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Franz Mathis
„Macht euch die Erde untertan“
(Genesis 1,28)
Der Mensch, ein Feind der Natur?
Notizen

Angesichts der fast täglichen Kritik am Umgang der Menschen mit der Natur scheint es an der Zeit, einige Grundtatsachen in Erinnerung zu rufen. Spätestens seit der Neolithischen Revolution vor gut 12.000 Jahren, als die Menschen in immer mehr Teilen der Welt zu einer sesshaften Wirtschaftsweise mit Ackerbau und Viehwirtschaft übergingen, wurden die Eingriffe in die Natur intensiver. 

Sie bezogen sich zunächst insbesondere auf die Rodung von Wäldern, die zur Deckung der Grundbedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und Wohnung vorgenommen wurden.

Zur Erzeugung von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Mais oder Reis sowie von Naturfasern wie Flachs oder Baumwolle für die Herstellung von Stoffen mussten Anbauflächen geschaffen werden. 

Die Bereitstellung von Weideflächen diente der Haltung diverse Nutztiere, insbesondere auch von Schafen zur Erzeugung von Wolle. Wälder wurden aber nicht nur gerodet, sondern lieferten auch das für den Bau von Häusern und deren Beheizung genutzte Holz. 

All dies war für die vorerst zwar noch langsam wachsende Bevölkerung, die vielerorts vom Jagen und Sammeln allein nicht mehr leben konnte, notwendig und wurde daher hinsichtlich der Konsequenzen für die Natur nicht in Frage gestellt.

Erst als die Menschen begannen, über das Überleben hinaus weitere Bedürfnisse decken zu wollen, hätte sich ein Zielkonflikt zwischen Mensch und Natur ergeben können. Die Nachfrage nach Gütern aus weiter entfernten Gegenden führte unter anderem zu einem Schiffsverkehr auf größeren Flüssen und Meeren, der den Bedarf nach Holz zur Verwendung im Schiffbau zusätzlich steigerte. 

Die weitere Entwicklung von Werkzeugen und Gebrauchsgegenständen verlangte nach beständigeren und wertvolleren Materialien wie Eisen und anderen Metallen, die an den entsprechenden Lagerstätten gewonnen wurden. Die damit verbundenen Eingriffe in die Natur nahmen parallel zur wachsenden Bevölkerung zu, wurden jedoch lange Zeit und bis herauf in die jüngste Vergangenheit noch kaum als Problem wahrgenommen.

Erst mit der grundlegenden Umgestaltung der Warenproduktion durch die Industrielle Revolution, die den Übergang von der Handarbeit zur maschinellen Erzeugung mit sich brachte, nahm die Nutzung natürlicher Ressourcen eine völlig neue Dimension an. 

Die Massenproduktion und ihre Verteilung mittels neuer Verkehrsmittel wie Eisenbahn, Automobilen und Dampfschiffen verlangten nach immer mehr Rohstoffen und Energieträgern wie Kohle, Erdöl, Erdgas und elektrischer Strom. Die mit ihrer Förderung und Nutzung einhergehenden Schäden wurden, zumindest soweit sie die menschliche Gesundheit gefährdeten, mit Verboten und der Errichtung von Filter- und Kläranlagen schrittweise behoben, die Schäden an der Natur hingegen erst in den letzten Jahrzehnten problematisiert. 

Parallel zur Vervierfachung der Weltbevölkerung von 1.5 Milliarden Menschen um 1900 auf 6 Milliarden hundert Jahre später wurden immer mehr Flächen für Wohnungen, Straßen, Parkplätze, Supermärkte und vieles mehr verbaut und damit der Natur entnommen.

Es kommt nicht von ungefähr, dass die Sorge um die Erhaltung einer intakten Natur zuerst in den wirtschaftlich entwickelteren, wohlhabenderen Regionen der Welt aufkam, wo zumindest ein Großteil der Gesellschaft ihr Bedürfnis nach einem wie auch immer gearteten, besseren Leben inzwischen decken konnte. 

Wie vielfältig diese Bedürfnisse geworden waren, zeigt allein schon ein Blick auf die breite Palette von Waren und Dienstleistungen, die vor etwas mehr als einem Jahrhundert noch völlig unbekannt waren und die mit einer ebenso neuartigen Mobilität mittels Bahn, Auto oder Flugzeug einherging. 

Erst jetzt begannen immer mehr Menschen, sich über die bisher eher gedankenlos genutzte Natur Gedanken zu machen. Der zuvor nur theoretisch vorhandene Zielkonflikt zwischen den Bedürfnissen der Menschen und der Erhaltung der Natur wurde zu einem realen Problem.

In dieser völlig neuartigen Situation gilt es mehr denn je, die unterschiedlichen Interessen der Menschen befriedigenden Lösungen zuzuführen: mehr und bessere Güter und Dienstleistungen auf der einen, umfassender Naturschutz auf der anderen Seite. 

Neben dem individuellen Verhalten jedes einzelnen Menschen ist und wird es auch in Zukunft Aufgabe der politischen Entscheidungsträger sein, einen möglichst optimalen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen der Gesellschaft, die sie vertreten, zu finden. Von ihnen wird aber auch zu entscheiden sein, wie sehr ein solcher Ausgleich in den Standesvertretungen, Gemeinderäten, Landtagen und Parlamenten oder über Demonstrationen oder Blockaden auf der Straße und in der Natur selbst erzielt wird. 

Dabei wird es nicht nur um ein möglichst umfangreiches Wissen vom Zusammenhang zwischen Mensch und Natur oder zur Frage, ob es wirklich schon fünf vor oder fünf nach zwölf ist, gehen, sondern mindestens ebenso sehr um die Tragfähigkeit notwendiger Kompromisse – eine Aufgabe, der anstelle des kleinkrämerischen, vielfach persönlichen politischen Hickhacks höchste Priorität zukommen sollte.

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Franz Mathis

Geboren in Hohenems (Vorarlberg) 1946, Studium der Geschichte und Anglistik an der Universität Innsbruck, Mag. phil. 1971, Dr. phil. 1973, Habilitation aus Wirtschafts- und Sozialgeschichte 1979, ordentlicher Universitätsprofessor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte seit 1993. Forschungsaufenthalte in England und den USA, Gastprofessor an den Universitäten Salzburg, New Orleans (USA), Trient und Bozen. Studiendekan der Geisteswissenschaftlichen Fakultät, Rektorsbeauftragter der Universität Innsbruck für die Partnerschaft mit der University of New Orleans, Vorstandsmitglied der Internationalen Gesellschaft für historische Alpenforschung, Schriftleiter der Tiroler Wirtschaftsstudien. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: vergleichende Stadtgeschichte, vergleichende Unternehmensgeschichte, Dritte Welt, allgemeine Wirtschaftsgeschichte Zusammenhänge und Grundlagen sozio-ökonomischer Entwicklung.

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