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Franz Mathis
Bahn gegen Auto
Ein aussichtsloser Kampf?

Der Erfahrungsbericht eines Zillertaler Pendlers in der Tiroler Tageszeitung vom 11. August zeigt einmal mehr, dass die Bahn im Wettbewerb mit dem Auto auf verlorenem Posten steht. Laut seinen Angaben braucht er für die Fahrt von Neuburgstall zu den Jenbacher Werken an trockenen Tagen mit dem Auto etwa 30 Minuten, an Regentagen wegen des Staus durch den Touristenverkehr rund 1 Stunde und 15 Minuten.

Bei einem Benzinverbrauch von vielleicht 6 bis 7 Litern auf 100 km kostet ihn die Fahrt für die 33 km an Treibstoff 2,5 bis 3 Euro. Mit der Bahn benötigt er einschließlich des Weges zum und vom Bahnhof mindestens eine Stunde, also doppelt so lang bis etwa gleich lang wie mit dem Auto. Das Ticket für die Fahrt von Mayrhofen nach Jenbach kostet aktuell jedoch 8,90 Euro, also rund dreimal so viel wie der Treibstoff – etwas weniger beim Kauf einer Wochen- oder Monatskarte, deutlich mehr jedoch unter Einbeziehung der Parkgebühr am Bahnhof.

Wieso sollte jemand unter diesen Bedingungen auf die Bahn umsteigen? Ganz abgesehen von den noch viel höheren Kosten, die sich für eine drei- bis vierköpfige Urlauberfamilie ergeben! Und abgesehen von der mit dem Auto gegebenen, höheren Bequemlichkeit der Haus-zu-Haus-Mobilität ohne Fahrt zum und vom Bahnhof!

Um die Bahn attraktiver zu machen, bleibt daher nur der Versuch, sie probeweise für vielleicht 3 Monate zum Null-Tarif anzubieten. Wenn dann tatsächlich deutlich mehr Menschen auf die Bahn umsteigen, könnte man überlegen, ob ein solches Angebot im Sinne des Klimaschutzes– vergleichbar mit dem kostenlosen Schulbesuch im Sinne der Bildung – die dafür notwendigen Steuergelder rechtfertigt, um die Bahn gegenüber dem Auto tatsächlich konkurrenzfähiger zu machen.

Ähnlich verhält es sich mit dem neuen Klimaticket, das ab 26. Oktober in fast ganz Österreich gelten soll und von dem laut Aussage der zuständigen Ministerin rund 100.000 Menschen profitieren werden.

Wie viele von ihnen bereits jetzt die Bahn benützen und wie viele tatsächlich wegen des neuen Tickets vom Auto auf die Bahn umsteigen, hat sie nicht gesagt. Selbst im allergünstigsten, allerdings sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es sich bei allen um Umsteiger handeln sollte, wäre dies für die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Bahn nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein.

Denn angesichts der rund 5 Millionen Autofahrer – so viele PKW gibt es derzeit in Österreich –, wären die 100.000, von denen die Ministerin sprach, gerade einmal 2 Prozent. Dass damit keine entscheidende Verbesserung der Klimabelastung erreicht werden kann, liegt auf der Hand.

Und wenn die grüne Vizelandeshauptfrau  Tirols meint, dass viele Menschen, die bereits ein Jahresticket für Tirol besitzen, nun auf das neue Klimaticket umsteigen werden, könnte man fast glauben, dass sogar die Grünen die Hoffnung auf eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene bereits aufgegeben haben.

Auch in diesem Fall würde sich der Versuch lohnen, für eine begrenzte Zeitspanne probeweise die Benützung der Bahn zum Null-Tarif anzubieten, wie es seit gut einem Jahr in Luxemburg der Fall ist.

Wenn auch dann nicht entscheidend mehr Menschen auf die Bahn umsteigen, wäre ganz realsitisch und vorurteilsfrei zu überlegen, ob die entsprechenden Steuergelder nicht besser in eine umweltschonendere Gestaltung des Autoverkehrs – etwa in Form einer noch stärkeren Förderung umweltschonender Fahrzeuge oder in die Errichtung von Lärmschutzwänden, Einhausungen oder Untertunnelungen – gesteckt werden sollten.


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Franz Mathis

Geboren in Hohenems (Vorarlberg) 1946, Studium der Geschichte und Anglistik an der Universität Innsbruck, Mag. phil. 1971, Dr. phil. 1973, Habilitation aus Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1979, ordentlicher Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 1993. Forschungsaufenthalte in England und den USA, Gastprofessor an den Universitäten Salzburg, New Orleans (USA), Trient und Bozen. Studiendekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Rektorsbeauftragter der Universität Innsbruck für die Partnerschaft mit der University of New Orleans, Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für historische Alpenforschung, Schriftleiter der Tiroler Wirtschaftsstudien. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: vergleichende Stadtgeschichte, vergleichende Unternehmensgeschichte, Dritte Welt, allgemeine Wirtschaftsgeschichte Zusammenhänge und Grundlagen sozio-ökonomischer Entwicklung.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Franz Mathis

    Danke, Herr Mörz, für Ihren Kommentar!
    Den Einwand, dass man beim Auto neben dem Treibstoff auch die Anschaffungskosten sowie diverse Steuern mit berücksichtigen sollte, kenne ich, doch trifft diese Berechnung nur für Menschen zu, die noch kein Auto besitzen. Für alle anderen, die bereits über ein Auto verfügen und auf dieses aus den verschiedensten Gründen nicht verzichten wollen, sind für ein etwaiges Umsteigen auf die Bahn tatsächlich die Kosten für den Treibstoff entscheidend.
    Dass die Menschen in Zukunft auf ihr Auto gänzlich verzichten, glaubt nicht einmal die Regierung. Zwar betrachtet es das Klimaschutzministerium als notwendig, bis 2040 die motorisierte Mobilität aller Autofahrer um mehr als 10 % zu verringern, doch findet sich unter den Maßnahmen, wie dieses Ziel erreicht werden soll (Tempolimits, Parkraumbewirtschaftung, Fahrverbote, Reduktion der Verkehrsflächen, Verteuerungen) keinerlei Hinweis auf einen gänzlichen Verzicht des Autos. Umso mehr scheinen die von mir vorgeschlagenen Investitionen zur möglichst umweltschonenden Gestaltung des Autoverkehrs ein Gebot der Stunde.

  2. Siegfried Mörz

    Sehr geehrte Damen und Herren!
    Ich finde es nicht fair, wenn das Auto nur mit Spritkosten kalkuliert wird. Angenommen man nimmt als tatsächliche Kosten beim Auto 0,35 Cent pro Kilometer, dann kostet die beschriebene Fahrt 11,55 €.
    Wenn sich die Leute selber anlügen über die echten Kosten eines PKW, werden sie nie auf eine alternative Beförderung umsteigen.
    Mit freundlichen Grüßen

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