Literarische Korrespondenz:
Hannes Hofinger
Betrifft:
Zum Ende des Buchhandels
Lieber Alois!
Zu Deinem Beitrag über den Niedergang des Buchhandels möchte ich ein paar Anmerkungen machen:
Vorerst die Tatsachen: Die Umsatzsteuer auf Bücher beträgt in Deutschland 7%, in Italien 4% und in der Schweiz 2,6%. Bei uns 10%. Folglich ist der Wunsch nach einer Senkung nicht ganz abwegig.
Ich gebe Dir aber insofern recht, dass die geforderte Reduzierung auf 4% das Strukturproblem des österr. Buchhandels nicht lösen wird.
Deiner Behauptung, dass das Buch generell ein Auslaufmodell sei, möchte ich aber entschieden widersprechen. Diese Prophezeiung ist so alt wie das Buch und ist mit keinerlei Zahlen belegbar. Der Tod des Buches wurde bei der Erfindung des Fernsehens und zuletzt bei der großen Verbreitung der e-books vorhergesagt.
E-Books boomen! Aber sie sind kein Ersatz für die haptische Ausgabe, es ist eine tolle Ergänzung! Dies stelle ich beinahe täglich in der Bibliothek fest. Wir haben hier in St. Johann etwa 18.000 Bücher und den Zugang zu 20.000 e-books. Trotz enormem Anstieg beim Verleih von e-books können wir keinerlei Rückgang beim Verleih der echten Bücher feststellen. Ganz im Gegenteil. 2023 war für uns das beste Jahr seit der Gründung vor 15 Jahren.
Vielleicht auch ein Anzeichen dafür, dass Bücher ihren Wert als Prestigeobjekt verloren haben. Man muss nicht jede Neuerscheinung im eigenen Regal stehen haben, es ist doch viel vernünftiger, diese in der Bibliothek auszuleihen und, wenn der Inhalt zum Haare raufen deppert ist, dann ist es auch kein (finanzielles) Problem.
Dies geht allerdings zu Lasten der Autoren. Dir wäre es sicher lieber, 10 Leute würden dein Buch kaufen, als dass eine einzige gekaufte Ausgabe von der Bibliothek 50x verliehen wird.
Du beklagst Dich, dass Deine Bücher in keiner Buchhandlung aufliegen. Aber versetze Dich mal kurz in die Situation eines (kleinen) Buchhändlers.
Durchschnittlich hat der Buchhändler eine Spanne von 30% vom Verkaufspreis. Er muss also nach Nachfrage und Kundenwünschen einkaufen. Sei mir nicht böse, aber du kannst doch keinem Buchhändler vorwerfen, dass er von deinen Werken nicht je ein Exemplar einkauft und auf Lager hält, wenn er es dann mit Sicherheit nicht verkaufen kann. Dann bleibt nur das Verramschen in der EinEuroKiste. Deine Bücher sind fast ausnahmslos nur über konkrete Kundenbestellungen verkaufbar. Und die Illusion, dass ein engagierter Buchhändler seinen Kunden einen Schöpf empfehlen und verkaufen wird, ist ein netter Wunsch.
Das hat nicht zuletzt, aber auch mit den Konditionen der Verlage zu tun. Wenn ich als Buchhändler ein einzelnes Buch bestelle, dann bekomme ich, wie erwähnt 30% Rabatt, muss aber das Porto bezahlen, meist ein Nullsummenspiel. Außer, ich bestelle gleich 10 Exemplare, dann kann ich schon 40% aushandeln, aber wer kauft mir in absehbarer Zeit 10 Schöpfs ab? Niemand. Geht sich also nicht aus.
Anders bei den groß gepushten Bestsellern. Da kann ich problemlos 10 Stück bestellen, der Verlag oder der ORF oder der Autor sorgen für die Bewerbung. Oder die Nachfrage der Kunden, welche schon sehnsüchtig auf das neue Werk des Autors xy gewartet haben.
Dein Vorwurf an den Buchhandel ist nicht ganz gerecht. Natürlich könnte man annehmen, dass ein heimischer Buchhändler heimische Autoren lagernd hält, aber aus kommerziellen Gründen ist dies nicht vertretbar.
So, und jetzt versuche ich eine Darstellung des Buchmarktes mit theoretischen, utopischen Möglichkeiten, Autoren zu Verkaufszahlen zu verhelfen.
Dazu muss ich ein wenig in die Vergangenheit abschweifen. Ich habe nämlich den Vorteil, dass ich alle Bereiche des Buchgewerbes kennenlernen durfte. Als Verleger, als Verlagsauslieferer, als Buchhandelsvertreter, als Buchhändler und auch seit 15 Jahren als Bibliothekar.
Fangen wir vorne an:
Verlag:
Es gibt Menschen, die wollen gerne ihre Ergüsse und Weisheiten in Buchform sehen. Das ist natürlich legitim. Alle, die schon einmal ein Manuskript geschafft haben, wenden sich zuerst an die großen Verlage in der Hoffnung und Erwartung einer glorreichen Zukunft als berühmter Autor.
Wenn sich auch der x-te Verlag nicht meldet, dann gibt es 3 Möglichkeiten: Entweder man vergisst die Sache und wendet seine Energie etwas Anderem zu. Oder man fällt auf die Verlockungen sogenannter Zuschussverlage herein und blättert gleich einmal ein paar Tausender auf den Tisch des Verlages, der eine tolle Zukunft verspricht.
Nicht selten mit der garantierten Zusage, bei der nächsten Frankfurter oder Leipziger Buchmesse vor Publikum aus dem eigenen Werk lesen zu dürfen. Wer schon auf der Buchmesse war, der blickt bald durch.
Da stellen über 4.000 Verlage ihre Erzeugnisse vor. Koje an Koje. Und in einigen dieser Kojen steht ein kleiner Tisch und davor 5 oder 6 Stühle. Da darfst du dann vor 5 Leuten des Verlages (sonst taucht da niemand auf) ein paar Seiten lesen.
Macht sich ja zu Hause in der örtlichen Presse ganz gut: Unser heimischer Autor xy hat in Frankfurt auf der Buchmesse, welche heuer 180.000 Besucher zählte, aus seinem neuen Roman gelesen! Was willst du mehr??
Ja und dann zur dritten Möglichkeit: BoD, Books on Demand. Eine seriöse Möglichkeit ohne finanzielle Ausbeutung. Aber auch BoD wird dir nicht zur weiten Verbreitung deines Werks verhelfen können.
Verlagsauslieferung:
Zwischen Verlag und Buchhandlung fungiert die Verlagsauslieferung. Zumindest bei den größeren Verlagen. Kleinverlage können sich dies nicht leisten und liefern ihre Bücher direkt an den Buchhandel, was diesen nicht sehr freut, denn dabei muss für jedes bestellte Buch Porto berappt werden, während die Verlagsauslieferung eine Großzahl von Verlagen vertritt und somit Bestellungen bei verschiedenen Verlagen in einer gemeinsamen Rechnung und in einer Sendung verschickt. Spart Porto und eine Menge von Buchungszeilen und einzelnen Überweisungen.
Folglich ist meist die erste Frage eines Buchhändlers beim Verleger in Deutschland: Haben sie eine österreichische Auslieferung? Wenn nein, dann danke.
Und nun zu den Kosten des wichtigen Services: Der Verlag liefert seine Bücher meist dem Auslieferer mit 50% Rabatt und in Kommission. Was natürlich die Kalkulation für den Endverbraucherpreis wieder in die Höhe treibt.
Vertreter:
Nach meiner Erfahrung der wichtigste Player im Spiel. Gibt es aber leider immer seltener.
Früher lief dies folgendermaßen ab (ich bin auch ein paar Jahre für einige Verlage quer durch Österreich zu allen Buchhändlern getingelt): Der Verlagsvertreter wird vom Verlag in die Produktion, vor allem der Neuerscheinungen intensiv eingebunden. Er bekommt jede Neuerscheinung als erster zum Durchblättern, er ist bei den Verlagsbesprechungen dabei und er bringt seine Erfahrungen vom Außendienst in die Planung der Publikationen ein.
Der Vertreter kennt sein Verlagsprogramm und er hat natürlich seine Vorlieben. Schon bei der Reisevorbereitung überlegt er, welche Titel er welchem Buchhändler besonders ans Herz legen wird. Und, ganz wichtig, wenn er persönlich von einem Titel überzeugt ist, dann wird dies ein Verkaufsschlager. Er hat es in den Händen und er kennt alle Buchhändlerinnen und Buchhändler persönlich.
Buchhandlung:
Jetzt sind wir wieder am Anfang.
Der Verlag muss also kalkulieren, dass der Auslieferer 50% bekommt, der Vertreter seine Prozente, der Autor seine üblicherweise 10% – und gedruckt soll das Ding ja auch werden, wobei die Druck- und Papierkosten in letzter Zeit exorbitant gestiegen sind.
Jetzt komme ich endlich zur Conclusio:
Es müssten sich eine große Anzahl kleiner Verlage zusammentun, einen guten Vertreter anstellen, eine gemeinsame Auslieferung gründen und in der Werbung zusammenarbeiten. Gemeinsamer Katalog, gemeinsamer Presseauftritt und den Buchhandlungen Lesungen oder Signierstunden anbieten. Mit den Autoren, welche auch lesen wollen/können, werden Tourenpläne erstellt und natürlich die entsprechenden Bücher angeboten.
Aber das ist Illusion und so wird es auch weiterhin keine Buchhandlung in Wien oder Berlin geben, welche unsere Autoren ins Schaufenster stellen.
Träumen wir weiter von der großen Entdeckung durch einen der hundert – einst großen – Verlage, welche in Wahrheit nicht mehr existieren. Es wurden ja schon fast alle aufgekauft. Random House nennt sich das Ungetüm, welches die deutschen und auch österreichischen Verlage verschlingt und zusammenwürfelt und ungekaut in einem Einheitsscheiß auswirft.
Es gibt ja auch keine Verleger mehr. Wer jemals den Briefwechsel des legendären Suhrkampverlegers Siegfried Unseld mit Thomas Bernhard gelesen hat, der versteht, was ich meine.
Mir fällt noch vieles zum Thema ein, aber ich habe Dich schon allzu lange – hoffentlich – unterhalten.
Herzliche Grüße aus dem Unterland
Hannes Hofinger
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lieber hannes hofinger, danke für diesen aufschlussreichen kommentar, dem ich vollinhaltlich recht gebe, besonders auch im widerspruch zu alois schöpfs artikel. natürlich hätten wir autorinnen und autoren gerne, dass alle unsere bücher zumindest in tiroler buchhandlungen aufliegen, aber das ist schon aus platzgründen eine illusion. immerhin bemüht sich meine verlegerin immer darum, wenigstens die neuerscheinungen in innsbrucker buchhandlungen und – leider selten – anderswo unterzubringen – was nicht einmal in ibk. bei allen gelingt, besonders, wenn es um lyrik geht. lesungen in buchhandlungen sind ohnehin zur mangelware geworden, sofern man kein superstar ist und von den medien gehypt wird. aber wir geben nicht auf und schreiben weiter …