Helmuth Schönauer
Untergang mit Tieren
Stichpunkt

Sind Kinder eigentlich Luxus oder Staatsräson?
Sollte man angesichts der Energiekrise nicht auch den Geburtszulauf der Bevölkerung deckeln?

Muss ich Mitleid haben mit jenen, die im gesellschaftlichen Desaster zu karnickeln anfangen und Kinder in eine apokalyptische Welt setzen?
Und was ist mit der Parole: Wer ein Kind zeugt, beschleunigt den Untergang der Erde?

Die Stimmung auf der Welt war schon einmal optimistischer. Der Konsens zwischen den Generationen, wonach Kinder was Tolles sind, wird mit jedem Jahr geringer.

Nicht nur Frauen sind angefressen, wenn sie in die Pension eintreten und sehen, dass sie seit Jahrzehnten die Ausgeschmierten sind, weil sie sich um Kinder gekümmert haben.

Auch die Kids haben schon in frühen Lebensjahren von der Welt genug und pfeifen auf die Trugbilder, die man ihnen als Lebenssinn über das Gitterbettchen hängt.

Sobald sie sprechen können, verstummen sie, ziehen sich von der Welt zurück und verlangen nach permanenter Therapie.

Und selbst in materiell gut ausgestatteten Familien mit angeschlossener Reproduktionswerkstätte nimmt der Frust zu: Erben sitzen angefressen über den Gütern und Konten und sind sauer, dass man ihnen zur materiellen Ausstattung nicht auch noch den passenden Sinn vererbt hat.

Bleibt als Ausweg das Haustier.

Immer öfter darf man es ins Altersheim mitnehmen, es versteht auch in katastrophalen Zeiten, wie man kommuniziert, es ist da und redet nicht drein, man kann ihm am Abend etwas vorlesen und am Morgen von den Schmerzen berichten, die einen beim Aufstehen plagen.

Und seit dem Überfall Putins wissen wir, dass man Haustiere auch mitnehmen kann, wenn man fliehen muss, wenn die Impfungen stimmen, kann man sie auch in tierärztliche Betreuung geben.

Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis man das Klimaticket auch für Tiere lösen kann.

Wie bei allen Lösungen, die auf den ersten Blick als ideal erscheinen, kriegen auch Haustiere einen Pferdefuß, wenn man sich zu lange damit beschäftigt. Wie schaut eigentlich der ökologische Pfotenabdruck eines Haustieres aus?

Wir regen uns über Schweine auf, die übermäßig in die Welt urinieren, und über Kühe, die ihre Lebensunlust als Methan aus Maul und After pressen. Aber was macht der Fiffi für einen Abdruck, wenn ich ihn mit erlesenem Dosenfutter aus geächteter Massentierproduktion verwöhne?

Nehmen wir einmal an, das Kilo Lebendgewicht erzeugt bei Kind und Hund die gleichen Klimaschäden. Müsste ich dann nicht auch beim Gaseinsparen bei beiden ansetzen?

Ein Haustier kostet mittlerweile gleichviel wie ein Kind, freilich mit dem Unterschied, dass mich ein Hund nach vierzehn Jahren verlässlich verlassen wird, während ich das Kind mit etwas Pech ein Leben lang auf der sozialen Hängematte sitzen habe.

Der Ausweg: Wenn die Gaspreise in die Luft schießen, die Lebenslust gedämpft ist und für Optimismus kein Spielraum mehr besteht, so hört endlich auf, Kinder zu machen und zu jammern.

Legt euch als Übergangslösung ein Haustier zu, solange ihr noch ein Zuhause habt. Und beginnt endlich mit dem Verabschieden! Macht noch ein paar schöne Worte um euch und versaut euch nicht das Leben mit einem miesen Abgang!

Die Vergänglichkeit zeigt sich in der Zeitlosigkeit.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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