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Helmuth Schönauer
Landhausuhr
Die Verbesserung Tirols

In loser Folge stellt schoepfblog Projekte, Träume und Treatments vor, in denen es um eine Verbesserung von Tirol geht. Kluge Parteien werden diese Serie abonnieren und überlegen, ob sie nicht die eine oder andere Idee in ihr Portfolio aufnehmen, haben sie doch meist außer Bauplänen für Chalets nichts im Zauberkasten der Phantasie.

Der Landhausplatz, immer noch nach einem NSDAP-Mitglied benannt, bietet so gut wie allem eine Heimat, was wie ein Denkmal ausschaut oder generell zum Denken anregt.

Kein Wunder also, dass sich gerade Bronzekünstler, die gerne für die Ewigkeit arbeiten, von diesem Platz angezogen fühlen.

Der letzte Bronzevorstoß stammt von Rudi Wach, der seinen nach quadratischen Vorbildern gegossenen Altlandeshauptmann im Eingangsbereich des Landhauses aufstellen wollte, damit zumindest die Beamten sähen, wer ihnen seinerzeit die Probleme von heute eingebrockt hat.

Mittlerweile haben die Skater den Platz übernommen, ihre spitzen Rollgeräusche machen zwar die Anwohner nervös, verschaffen aber eine ungeahnte Arbeitsmoral. Von der Früh weg von diesen amerikanisch wirkenden Filmgeräuschen eines Tinnitus-Dramas begleitet, ist an Büroschlaf nicht zu denken, und die Hofräte in spe arbeiten um ihr Leben, um sich möglichst mit dreißig karenzieren zu lassen, sollte die Arbeit sich nicht von sich aus zurücknehmen.

Zwischendurch wird der Platz regelmäßig für Demonstrationen genutzt, deren Arbeitstitel auf einer Demonstrations-App angeboten werden.

Die Friday-Kids etwa schauen ab Mittwoch argwöhnisch auf die App, was wohl am Freitag für ein Thema sein wird, und meist steht da bloß Friday for Friday.

Die Serie „Verbesserung von Tirol“ versucht, alle diese Strömungen, die quer über den Landhausplatz huschen, zu kanalisieren und einem gemeinsamen Ziel zuzuführen.

Das Ziel heißt: Tirol muss gut regiert werden!

Zu diesem Zweck ist eine Uhr aufgestellt, deren erste Entwürfe etwas an die berühmte Weltuhr am Berliner Alexanderplatz erinnern.

Auf dieser Provinz-Weltuhr also ist die Zeit angeführt, die der Regierung noch bleibt, um die Wahlversprechen bis zum nächsten Wahltermin einzuhalten.

Vor allem die Friday-Kids kriegen durch diese Uhr erstmals eine Vorstellung, was Zeit in der Politik bedeutet.

So mancher Abgeordnete fühlt sich an ein Schirennen erinnert, das ja auch jeweils heruntergezählt wird. Noch siebzehn Tage bis zur Hahnenkamm-Abfahrt! Wer würde sich da nicht zu einer Beschleunigung seines Wirkens hinreißen lassen, zumal der Landtag zu hundert Prozent aus Schifahrern besteht.

Während auf der Landtagsuhr also die verbleibende Wirkzeit unbarmherzig heruntergezählt wird, sind auf den Seitenflügeln der Uhr, einem Flügelaltar ähnlich, die wichtigsten Regierungspunkte aufgeführt, damit allen klar wird, worum es geht.

In den letzten siebzig Jahren, – so lange regiert schon die Einheitspartei, indem sie einfach immer wieder die Uhr zurückdreht – sind die drei Top-Punkte unverändert geblieben: Mehr Tourismus! Mehr Kunstschnee! Mehr Schifahren!

Vife Bronzekünstler haben schon angeboten, diese Regierungserklärung in Bronze zu gießen und neben der Landhausuhr aufzuhängen.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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