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Günther Aigner
Skifahren: Vom Massensport zum Luxus
Analyse

Wir alle wissen, dass Skifahren nicht der billigste Zeitvertreib ist. Vor allem nicht, wenn es sich um einen Skiurlaub handelt – wenn man also die Anreise, das Hotel und den Skiverleih mitrechnet. 

Ein Skiurlaub war aber bereits in der guten alten Zeit nicht billig. Selbst in den – aus nostalgischer Sicht – Goldenen 1970er-Jahren hat sich nur eine Minderheit einen Skiurlaub leisten können.

Durchschnittsverdienende, die in der Nähe eines Skigebietes wohnten, konnten sich hingegen in den vergangenen Jahrzehnten das Skifahren meist leisten. Diese Leute kauften sich eine Saisonkarte, wenn sie häufig fuhren, oder Tageskarten, wenn sie nur ein paar Mal im Jahr einen Skitag genießen wollten.

 

Die Tageskarte wird zunehmend teurer

Diese Zeiten scheinen sich dem Ende zuzuneigen. Warum? Statistisch ist das recht gut abbildbar. Wir zeigen die Preisentwicklung mit dem hier vorliegenden Preiskorb (11 österreichische Skigebiete) für eine Tageskarte. Von 1990/91 (22,10 EUR) bis 2021/22 (57,00 EUR) lag die Preissteigerung bereits geringfügig über der Warenkorb-Inflation sowie über den Lohn- und Gehaltsabschlüssen. 

Eine ähnliche Entwicklung gab es bei den 6-Tages-Skipässen. Das Gefühl, dass die Skitickets immer weniger leistbar sind, ist also statistisch nachweisbar. Es ist eine langsame und schleichende Entwicklung gewesen, aber sie hat stattgefunden.

Ab 2021/22 wurde es dann dynamischer. Innerhalb von zwei Jahren stieg der Tageskartenpreis im allgemeinen Inflations-Tsunami um 19,1 Prozent an – auf nunmehr 67,90 Euro. Nun kann sich jeder Leser selber fragen, ob sein Gehalt/Lohn bzw. seine Pension in den vergangenen zwei Jahren um mehr als 19 Prozent angestiegen sind. 

Diese hier aufgezeigte Entwicklung soll keine Anklage sein, denn der Autor weiß aus unzähligen Fachgesprächen nur zu gut, dass es in Tirol (und auch in Österreich) weniger gewinnbringende Skigebiete gibt, als die Öffentlichkeit glauben möchte. Die Preiserhöhungen waren nötig, um schwarze Zahlen schreiben zu können.


Das führt mich zur folgenden Frage: Was passiert im Skitourismus, wenn das Skifahren bzw. der Skiurlaub zum Luxusgut wird?

Preisentwicklung für eine Skitageskarte in Österreich

Abb. 1: Die Kosten für eine Tageskarte (Preiskorb von 11 Skigebieten) in Österreichs Skigebieten von 1990/91 bis 2023/24. Daten und Grafik: ZUKUNFT SKISPORT


Ein Blick in die weite Welt überrascht

Die Skigebietsbetreiber kontern dem allgemeinen Missmut über die heimische Preisentwicklung damit, dass auch die Qualität der österreichischen Skigebiete überdurchschnittlich stark gestiegen sei und dass Österreich auf dem Weltmarkt ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis aufweisen könne. Wir sehen uns in einer kleinen Reise rund um die Skiwelt die jeweils teuerste Tageskarte je Land an:

– Österreich: EUR 75,00. Ski Arlberg.
– Italien: EUR 80,00. Dolomiti Superski.
– Schweiz: CHF 97,00 (EUR 100,60). Matterhorn Ski Paradise (Zermatt und Cervinia).
– USA: USD 299,00 (EUR 274,35). Vail, Beaver Creek, Steamboat Springs, Park City.

Es stimmt tatsächlich: Mit einer internationalen Brille betrachtet ist das Skifahren in Österreich nach wie vor günstig. Österreich hat im globalen Vergleich ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Das könnte der Grund sein, warum die Pisten in unseren international besuchten Premium-Skigebieten gerammelt voll sind, während viele kleine und mittelgroße Skigebiete um ihre Existenz kämpfen müssen.


USA: Welche Trends sehen wir am teuersten Skitourismusmarkt der Welt?

Für uns Bewohner im deutschsprachigen Raum scheint klar: Eine Entwicklung wie in den USA wäre nicht (mehr) nachhaltig und würde dem Skitourismus endgültig das Genick brechen. Der deutschsprachige Raum ist für seinen Pessimismus ja bekannt (German Angst), könnte auch in diesem Fall jedoch einem Trugschluss aufsitzen.

Wir blicken auf den größten Ski(tourismus)markt der Welt: in die USA. Nirgendwo fahren mehr Menschen Ski, und nirgendwo auf der Welt ist das Skifahren so teuer wie dort. Die Abbildung 2 zeigt Zahlen der NSAA (National Ski Areas Association) zur Entwicklung der Erstzutritte in den US-Skigebieten. 

Überraschenderweise sehen wir im Vergleich zu Österreich (Abbildung 3, Zahlen des Fachverbandes der Seilbahnen Österreich – WKO) nur eine geringe Corona-Delle. Und wir sehen nach der Pandemie ein erstaunlich dynamisches Wachstum. 

So verzeichneten die US-Skigebiete im Winter 2021/22 mit 60,7 Millionen Erstzutritten die erfolgreichste Skisaison ihrer Geschichte. Nur ein Jahr später folgte das nächste All-Time-High mit 64,7 Millionen Erstzutritten. Der größte skitouristische Markt der Welt – die USA – zeigt aktuell ein dynamisches Wachstum. Premium und Wachstum scheinen also miteinander vereinbar zu sein.


Skier Visits per season in the USA

Abb. 2: Die Summe der Erstzutritte (= „Skier Visits“ bzw. „Skier Days“) pro Saison in allen Skigebieten der USA von 1978/79 bis 2022/23. Daten: NSAA. Grafik: ZUKUNFT SKISPORT.

Im vergleichsweise preisgünstigen Skitourismusland Österreich wurden die Vor-Corona-Niveaus noch nicht erreicht. Fairerweise muss man erläutern, dass die USA in den vergangenen Jahren von recht guten, durchaus schneereichen Wintern profitiert haben, wohingegen in Österreich beim Schnee und bei der winterlichen Witterung der Wurm drin war. Dies bestätigen meine Kontakte in den Skifirmen sowie bei den Herstellern von Seilbahn- und Liftanlagen: Die teils schwächelnden Umsätze aus den Alpenländern wurden durch die bärenstarke Nachfrage aus den USA überkompensiert.


Erstzutritte pro Saison in Österreich

 Abb. 3: Die Summe der Erstzutritte (= „Skier Visits“ bzw. „Skier Days“) pro Saison in allen Skigebieten Österreichs von 2000/01 bis 2022/23. Daten: Fachverband der Seilbahnen Österreichs (WKO). Grafik: ZUKUNFT SKISPORT.


Fazit

Der Autor dieser Zeilen bedauert die schleichende Luxurisierung des Skifahrens und des Skiurlaubes. Es gibt jedoch keine Schuldigen. Es ist eine globale Entwicklung, die man zwar lokal durch Maßnahmen abfedern, aber nicht abstellen kann. Plastisches Beispiel: Wenn sich die Familie aus Amsterdam den Skiurlaub weiterhin leisten kann, können wir sie in Österreich begrüßen. Sonst eben nicht. Abfederungsmaßnahmen können wir nur im Inland betreiben, nicht aber in unseren skitouristischen Quellmärkten.

Das Fallbeispiel USA zeigt, dass selbst die dortigen Mondpreise den Skitourismus nicht zum Erliegen bringen konnten. Im Gegenteil: Noch nie zuvor in der Geschichte der USA wurde so viel Ski gefahren wie heute. 

Auch in den Alpen könnte es in diese Richtung gehen. Wir wissen, dass die meisten Konsum- und Wirtschaftstrends der westlichen Welt nach wie vor in den USA entstehen. Der im deutschsprachigen Raum dominante Pessimismus zur Zukunft des Skifahrens und des Skitourismus könnte also von der (globalen) Realität korrigiert werden.


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Günther Aigner

Günther Aigner (* 1977 in Kitzbühel) ist ein Zukunftsforscher auf dem Gebiet des alpinen Skitourismus. Mit dem 2013 gegründeten Unternehmen ZUKUNFT SKISPORT bietet er Beratungs- und Marketingdienstleistungen auf der Basis von „Forschung aus der Praxis für die Praxis“. ZUKUNFT SKISPORT möchte als Bindeglied zwischen dem akademisch-wissenschaftlichen Denkraum und den alpintouristischen Praktikern verstanden werden. Hierbei wird ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz verfolgt. 2021 ist Aigner an die Universität Innsbruck zurückgekehrt, wo er als „PhD candidate“ (Doktorat „Management“) den Kreis zur akademischen Forschung schließt. Günther Aigner gibt sein Wissen als Gastlektor an Hochschulen in Europa und Asien weiter. Außerdem nimmt er in den Medien als Experte am öffentlichen Diskurs teil. Als „Speaker“ hält er Fachvorträge im In- und Ausland.

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