Helmuth Schönauer bespricht:
Ronald Weinberger
Und sie lügen doch.
Über den Unsinn der Astrologie
Wenn es um die Wahrheit geht, können Handbücher durchaus dünn ausfallen. Im Gegenteil, je umfangreicher die Absätze bei der Darstellung einer vermeintlichen Wahrheit ausfallen, umso verdächtiger erscheinen sie jemandem, der vielleicht Ludwig Wittgensteins Tractat vor Augen hat und liest: „Die Welt ist alles, was der Fall ist.“
Ronald Weinberger geht mit seinem „Sternen-Tractatus“ ähnlich kurz angebunden vor. „Astrologie erfüllt nicht die Normen, die an eine Wissenschaft gestellt werden“ (5 ). Und als ehemaliger professioneller und noch dazu auf (vor allem „sterbende“) Sterne spezialisierter Astronom fügt er hinzu: „Mit Schindluder meine ich Horoskope. Allgemeiner ausgedrückt: die Astrologie.“
In einem Frage- und Antwortspiel werden in Folge ein paar Argumente gegen die Astrologie ausgetauscht. Dabei verblüffen Binsenweisheiten, wonach auch gebildete Menschen irren können, das Alter eines Kultes nichts über seine Realitätshaltigkeit aussagt und Fifty-fifty-Aussagen auf Halbwahrheiten hinauslaufen.
So hat der Mond kaum eine Auswirkung auf den Holzschlagtermin, ebenso ist das Haarschneiden bei gewissen Lichtverhältnissen nicht von Logik untermauert. Und auch der Kult mit dem Geburtstermin bei entsprechender Sternenkonstellation führt sich ad absurdum, wenn man die Geburt künstlich einleitet und so quasi eine neue Schicksalsidentität schafft.
Die Abhandlung über den Unsinn der Astrologie löst freilich nicht das ewige Problem: Wer es nicht hören will, wird es nicht hören! Und das Fühlen ist bei den Dimensionen des Weltraums nicht gerade von großer Haptik begleitet.
Der „broschürte Lügendetektor“, wie man dieses Büchl salopp bezeichnen könnte, ist ganz in der Aufmachung von kleinen Kalenderchen gestaltet, damit die Fans der seriösen Wissenschaft etwas in der Hand haben, wenn sie wieder einmal in ein astrologisches Zwangsduell verwickelt werden.
Nach der Abrechnung mit der Astrologie gibt es ein humoreskes Zwischenblatt, worin der Autor in einem Narrengedicht die Astrolüge besingt. „Wir sind (selbst wenn dies Frust bereitend) / für Sterne gänzlich unbedeutend!“ (14)
Der zweite Teil ist als offenes Fragen-Tableau angelegt. Dabei geht es um Begriffe wie Unendlichkeit, Zeit, Raum, Krümmung, Loch. Diese Begriffe lassen sich irdisch anwenden, wenn man etwa die Krümmung einer Straße beschreibt oder das Loch, in das man psychisch gefallen ist. Die Wörter entfalten freilich eine staunenswerte Magie, wenn man sie in den Weltraum verlagert.
An anderer Stelle berichtet der Autor von dem Dilemma, in das ihn seine Vorträge in der Erwachsenenbildung immer gebracht haben. Kaum verwendet er das Wort Anfang, wollen alle schon eine physikalische Deutung ihres theologischen Halbwissens, das sich stark am Schöpfungsbericht orientiert. Vor allem der Anfang macht die Menschen heute noch verrückt, weil sie alles auf einer Skala deuten, wo es eine Null gibt. „Es gibt Anfangloses!“ (15) sagt der Astronom und wirkt rätselhaft. Aber wenn man diesen Satz einsickern lässt, stellt sich eine gewisse Gelassenheit ein.
Anlässlich seiner Pensionierung hat Ronald Weinberger in einer vertrauten Runde einen seltsamen Satz geäußert. Er wolle jetzt zwischendurch dichten, weil er das in der Wissenschaft ein Leben lang nicht hat tun dürfen. Unter diesem Licht ist vielleicht seine „Astropoesie“ zu deuten, wonach es die Literatur schafft, in jene Bereiche vorzudringen, in denen die Wissenschaft keinen Halt findet. Die Literatur darf in diesen schwarzen Löchern, toten Sternen und doppelten Schleifen herumziehen, so lange sie nicht ihr Label abstreift, eben Literatur zu sein.
So entsteht vielleicht doch noch eine versöhnliche Brücke hin zur Astrologie. Man nehme nur den sogenannten Volksmund als Zeugen, worin es heißt: Was ich nicht verstehe, ist vielleicht Lyrik!
Ronald Weinberger fordert mit seiner Aufklärungsschrift vom Leser höchste Konzentration, denn hinter jedem Satz kann ein wissenschaftlicher oder poetischer Ansatz stecken. Das ist wahrscheinlich der Inhalt einer Wahrheit, dass man verunsichert bleiben muss, wenn man sich ihr nähert.
Ronald Weinberger: Und sie lügen doch. Über den Unsinn der Astrologie.
St. Johann: Verlag Hofinger 2021. 41 Seiten. EUR 4,90. ISBN 978-3-9505074-1-6.
Ronald Weinberger, geb. 1948 in Bad Schallerbach, ehemaliger Professor am Institut für Astronomie an der Universität Innsbruck, lebt in Zirl.
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