Helmuth Schönauer
Heizkostenzuschuss für Oma
Stichpunkt
Mama, sollen wir für die Oma einen Heizkostenzuschuss beantragen?
Ja Sophie, du sagst es, jetzt gibt es von der Landesregierung einen Zuschuss, den man sich unkompliziert abholen kann.
Im Regionalfunk werden immer wieder patriotische Hinweise gesendet, wobei im Spot eine kleine Sophie mit ihren Eltern über geile Sachen spricht. Etwa Schifahren mit besonders kinderfreundlichem Ticket. Biofleisch aus eigener Schlachtung. Oder Gesundheitsberatung für besonders strapazierte Organe.
Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Landes spricht mit diesen bezahlten Spots die Alten an, die womöglich in den letzten Zügen im Bett liegen und ihr Radio Tirol hören, das ebenfalls erstaunlich morbid aus dem letzten Loch pfeift.
Und tatsächlich, wenn am Nachmittag die echte Sophie mit der Mama zu Besuch kommt, ist die erste Frage der Oma die nach dem Heizkostenzuschuss für das Biofleisch. Die Oma redet nämlich jetzt genauso wirr wie die Werbespots der Regierung. Die haben sie ganz durcheinander gebracht.
Die Landesregierung hält sich übrigens, was ihre Sendeauftritte betrifft, an die gleichen Beruhigungsmuster, wie sie auch in anderen Bundesländern oder in Deutschland öffentlich-rechtlich gehandhabt werden.
Was man nicht verändern kann, versieht man mit einem Ablaufdatum und stellt es dann in den Kalender zurück. So tritt die magische Zahl 2030 immer dann auf, wenn etwas unlösbar ist. 2030 werden wir elektrisch sein! Der Transit wird sich in Akkus aufgelöst haben und die Bodenversiegelung wird stagnieren, weil es keinen Grund mehr gibt, auf dem man etwas versiegeln könnte.
Die anderen Sachen bleiben zwar auch unverändert, werden aber mit dem klassischen Dreischritt pseudodemokratischer Floskeln abgehandelt:
a) Benennung des Problems und Verwendung des Wortes „gemeinsam“, während darüber gesprochen wird.
b) Ausschüttung von Finanzhilfen nach dem Postleitzahlenprinzip: Jeder, der eine Postleitzahl hat, ist bezugsberechtigt.
c) Überführung des Problems in psychologische Institutionen. Im Idealfall kriegt jeder Jahrgang der Bevölkerung einen besonders jahrgangsgeschulten psychologischen Dienst bereitgestellt.
Kurz nach dem Start des neuen Jahres gibt das Land Tirol also bekannt, dass aus dem alten Jahr noch allerhand Beruhigungsgeld zur Verfügung steht, das noch nicht abgerufen worden ist. Das erklärt den Förderungshinweis im Radio, der täglich als kleine Aufwachgeschichte mit der Heizkosten-Sophie ausgestrahlt wird.
Ein Parallelfall erreicht uns aus Deutschland, wenn auch, wie üblich, mit größeren Dimensionen. Dort haben nach der Flutkatastrophe im Rheinland-Pfälzischen Ahrtal von 50.000 Bezugsberechtigten gerade mal zehn Prozent Ansuchen für den Wiederaufbau eingereicht.
Trotz der Trauer um 134 Tote sind nach 1½ Jahren aus dem bereitgestellten Milliardentopf erst ein paar Millionen abgerufen. Den Kommunen wurden inzwischen von den Landesregierungen Erlässe zugestellt, sie sollten gefälligst die Hürden bei Ansuchen abbauen.
Dazu passt eine Notiz aus einer Broschüre für Bedienstete des Bürgerservices im österreichischen Unterrichtsministerium. Dort lautet eine Empfehlung: „Erstellen Sie Ihre Formulare so, als ob Sie sie selbst ausfüllen müssten.“
Natürlich rechnen in der großen Katastrophe im Ahrtal und in der kleinen in der Tiroler Landesregierung alle damit, dass die potentiellen Bezieher vor dem tatsächlichen Bezug das Zeitliche segnen. Um so Geld zu sparen und die Wartezeit zu verkürzen, vielleicht auch, um diese final zu beschleunigen, werden als Überbrückung psychologische Hilfestellungen angeboten nach dem Motto: Wenn du schon nicht imstande bist, einen Heizkostenzuschuss zu beantragen, dann geh wenigstens zur Psychologin und sag ihr, dass du frierst!
– Gell Sophie, wir schicken die Oma auf jeden Fall zur Psychologin, jetzt, wo es gratis ist!
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