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Hannes Hofinger
Meine Frankfurter Buchmesse
Bericht

„Peter? Nein, der stellt heuer nicht aus. Rechnet sich nicht, sagt er. Bruno? Nein, den gibt’s nicht mehr. Hat aufgegeben. Wie so viele andere.“

Vier Jahre ist es her. Vor vier Jahren war ich das letzte Mal auf der Buchmesse. Dann kam Corona dazwischen. Mein erster Weg ging immer zu den bekannten kleinen Verlagen. Sie hatten seit ewigen Zeiten dieselben Standplätze in Halle 3. Peter, Bruno, Alex, Christa und wie sie alle hießen.

Heuer sind die Plätze entweder leer oder anderweitig vergeben. Viele der kleinen Verlage haben aufgegeben oder, falls sie erfolgreich waren, wurden sie aufgekauft und finden nun als „Edition xy“ bei den Großen der Branche ein kurzes Überleben.

Frankfurt ist nicht mehr so, wie ich es im Kopf hatte. Einzig das Getümmel ist das gleiche. Obwohl die Anzahl der Aussteller und der Besucher zurückgegangen ist, kämpft man sich dennoch an den Publikumstagen mühsam durch die Hallen.
4.000 Aussteller. Jubelt die Messeleitung. Ich hatte noch 5.000 im Kopf. 150.000 Besucher. Ich kann mich an 300.000 erinnern.

Dennoch: Frankfurt ist wieder analog, die Bücher haptisch! Einfach herrlich!

Auffallend sind wie jedes Jahr die riesigen Messestände der ganz Großen. Dort tummelt sich die Lesewelt, dort lesen die Auflagenstärksten und diskutieren die Meistbeworbenen.

Am Sonntag Vormittag – ich bin seit Donnerstag in Frankfurt – mache ich noch einen Abschiedsbesuch in Halle 3 und schon auf dem riesigen Platz fällt mir eine endlose Schlange von Menschen auf, die offensichtlich für irgendetwas anstehen. Ich gehe die Schlange entlang, hunderte, vorwiegend junge Leute haben alle dasselbe Buch in der Hand und warten. Die Schlange reicht bis in die Halle hinein und endet vor dem Verlagsstand, an dem Sebastian Fitzek sein neues Buch signiert.

Sicher hundert oder mehr Menschen warten geduldig stundenlang auf den Kritzler im neuen Buch? Nein. Nicht die Signatur ist wichtig. Heute zählt nur das Selfie!
Nein, ich mache mich nicht darüber lustig. Wir waren ja auch so deppert. Ewig habe ich gewartet, bis mir damals in Innsbruck Chris Barber und alle seine Musikerkollegen persönlich ihren Kraxler auf die neue LP gemacht haben. Sie kennen Chris Barber nicht mehr?

Jedes Jahr dieselbe Frage: Warum fährst du denn immer wieder zur Buchmesse? Was bringt dir das?

Die Antwort hat sich in den letzten Jahrzehnten geändert. Anfangs war es die Faszination, so einen riesigen, endlosen Berg von Büchern zu bewundern, kiloweise Prospekte heimzuschleppen, auszuwählen, zu bestellen und das lustvolle Gefühl, absolut up to date zu sein. Zu den Informierten zu gehören. Niemand konnte mir eine wichtige Neuerscheinung nennen, die ich nicht kannte.

Heute ist das anders. Als Buchhändler und Verleger wird man täglich informiert, mit Katalogen überschüttet, mit Leseexemplaren beglückt. Ich weiß alles, bevor ich in den Zug nach Frankfurt steige. Und warum besteige ich dennoch in München diesen geilen ICE mit WLAN und Fußfreiheit wie im Metrokino? Weil ich den Abgesang der kleinen Verleger miterleben muss. Weil ich mich über die Menge an Zuschussverlagen ärgern möchte.

Zuschussverlage? Kennen sie nicht? Das sind die Geier unter den Verlagen. Versprechen unbedarften Menschen die große Zukunft als BestsellerautorIn. Kostet halt ein paar Blaue. Egal, was die Leute schreiben, alles wird gedruckt. Wenn die Kohle stimmt. Und das Versprechen, in Frankfurt, auf der weltgrößten Buchmesse lesen zu dürfen, das killt jede Vernunft.

Und die Tatsache? Eine winzige Koje. Ein Barhocker, 3 oder 4 Sessel und ein Autor, der vor 4 Leuten ein paar Zeilen liest. Mehr war ja nicht versprochen. Und zu Hause erklärt dann die uninformierte Lokalpresse hymnisch, dass der heimische Autor, die heimische Autorin tatsächlich in Frankfurt aus ihrem neuen Werk gelesen hat.

Als Ergebnis bezeichnen sich dann Schreiberlinge, die mangels Qualität keinen Verleger finden konnten und das Machwerk selber drucken ließen, als Bestsellerautoren, zahlen Events in Promihotels und erwecken den Eindruck, das, was sie zusammenschustern, sei Literatur.

Zurück zum Thema: Ich kämpfe mich durch die Getümmel der Großen hin zu den Kleinen. Ja, es gibt sie noch. Viele kleine Verleger kämpfen nicht nur ums Überleben, sie kämpfen um Gehör.

Nicht massentaugliche Themen und Geschichten suchen Leser. Und dies ist für mich die einzig wichtige Rechtfertigung für diesen Massenauflauf. Bücher, die in keinem Katalog stehen, Titel, die in keiner Buchbesprechung aufscheinen, Autorinnen, die keiner der Giganten veröffentlichen würde.

Da sind manchmal wertvolle Bücher zu finden. Geschichten, die es wirklich wert sind, geschrieben zu sein. Manchmal! Und deshalb fahre ich nächstes Jahr wieder nach Frankfurt, ich, selbst ein kleiner Verleger mit kleinem Buchversand und ein unbedeutender Autor.

Der vorliegende Text wird auch in der „St. Johanner Zeitung“ erscheinen.

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Hannes Hofinger

Hannes Hofinger (* 21. Dezember 1947 in St. Johann in Tirol) ist ein österreichischer Schriftsteller, Bibliothekar und Verleger. Hannes Hofinger ist Chronist und Heimatforscher und verlegt vor allem Kleinodien aus der Umgebung von St. Johann in Tirol.

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