Helmuth Schönauer
kalt / warm
Stichpunkt
„Wer jetzt mit russischem Gas heizt, heizt mit unseren Leben.“
Nach so einem Appell aus der Ukraine kann niemand mehr unaufgewühlt zum Lesen und Schreiben von Glossen oder anderen Literatursorten übergehen.
Große Desaster krempeln die Literatur manchmal dahingehend um, dass sie sich ein wenig vom Literaturmarkt entkoppelt und auf ihre wesentliche Aufgabe besinnt: Trost, Rat, Aufklärung und Hoffnung zu geben.
Dass es im gegenwärtigen Literaturbetrieb ausschließlich um Preise, Kekse, Stipendien und Abknutschen in der Festival-Blase geht, zeigt sich schon daran, dass die dabei herumgeschobene Literatur höchstens Ekel darüber auslöst, was alles ein Luxusproblem sein kann.
Eine ansonsten begeisterte Leserin des unsäglich primitiven Osttiroler Krimi-Autors Bernhard Aichner sagt es ungefragt bei einer Begegnung am Gehsteig: „Wie kann man nur angesichts dieses Krieges daran denken, so einen grundlosen Krimi zu schreiben oder gar zu lesen.“
Kalt / warm betrifft nicht nur den Griff an die Heizung, sondern auch den Griff ins Buchregal. Angesichts von Menschen, die echt ihr Leben verlieren, mit Sätzen zu spielen, wie man eine Leiche im Krimi drapiert, ist verwerflich und gehört geächtet!
Die Corona-Krise hat offensichtlich dem Literaturbetrieb die Augen nicht geöffnet. Nachdem alle ihre Balkongeschichten und Einsamkeitsreporte abgeliefert haben, geht es in den Katalogen der nächsten Produktionen schon wieder um Gendern, weiße Männer, geschützte Wölfe und Aussteigerszenarien bei Schafherden.
In der Lyrik ist nach wie vor das Verbal-Selfie im Vormarsch, die lyrischen Ichs erzählen hemmungslos von ihren Räuschen und verlorenen Liebschaften während der Pandemie.
Ein großes Unbehagen überfällt auch die Rezensenten, wenn sie plötzlich völlig belanglose Titel, die für eine heile Welt geplant waren, in der grausamen Welt verankern müssen.
Und natürlich gibt es auch wieder jede Menge Ratschläge. Drei davon sind hier für schöpfblog ausgesucht:
1. Beschränke den Tageskonsum an Desasternachrichten auf eine Viertelstunde. Das Beiwerk an Kommentaren bringt dich nicht weiter, denn die Nachrichtenmoderatoren sind genauso hilflos wie du.
2. Aktiviere dein persönliches Hilfswerk, sofern du eines hast.
Unser kleine edition BAES in Zirl hat einen ukrainischen Lyriker übersetzt, den wir lebend in den Westen bringen wollen. Als Zeichen der Solidarität steht sein Lyrikband „Notaufnahme“ als kostenloser Download zur Verfügung.
https://www.edition-baes.com/
3. Wenn dich als Individuum etwas wurmt und du deshalb unglücklich bist, probiere es einmal mit Solidarität, statt mit Ich-Therapie.
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Danke