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Helmuth Schönauer
Die Qual des Equal-Days
Stichpunkt

Als Kind hat man das Jahr noch halbwegs unter Kontrolle, die Feiertage unterscheiden sich nicht von Sonntagen und sind schulfrei. Am 1. April musst du die Co-Kids in den April schicken und am 31. Oktober den Grusel von Halloween auspacken. Der Sparefroh, der früher an diesem Tag als Kürbiskopf im Einsatz war, ist mittlerweile ein Opfer der Inflation geworden und ausgestorben.

Längst hat die Presse entdeckt, dass besondere Tage ideal sind für Nachrichten, die man von einem Jahr auf das nächste abschreiben kann. So gibt es den Tag des Wassers, der Luft und der Erde. Alle diese Substanzen nehmen zu, ab, erhitzen sich oder verdampfen, so dass genug Stoff ist, um Bildtafeln abzudrucken und Statistiken auszurollen.

Irgendwann ist jemand auf die Idee gekommen, Dinge noch einmal zu feiern, ehe sie verschwinden. So gibt es einen Tag des Insekts, des Gletschers und der Moral. Zu allem sagt man als Glossist elegant „pfiati“ und bereitet den Essay für den übernächsten Tag vor.

Eine besonders raffinierte Form, einen Tag mit einem Thema auszurufen, ist der sogenannte Equal-Day. Da werden Dinge miteinander verglichen, die scheinbar nur auf den ersten Blick vergleichbar sind.

Am 2. August findet mittlerweile schon der Equal-Day für Pensionen statt.
An diesem Tag haben pensionierende Männer in Österreich so viel verdient wie Frauen am Jahresende. Der Gap geht nur langsam zu, im Jahr um Stunden, wenn man dem Trend trauen darf.

Gerechtigkeitshalber müsste man sofort einen „Equal-Day des Todes“ hinzufügen. Also am 1. September sind die Männer eines Jahrgangs schon gestorben, ehe die Frauen zu Silvester dran sind. Auch hier ruckelt der Gap nur mit Widerwillen auf Gerechtigkeit zu.

Einmal auf die Spur gebracht, ist für die Redakteurinnen kein Halten mehr. Equal-Day für Raucher, Trinker, Fallschirmspringer, Religiöse, Schichtarbeiter und Kurz-Anhänger stehen auf dem Spiel. (Der Kurzanhänger stirbt wegen Verblendung um drei Monate früher als der Nichtkurzanhänger!)

Ja selbst unter alten Verbrennern gibt es einen Equal-Day, der Fiat rostet um Monate früher als der Golf mit einem Fake-Katalysator.

Und nicht zu vergessen: Die Sprache altert schneller, wenn sie einzelne Wörter gendert, als wenn sie klug mit der Syntax auf Gleichberechtigung aus ist. So wird das Deutsche schon im Juni in einem Gender-Stau stecken und zugrunde gehen, während das Englische bis zum Jahresende fit ist.

Bester Beweis: Die Europameisterinnen für Fußball kommen aus England, weil man dort Player sagen darf, während man in der Sprache der Krauts von Spielerinnen und Spielern reden muss. Das treibt vor allem Kommentatorinnen zur Überhitzung, sie müssen alles gendern, weil sie ja nicht wissen, in welchem Körper die Spielerinnen stecken.

Morgen ist vielleicht der Tag des Balls. Während dem Handball schon Mitte März die Luft ausgegangen ist, macht der Fußball bis Jahresende weiter.

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Helmuth Schönauer

Helmuth Schönauer (* 23. September 1953 in Innsbruck) ist Schriftsteller und Bibliothekar an der Universität Innsbruck. In seinen Romanen beschreibt er das Alltagsgeschehen skurriler Randfiguren auf dem Weg nach oben. Als beinahe lückenloser Rezensent der Tiroler Gegenwartsliteratur ist er Vertreter der "low lectured edition". Im sechsbändigen Tagebuch eines Bibliothekars sind knapp 5000 Rezensionen aus den Jahren 1982–2018 zu einem durchgehenden Fließtext zusammengefasst, der chronologisch nach Erscheinungsweise der rezensierten Bücher geordnet ist. Dadurch ergibt sich eine zeitgenössische Geschichtsschreibung anhand von Lektüre. Schönauer ist Mitglied der Grazer Autorinnen Autorenversammlung.

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