gejodelt (1973), Liebesgrüße aus der Lederhose (1973).

Dabei hat das Dirndl ursprünglich einmal zur Befreiung der Frauen vom patriarchalischen Diktat durch die Tracht beigetragen. Als nämlich leichte Stoffe aufs Land kommen, die sich flott und kreativ bearbeiten lassen, finden sich mancherorts Frauengruppen zusammen, die ihre Dirndl teilweise als Karikatur zur Tracht nähen.

So klagt August Lewald in einem männlichen Reisebericht aus dem Zillertal um 1835 darüber, dass die Frauen mit Hängebrüsten herumrennten wie im afrikanischen Busch. Vierzig Jahre später beklagt er, dass die Brüste zu hochgebunden seien. Inzwischen hatten die Frauen nämlich das Kalibrieren ihrer Silhouetten selbst übernommen.Diese seltsamen Reiseberichte sind unter dem Aspekt zu lesen, dass im 19. Jahrhundert nur die wohlhabende Kaste aufs Land gefahren ist und die darin aufgestellte Bevölkerung als landmalerische Staffage wahrgenommen hat.

Die aufkeimende Dirndl-Mode wird eine Zeit lang à la Tyrolienne genannt, obwohl ihre Zentren schon immer auf Salzburger Terrain gelegen sind. Auf Dirndlbällen wird schließlich die selbstgenähte Kleidung in Gebrauch und Verkehr gebracht. Dirndln ist in der Hauptsache eine schicke Kultur zwischen Lifestyle und Mode.

Die Politik greift regelmäßig in das fröhliche Dirndl-Handwerk ein, indem sie von Zeit zu Zeit muffige Inhalte darüber setzt: mal gilt das Dirndl als Identitätsanker für die Region, dann als Freizeitlook während der Festspiele in Salzburg. Unter den Nazis wird Dirndl-Nähen den Jüdinnen untersagt, den übrigen Frauen wird in Gestalt der Innsbruckerin Gertrud Pesendorfer eine Tracht-Beratung verordnet, die bis weit in die Nachkriegszeit hineinwirkt. (Hier erfährt die Fügung eine Tracht Prügel besondere Verschärfung.)

Während das Dirndl im Tourismus und auf dem Oktoberfest zu einer Art Berufsbekleidung wird, setzen sich der Softporno und die Avantgardekunst grotesk mit der Dirndelei auseinander. Oswald Oberhuber inszeniert zwischen Spott und Klischee ein üppiges Dirndl als Berg und Tal, eine Salzburger Galerie inszeniert einen Dirndlsprung für allerlei Geschlechter, Attac Österreich nutzt das Dirndl als subversiven Code. Den größten Karriereschub durch ein Dirndl legt schließlich die Hostess Silvia Sommerlath aus Heidelberg hin, als sie nach dem Dirndl-Einsatz bei den Olympischen Spielen in München 1972 zur Schwedischen Königin mutiert.

Der Dirndl-Kult in der Politik scheint ungebrochen zu sein. Selbst die Grünen haben anlässlich der Kandidatur van der Bellens die Aktion Dirndeln für den Bundespräsidenten ausgerufen. Auf rechtspopulistischen Kirtagen ist dieses bemerkenswerte Kleidungsstück längst Pflicht, in manchen Ansprachen wird das Dirndl schon wieder als deutsches Kulturgut bezeichnet.

Der Essay von Elsbeth Wallnöfer schließt mit einer Bestandsaufnahme der wichtigsten Dirndl-Teile, für die eine spezielle Gebrauchsanweisung beigefügt ist, – Putzen, Pflege, Konservieren von Korpus, Schürze, Bluse, Stutzen, Schuhe, Hut und Frisur.

Elsbeth Wallnöfer: How to wear a Dirndl. (K)eine Gebrauchsanleitung. Die lebenslustige Selbstbefreiung eines Kleidungsstücks. Abbildungen. Salzburg: Anton Pustet Verlag 2024. 128 Seiten. EUR 20,-. ISBN 978-3-7025-1142-5.
Elsbeth Wallnöfer, geb. 1963 in Südtirol, lebt in Wien.

Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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